Monatelang, fast jahrelang musste die Formel-1-Welt darauf warten, nun ist es da: Das Motorenreglement ab 2026 ist verabschiedet und damit die Entscheidungsgrundlage für einen Formel-1-Einstieg von Audi und Porsche. Mit langer Verzögerung hat der Motorsportweltrat der FIA am Dienstag das finale Reglement abgesegnet.

Eigentlich sollte ein neues Reglement schon 2025 in Kraft treten, Corona und Meinungsverschiedenheiten der Hersteller führten zur Verschiebung auf 2026. Der nächste Plan sah vor, die Regeln beim WMSC Ende Juni in Paris zu verabschieden. Debatten über Prüfstandszeiten und Materialien ließen auch diesen Plan scheitern. Neu-Präsident Mohammed Ben Sulayem ließ sich von Formel-1-Boss Stefano Domenicali nicht unbedingt zu Eile drängen.

Weil Audi und Porsche ihre Entscheidungsgrundlagen für einen potenziellen Formel-1-Einstieg aber möglichst zeitnah benötigen, konnte man nicht mehr auf das nächste WMSC am 19. Oktober warten. Stattdessen mussten die Abgeordneten via E-Vote abstimmen. Und auch dieses Votum hätte eigentlich eine Woche früher stattfinden sollen, musste aufgrund der Urlaubssaison aber noch etwas warten.

Formel-1-Motoren 2026 mit über 1.000 PS

Die grundliegende Technik der aktuellen Power Units bleibt bestehen. Der V6 wird weiterhin von einem Turbolader zwangsbeatmet, verliert aber die Elektro-Unterstützung der MGU-H. Nachdem es zuletzt noch Streit über Ladedruck und Kompressionsraten gab, machte die FIA beim finalen Vorschlag wieder eine Rolle rückwärts. Maximal dürfen 4,8 bar Ladedruck anliegen. Das Verdichtungsverhältnis sinkt von derzeit 18:1 auf maximal 16:1. Dazu werden die variablen Ansaugbrücken verboten.

Wichtigster Bestandteil der neuen Motoren-Formel ist der Kraftstoff. Ab 2026 wird CO2-neutral gefahren. Der Kraftstoff muss deshalb zu 100 Prozent synthetisch sein. Auch bei der Produktion des synthetischen Benzins gibt es Auflagen. Ziel ist ein Wettrüsten bei der Herstellung von synthetischem Kraftstoff, das auch für die Serie Relevanz haben soll.

Der maximale Benzindurchfluss von 100 Kilogramm pro Stunde bei 10.500 Umdrehungen pro Minute gehört dann der Vergangenheit an. Statt Masse oder Volumen richtet sich der Benzinfluss nach Energie. 3.000 Megajoule pro Stunde sind nun ab 10.500 Umdrehungen erlaubt.

Der Verbrennungsmotor wird dadurch etwas Leistung verlieren. Die FIA kalkuliert mit 550 Verbrenner-PS. Aktuell liefert der V6 über 800 PS. Dafür wird die E-Maschine deutlich leistungsstärker. Derzeit darf die MGU-K maximal 163 PS auf die Kurbelwelle stemmen. 2026 sind es gut 475 PS (350KW). Daraus ergibt sich eine Systemleistung von 750 Kilowatt, also knapp 1.020 PS.

Die Regeln teilen den V6-Motor dabei in zwei große Teile. Motorblock, Kurbelwelle, Pleuel, Pumpen und Nebenaggregate bilden den unteren Teil. Hier sind die Hersteller in Dimensionen und Materialien stark eingeschränkt. Im Wesentlichen bleibt hier alles beim Alten.

Der obere Teil besteht hauptsächlich aus Zylinderkopf und Kolben. Hier gewährt man den Ingenieuren konstruktive Freiheiten, weil es hauptsächlich um den Brennraum geht. Der muss an den neuartigen Treibstoff angepasst werden. Den Streit um das Kolbenmaterial haben alle gewonnen: Das Reglement erlaubt sowohl Stahl als auch Aluminium. Mercedes, Ferrari und Renault wollten Stahl behalten, Audi und Porsche drängten auf Aluminium.

Um die zusätzliche Elektro-Power bereitstellen zu können, muss die MGU-K mehr rekuperieren. 9 Megajoule pro Runde darf sie einspeisen, die Batteriekapazität bleibt aber bei 4 Megajoule. Derzeit darf die MGU-K pro Runde maximal 2 Megajoule einspeisen.

Mehr Freiheiten gibt es 2026 bei der Zelltechnologie. Allerdings weiß man um die Gefahr einer Kosteneskalation an dieser Front. Um die Kosten auch an anderer Stelle in Zaum zu halten, sollen zahlreiche Komponenten wie Injektoren oder Sensoren standardisiert werden.

