Die Überschreitung der Budgetobergrenze von Red Bull ist ein Desaster. Ein Desaster für Red Bull, ein Desaster für die Konkurrenz, ein Desaster für die ganze Formel 1. Es bringt den Sport in eine Situation, in der es nur Verlierer geben kann. Hier das richtige Urteil zu fällen, gleicht der Quadratur des Kreises.

Die Budgetobergrenze ist eine wunderbare Sache - solange man nicht über sie spricht. Die Formel 1 wurde seit jeher von Geld dominiert, natürlich wurde über Geld gesprochen und über fehlendes Geld geklagt, aber es war regulativ nicht relevant. Es ging um den Sport, es ging um die Technik und allzu oft um Politik.

Die Idee der Budgetobergrenze ist fabelhaft und einer der Hauptgründe, weshalb die Formel 1 boomt. Nicht Netflix, sondern die Tatsache, einen Rennstall finanziell nachhaltig betreiben zu können, ist der Grund, weshalb Teams inzwischen richtig viel Geld wert sind. Es ist noch nicht lange her, da war man dankbar, dass Lawrence Stroll Force India übernommen hat.

Die Budgetobergrenze ist toll, aber zurück zum eigentlichen Thema: Wenn man über sie sprechen muss, ist etwas schiefgegangen. Wie bei Red Bull. Es ist der absolute Worst Case, der eintreffen konnte: Gleich im ersten Jahr des Caps kommt es zu einer Überschreitung, ausgerechnet vom Weltmeister des relevanten Jahres, der auch noch in diesem Jahr Weltmeister wird.

Mercedes & Ferrari schreien auf: Zu Recht

Somit schreit die Konkurrenz gleich doppelt - und zurecht - auf: Mercedes, weil man deshalb möglicherweise die Weltmeisterschaft verloren hat. Ferrari, weil Red Bull möglicherweise mehr in die Entwicklung für 2022 investiert hat, als man eigentlich hätte können. Beide Standpunkte des Ärgers sind verständlich.

Mit seinem Auftritt in Singapur hat sich Teamchef Christian Horner sicher keine Freunde gemacht. Im Nachhinein klingen seine Drohungen geradezu absurd. Wie ein Ehebrecher, der von seiner Frau im Ehebett in flagranti erwischt wird und sich schließlich darüber beschwert, dass die Frau gar nicht zuhause hätte sein dürfen.

Die Argumente, man wäre aufgrund hoher Catering-Beträge über die erlaubte Summe gekommen, sind hanebüchen. Mitarbeiter-Boni sind ein Teil der Bezahlung, auch hier gibt es im Reglement klare Vorschriften. Mehr oder bessere Mitarbeiter sind Performance. Eine Million US-Dollar mehr sind zehn Ingenieure mehr. Wenn Red Bull zu viel Geld ausgegeben hat, muss das Team bestraft werden.

Wer betrügt muss seinen Titel verlieren!?

Uns allen hallen die Worte von Formel-1-Sportchef Ross Brawn in den Ohren: Wenn jemand beim Budget Cap betrügt, muss er seine Weltmeisterschaft verlieren. Das und nichts anderes ist es, was viele nun fordern. Zumal Max Verstappen die WM nur hauchdünn gewann.

Für den Sport an sich wäre es der absolute Super-GAU, wenn der Weltmeister ein Jahr nach dem Titelgewinn doch nicht mehr Weltmeister ist. Dann bekommen wir Zustände wie in der Tour de France. Irgendwann tauchen positive Dopingproben auf - und plötzlich ist Lance Armstrong kein Tour-Sieger mehr.

Max Verstappen ist Formel-1-Weltmeister 2022*

Die FIA muss durchgreifen. Es darf kein Präzedenzfall werden, dass man das Finanzielle Reglement bricht, aber mit einem blauen Auge davonkommt. Es darf aber auch nicht sein, dass wir den Weltmeister in Zukunft verkünden müssen wie einen provisorischen Rennkalender. Alles, was dann ein Jahr lang auf der Strecke passiert, wäre nur noch unter Vorbehalt.

Auch wenn man bei einem geringfügigen Verstoß mit einem blauen Auge davonkommt, ist das für die Zukunft gefährlich. Plötzlich geben alle, die es können, fünf Prozent mehr aus, als sie dürften. Was auch immer die FIA machen wird, es wird falsch sein.

Das Einzige, das die FIA jetzt richtig machen kann und muss, ist Transparenz. Man muss genau erklären, warum man zu welchem Schluss auch immer gekommen ist. Die Affäre rund um den Ferrari-Motor 2019 war ein abschreckendes Beispiel. Noch einmal darf so etwas nicht passieren.

* Der Titel könnte ihm ein Jahr später wieder aberkannt werden