Nur noch eine Woche, bis die Sommerpause der Formel 1 ihr Ende findet und das Grand-Prix-Wochenende in Spa beginnt. Höchste Zeit für Motorsport-Magazin.com , sich den Status-Quo eines weiteren Teams aus dem aktuellen Feld anzusehen: Mercedes. Welches Halbzeit-Fazit lässt sich für die Silberpfeile ziehen?

Mercedes: Keine Pace und zu viel Porpoising

"Ihr könnt sehen, dass wir sehr weit weg sind. Wir bluffen nicht wie vorher, oder wie die Leute es angenommen haben", stellte Lewis Hamilton nach den ersten beiden Trainings-Sessions der neuen Formel-1-Saison auf dem Bahrain International Circuit klar. Damit spielte er auf die Vermutung nicht weniger Beobachter an, die vor dem Start der Saison noch davon ausgegangen waren, dass Mercedes seine stärksten Trümpfe lediglich zurückhält, bis es wirklich darauf ankommt. Das bereits bekannte wolffsche Understatement also… Aber falsch gedacht!

Das größte Problem für die Crew des siebenfachen Weltmeisters und seines neuen Teamkollegen George Russell? Porpoising. Das lästige "Hüpfen", das auch bei den Fahrzeugen anderer Teams auftrat, war nämlich bei keinem anderen so stark ausgeprägt wie bei den bis dahin so erfolgsverwöhnten Silberpfeilen. Besonders in den Anbrems- und Einlenk-Phasen kamen daraufhin bald Sicherheitsbedenken auf, die uns dann auch bis zur Sommerpause begleiten sollten.

Mercedes mit klarem Aufwärtstrend nach schwierigem Saisonstart

Als Hamilton in Saudi-Arabien als Zehnter und in Imola als Dreizehnter durchs Ziel fuhr, sah es nach vier Rennen nicht gerade rosig aus für die Marke mit dem Stern. Denn obwohl George Russel mit einem 5. und einem 4. Platz an diesen beiden Wochenenden etwas mehr "Schadensbegrenzung" betreiben konnte, war das natürlich trotzdem nicht der Saisonstart, den sich ein achtfacher Konstrukteurs-Meister in seiner 13. Formel-1-Saison wünscht.

Nachdem sich die beiden Silberpfeil-Piloten in den ersten vier Rennen "nur" 77 WM-Punkte sichern konnten, lief es jedoch direkt etwas besser. Im Zuge der Rennen in Miami, Spanien, Monaco und Aserbaidschan verstand Mercedes langsam, aber sicher, was das Porpoising des W13 auslöste und wie man es vielleicht langfristig in den Griff bekommen könnte. Zugegeben, bei diesem Verstehensprozess gab es einige Aufs und Abs, aber das passt ja auch irgendwie zu dieser Problematik. Das Ergebnis sprach am Ende trotzdem für sich: Die Punkteausbeute erhöhte sich gegenüber den ersten vier Rennen um beinahe 10 % auf 84 Zähler, wobei Russell sogar zwei dritte Plätze einfahren konnte.

Der Höhepunkt von Hamilton, Russell, Wolff und Co.

Doch dann sollte das Mercedes-Team endgültig die Früchte seiner harten Arbeit ernten. In den folgenden fünf Rennen bis zur Sommerpause fuhr der Automobilhersteller aus Stuttgart sieben Podestplatzierungen ein. Wobei die letzten beiden Rennen in Frankreich und Ungarn besonders hervorstachen. In beiden Fällen standen Hamilton und Russell gemeinsam auf dem Podium. Der junge Brite auf dem untersten Treppchen und der nicht mehr ganz so junge Brite auf dem mittleren.

Kampf der Generationen bei den Silberpfeilen

George Russell:
2022 trat ein neuer Teamkollege an die Seite von Lewis Hamilton - George Russell. Und der Nachwuchsstar aus dem Vereinten Königreich konnte im neuen Dienstwagen auch direkt von Beginn an glänzen. So kam der junge Brite in seiner ersten Saison im Silberpfeil bei 7 von 13 Rennen vor dem Rekordweltmeister ins Ziel, und das teilweise sogar deutlich. Das lästige "Hüpfen" des W13 machte Russell also offensichtlich weniger Probleme als seinem altgedienten Kollegen. Manch einer sah den Grund dafür darin, dass Russell es nach seiner Zeit bei Williams einfach gewohnt war, aus Boliden mit im Vergleich schlechterer Pace das Maximum herauszuholen.

Durchschnittsnote MSM-Fahrerranking: 2,15

Lewis Hamilton:
Obwohl Lewis Hamilton "nur" sechsmal vor George ins Ziel kam, lässt sich dennoch nicht sagen, dass er gegenüber seinem Teamkollegen ins Hintertreffen geraten ist - ganz im Gegenteil! Nachdem er zu Beginn der Saison dem ehemaligen Williams-Piloten in den Rennen stets unterlag (mit Ausnahme von Bahrain), sah es in den fünf Rennen vor der Sommerpause genau umgekehrt aus. Der F1-Veteran hatte in Kanada, Silverstone, Österreich, Frankreich und Ungarn die Nase vorn. Wenn der bekannte Spruch "the trend is your friend" also tatsächlich zutrifft, stehen die Zeichen für Hamiltons zweite Saisonhälfte durchaus gut.

Durchschnittsnote MSM-Fahrerranking: 2,26

Kommentar: Mit "Trial & Error" zurück zur alten Form?

Motorsport-Magazin.com meint: Es ist nicht abzustreiten, dass Mercedes in der ersten Saison nach den umfangreichen Reglement-Änderungen erstmals seit 2014 so richtig zu kämpfen hatte. Seit Kanada geht es jedoch langsam aber sicher wieder bergauf und die Lücke zur Spitze schließt sich wieder. Wohl nicht zuletzt, weil man nach langem "Trial & Error" endlich das Porpoising des Mercedes in den Griff bekommen zu haben scheint - so hundertprozentig sicher sind sich in dieser Hinsicht aber weder die Beobachter noch das Team selbst. Zu oft glaubte Mercedes in dieser Saison, die Probleme gelöst zu haben, nur um beim nächsten Rennen einen Rückschlag zu erleben. Aber obwohl das Team um Toto Wolff noch nicht so genau weiß, warum seine Pace manchmal gut und manchmal schlecht gewesen ist, kann sich der amtierende Konstrukteurs-Weltmeister zumindest mit der Tatsache trösten, dass man den mit Abstand zuverlässigsten Boliden im Spitzenfeld hat. Während Charles Leclerc, Carlos Sainz, Sergio Perez und Max Verstappen jeweils zweimal aufgrund eines technischen Defekts ausgeschieden sind, konnte im Fall von Mercedes nur ein Grand Prix nicht beendet werden - und das aus ganz anderen Gründen. George Russell durfte das Rennen in Silverstone nur nicht wiederaufnehmen, weil sein Bolide nicht mehr startete, nachdem er seinem Fahrer-Kollegen, Guanyu Zhou, nach dessen Horror-Startcrash sofort zu Hilfe geeilt war.