Gleichzeitig werden einige Komponenten ab einem gewissen Zeitpunkt homologiert, dürfen also in Folge nicht mehr entwickelt werden. Die Anzahl der Antriebe pro Saison wird weiter beschränkt. Drei Verbrennungsmotoren inklusive Turbolader und Auspuffanlage sollen reichen. Von MGU-K und Batterie wird es sogar nur zwei Exemplare pro Saison und Fahrer geben. 2026, im ersten Jahr des Reglements, gibt es von allen Komponenten ein Exemplar mehr.

K(l)eine Zugeständnisse für Porsche und Audi

Porsche und Audi bekommen keine Zugeständnisse bei den Prüfstandsstunden, Foto: Mercedes-Benz
Porsche und Audi bekommen keine Zugeständnisse bei den Prüfstandsstunden, Foto: Mercedes-Benz

Große Diskussionen gab es nicht nur rund um die Technik. Auch am Sportlichen Reglement wurde gefeilscht, vor allem bei Prüfständen und deren Belegungszeiten. Je drei Einzylinder- und Power-Unit-Prüfstände darf ein Hersteller einsetzen. Für den gesamten Antriebsstrang darf es wie für das gesamte Auto nur je einen Prüfstand geben. Für das Hybridsystem sind zwei Prüfstände erlaubt.

Bei den Belegungsstunden gibt es eine Überraschung: Von Extra-Stunden für neue Hersteller ist keine Rede. Dafür sind die Prüfstandsstunden schon ab 2022 limitiert. Von 2023 bis 2025 gibt es ein Gesamt-Kontingent für drei Jahre Entwicklung, anschließend gibt es ein jährliches Kontingent.

Stunden pro Jahr20222023 / 2024 / 202520262027202820292030
Verbrennungsmotor 20263005400 (über 3 Jahre)700400400400400
Hybridsystem 2026 (ERS)2003400 (über 3 Jahre)500400400400400

Zugeständnisse gibt es dafür auf finanzieller Seite. Die reguläre Budgetobergrenze liegt von 2023 bis 2025 bei jährlich 95 Millionen US-Dollar. 2023 und 2024 dürfen Newcomer pro Jahr 10 Millionen extra ausgeben, 2025 noch fünf Millionen. Danach gelten gleiche Regeln für alle. Bei Investitionen für die Infrastruktur gibt es ebenfalls Zugeständnisse für Newcomer. Ähnlich wie bei der Budgetobergrenze der Teams gibt es auch auf Motoren-Seite diverse Ausnahmen.

Kosten für die aktuellen Triebwerke werden in der Budgetobergrenze nicht berücksichtigt. Ab 2026 steigt die Budgetobergrenze deshalb auf 130 Millionen US-Dollar an, weil es keine Parallel-Programme mehr gibt. Die Lieferung und der Betrieb von Kunden-Motoren sind von der Obergrenze ebenfalls ausgenommen.

Countdown für Porsche und Audi läuft

Nun sind Audi und Porsche an der Reihe. Ursprünglich sah der Plan vor, dass mit dem Beschluss des WMSC 15 Tage Zeit bleiben, eine Entscheidung zu treffen und diese der FIA mitzuteilen. Im Technischen Reglement wird nun als Deadline der 15. Oktober 2022 genannt. Die Zeit drängt, weil die FIA schon 2022 die Einhaltung des Finanziellen Reglements überwachen muss. Allerdings ist auch bei den Entscheidern Eile geboten. Deshalb wird sich Audi wohl nicht bis zu Ende der Deadline Zeit lassen.

Bei Porsche scheint der Formel-1-Einstieg nur noch eine Frage der Bekanntgabe zu sein. Nach und nach tauchen Dokumente im Internet auf, die darauf hindeuten, dass die Entscheidung pro Königsklasse längst gefallen ist. Erst die Meldung der marokkanischen Kartellbehörde, zuletzt die Markenanmeldung von 'F1nally' der Porsche AG beim Deutschen Patent- und Markenamt.

Bei Audi hingegen gab es zuletzt noch größere Fragezeichen. In Ingolstadt und Neuburg stellte man zwar die Weichen schon auf Einstieg, musste aber mit dem Startschuss auf das finale Reglement warten. Je länger sich die Absegnung hinauszögerte, desto länger musste man mit dem finalen Go warten.

Bei Audi ist das ein Problem, weil man den Formel-1-Motor komplett selbst entwickeln und bauen möchte und deshalb bei Null beginnt. Porsche hingegen spannt sich mit Red Bull Powertrains zusammen. Dort läuft bereits der erste V6-Motor auf dem Prüfstand.

Während Porsche auch auf Chassis-Seite gemeinsame Sache mit Red Bull macht, hat man bei Audi das Sauber-Team als Partner auserkoren. Plan ist es, das Team aus der Schweiz in mehreren Etappen komplett zu übernehmen.

Allzu schnell sollte man von Audi und Porsche allerdings keine offiziellen Neuigkeiten erwarten. Bis Montag ist in Ingolstadt und Zuffenhausen noch sitzungsfreie Zeit. Anschließend wird der WMSC-Beschluss genau unter die Lupe genommen, erst dann sind finale Beschlüsse des Vorstands zu erwarten.