McLaren stand im Kampf um Platz 4 der Konstrukteurswertung bereits mit dem Rücken zur Wand. Obwohl das Traditionsteam in Monza 6 Punkte auf Konkurrent Alpine aufholen konnte, verblieb der Rückstand vor dem Singapur Grand Prix bei stolzen 18 Zählern. Auch im Stadtstaat sah es an den ersten beiden Tagen des Wochenendes nicht danach aus, als ob sich daran viel ändern würde. Das Rennen am Sonntag entwickelte sich trotzdem zur großen Chance für Woking und das Team nutze die Gelegenheit bis zum Maximum aus: Die Plätze 4 und 5, während Alpine leer ausging. Wie haben die Papayas das geschafft?
"Am Freitag sah es noch so aus, als wäre das eines unserer schlechtesten Rennen. Unsere Pace war meilenweit zurück. Die Alpine waren eine halbe Sekunde schneller", berichtete der viertplatzierte Lando Norris von den Befürchtungen seiner Mannschaft nach den Trainingssessions. Auch der Samstag schien diese Prognosen zumindest teilweise zu bestätigen: Fernando Alonso platzierte sich im Qualifying auf P5 vor Norris auf P6. Auf der jeweils anderen Garagenseite sah es düster aus in Sachen Punkte: Daniel Ricciardo und Esteban Ocon gingen von den Plätzen 16 und 17 ins Rennen.
Ricciardo und Seidl betonen: Draußenbleiben auch ohne Safety-Car-Glück richtig
Die Rennen für die beiden Teams hätten dann aber nicht unterschiedlicher verlaufen können: Während Alpine mit beiden Autos aufgrund von technischen Defekten ausfiel, konnte McLaren mit satten 22 Punkten aus dem vollen schöpfen. Besonders Daniel Ricciardos Rennen war bemerkenswert, denn der Australier erzielte das erste gute Ergebnis seit langem: "Mit dem Resultat muss ich glücklich sein. Mein letztes Top-5-Resultat ist ein Jahr her, in Saudi-Arabien. Dieses Jahr hatte ich noch keines, das ist natürlich etwas traurig, aber wir wissen auch wie die Saison verlaufen ist. Ich hatte auch mal etwas Glück verdient."
Tatsächlich hatte Ricciardos Ergebnis aber nicht nur mit Glück zu tun, denn McLaren traf auf auftrocknender Strecke in Singapur die richtige Entscheidung: "Heute war es 50/50. Wir hatten sicher etwas Glück, das werde ich nicht verleugnen, aber wir haben es uns auch erarbeitet, indem wir auf dem Intermediate blieben und geduldig waren. Wir waren am Ende der Punkteränge, also wären wir eigentlich in der Position gewesen, den Slick zu riskieren. Ich war aber nicht überzeugt, dass das die richtige Entscheidung wäre. Also sind wir draußen geblieben und haben Zeit auf die anderen gutgemacht."
Auch Teamchef Andreas Seidl lobte die Geduld der Fahrer und des Kommandostands, der aus den Fehlern der Konkurrenz die richtigen Schlüsse zog: "Wir wollten keine unnötigen Risiken eingehen. Natürlich konnten wir beobachten, was George [Russell, Anm. d. Red.] macht, nachdem er auf Medium wechselte. Daher wussten wir, dass das Risiko zu groß war." Draußen zu bleiben war also ohnehin die richtige Entscheidung, doch dann zog McLaren damit auch noch den großen Jackpot für Ricciardo: "Diese Entscheidung hat zunächst Daniels Position gesichert und dann kam natürlich das Safety-Car, wo wir davon profitiert haben, lang draußen zu bleiben."
Riccardo verlor beim Boxenstopp unter dem Safety-Car wesentlich weniger Zeit als die Konkurrenz und fand sich am Ende des Rennens auf Platz Fünf wieder. Der Australier gab zu, dass ihm relativ egal war, wie er zu 10 Punkten kam: "Ich nehme jeden Punkt, egal wie er zustande kommt. So ist mein Jahr. Ich investiere viel, aber es kommt meist nichts dabei heraus. Also nehme ich alles mit, was geht."
Norris sicher: Habe mir Platz 4 verdient, Verstappen-Angriff ins Leere geschickt
Teamkollege Lando Norris kam sogar noch einen Platz weiter vorne ins Ziel. Von Glück wollte der Brite trotz gleicher Strategie nichts wissen, er sah sein Resultat als vollkommen verdient an: "Wir kämpften die ganze Zeit um Platz 4. Lewis [Hamilton, Anm. d. Red.] ist selbst verunfallt, Max [Verstappen, Anm. d. Red.] fuhr direkt an mir vorbei in den Notausgang, also haben wir uns diesen vierten Platz auch verdient. Das Rennen hat Spaß gemacht, war aber auch eines meiner schwierigsten in der Formel 1. Es brauchte einen hohen Level an Konzentration, um keine Fehler zu machen. Ein Bremsplatten, einmal weit gehen oder auf einen nassen Fleck kommen und schon ist es vorbei."
Besonders beim Überholversuch des Weltmeisters gegen den McLaren-Piloten wurde es brenzlig, doch am Ende konnte sich Norris nur darüber freuen: "Er wäre fast in mich gecrasht, das war sehr knapp. Das war zu riskant von seiner Seite, aber er ist ein Rennfahrer, also wird er nicht warten, sondern es versuchen. Dabei hat er zweimal versagt und Fehler gemacht, von denen ich profitiert habe. Ich habe meine Position gut verteidigt und er musste ins Nasse, deswegen hat er sich verbremst. Es war eine Win-Win-Situation für mich." Verstappen kam aufgrund des Fehlers nur auf Rang sieben, hinter den beiden McLaren, ins Ziel.
McLaren stellt sich auf harten Kampf mit Alpine ein: Bis zur letzten Runde in Abu Dhabi
McLaren liegt nun mit 129 Punkten auf Rang vier, Alpine verbleibt bei 125 Zählern und ist auf Rang fünf zurückgefallen. Andreas Seidl geht davon aus, dass dieser Kampf nicht vorzeitig entschieden wird, doch zumindest sieht er sein Team gerüstet: "Wir haben ein solides Auto, ein großartiges Team an der Strecke und in der Fabrik und zwei großartige Fahrer. Wir haben alles, was es braucht, um diesen Kampf bis zur letzten Runde in Abu Dhabi offen zu halten. Und das werden wir auch versuchen." Die nächste Runde gegen Enstone gibt es schon am nächsten Wochenende bei der Rückkehr des Japan Grand Prix in Suzuka.
diese Formel 1 Nachricht