Dieses Interview erschien in Ausgabe 84 unseres Print-Magazins. Am Ende des Jahres veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Viel Spaß beim Lesen!

Er ist Deutschlands Motorenpapst im Rennsport: Ulrich Baretzky, fast 30 Jahre lang Leiter der Rennmotoren-Abteilung von Audi Sport. Mit seinen immer wieder revolutionären Antrieben gewann Audi zwischen 2000 und 2014 13 Mal die legendären 24 Stunden von Le Mans. Baretzky-Motoren fuhren auch in Tourenwagenmeisterschaften wie der DTM zu schier unzähligen Erfolgen. 2020 verabschiedete sich der viermalige Gewinner der Rennmotor-des-Jahres-Auszeichnung in den Ruhestand. Wer Ulrich Baretzky kennt, der weiß: Der gebürtige Bayer war stets ein Freund klarer Worte. So auch in einem seiner seltenen Interviews, das Motorsport-Magazin.com für diese Ausgabe führen konnte. Ein Gespräch, das in der Automobil- und Motorsportwelt für einige Furore sorgen dürfte...

MSM: Herr Baretzky, Sie haben vor Kurzem auf einem prominent besetzten Motorsport-Kongress in Birmingham unter anderem mit Pat Symonds und Andy Cowell über Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff referiert. Wie waren die Reaktionen?ULRICH BARETZKY: Es herrschte völlige Einigkeit: Wasserstoff und E-Fuels sind die Zukunft des Motorsports! Das Thema 'Elektro' ist nicht einmal erwähnt worden. Ich wurde in Vorgesprächen gebeten, nicht darauf einzuschlagen. Ich sagte: "Das habe ich gar nicht vor, denn mir geht es um eine argumentative, sachliche Diskussion, die technisch untermauert und begründet ist." Ich äußerte, das werde nur noch von der Politik hochgehalten und von gewissen Autoherstellern, die über Lobbyisten erreicht haben, dass es keine Alternativen gibt und dass E-Fuels nicht auf den Flottenverbrauch angerechnet werden. Das funktioniert langfristig aber nicht. Der Anteil von Elektro-Autos liegt in Deutschland bei zwei Prozent der Fahrzeugflotte, und da sind Hybride schon eingerechnet, deren staatliche Förderung in Kürze auslaufen soll.

Der Rest entfällt auf Autos mit Verbrennungsmotor...Wir haben auf der Welt rund 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor, und die werden auch in 50 Jahren noch da sein, weil die Anzahl von Autos stetig wächst. Die wenigsten haben Elektro-Motoren, weil sich Länder wie beispielsweise Indien eine Infrastruktur für E-Mobilität gar nicht leisten können. Oder nehmen Sie - innerhalb der EU - die Situation in Süditalien, auf Sizilien. Dort gehören Uralt-Fiat Pandas bis heute zum täglichen Verkehrsbild, weil die Menschen sich keine teuren, neuen Autos leisten können... Und um diese Bestandsflotte CO2-neutral zu bekommen, brauchen wir E-Fuels, die wir in beliebigen Mengen beimischen können. Heute haben wir sowieso schon sieben Prozent davon im Kraftstoff, und das könnten locker 20 Prozent werden. Dadurch könnten wir viel mehr CO2 einsparen, als wenn Alle in den nächsten zehn Jahren nur Elektro-Autos kaufen würden. Der Strom, mit dem wir E-Mobile laden, wird immer noch zu über 50 Prozent in Kohlekraftwerken erzeugt. Ein moderner Diesel produziert deshalb weniger CO2/km.

Dabei wird die Elektromobilität seit einigen Jahren auch von der Politik vorangetrieben und gefördert. Wie passt das zusammen?Politiker sind per se keine Ingenieure oder Naturwissenschaftler. Sonst hätte man wissen müssen, dass E-Mobilität, so wie sie propagiert wird, eine absolute Nullnummer ist.

Hätte die Automobilindustrie dem nicht entgegenwirken können?Chinesen und Japaner entwickeln bereits Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff. Nur wir in Europa glauben, dass wir mit der E-Mobilität die Welt retten können. Und wir haben noch nicht verstanden, dass wir uns in einer völligen Abhängigkeit von chinesischen Batterieherstellern befinden. Wenn die mal die Lieferung einstellen sollten, fährt hier kein E-Auto mehr vom Band.

Also ist E-Mobilität Ihrer Meinung nach gescheitert?Nein. Ich habe den Ruf, ein Gegner der E-Mobilität zu sein. Das stimmt nicht. Aber: E-Autos machen dort Sinn, wo es darum geht, die Luftqualität zu verbessern, also in Großstädten. Da brauche ich aber keinen SUV mit über 2,5 Tonnen Gewicht und 400 Kilometern Reichweite, sondern ein kompaktes Auto, das nur den halben Parkplatz benötigt, 100 Kilometer Reichweite hat und maximal 100 km/h fährt. Das ist die Art von E-Mobilität, die wir wirklich und ernsthaft brauchen können. Für Langstrecken-Fahrten braucht es ganz andere Antriebe, die Anforderungen sind dort anspruchsvoller. Das Laden einer Batterie wird niemals in einem Zeitfenster ablaufen wie beim Tanken von Benzin oder Wasserstoff. Die Energieströme, die in eine Batterie fließen können, sind begrenzt. Die Fakten dazu: Wenn mit Ladeleistungen von 350 Kilowatt geladen wird, funktioniert das zwar, die Batterie hält das aber nicht lange aus. Das ist, als würde ich einen Verbrennungsmotor aus der Kältekammer holen und ihn auf 7.000 Umdrehungen treiben. Das macht der auch nicht lange mit. Das ist eine Vergewaltigung der Technik.

Waren Sie eigentlich in das Formel-E-Projekt von Audi involviert?Niemals! Ich hätte mich geweigert und hätte eher gekündigt. Ich war nur einmal bei einem Formel-E-Rennen in Berlin, weil wir dort einen Termin mit dem Vorstand hatten. Erst dachten alle, dass der alte Baretzky es jetzt endlich auch kapiert hat. Die Euphorie war aber ganz schnell vorbei, als ich sagte: "Das Schönste für mich an der Formel E ist der tolle Sound der Diesel-Generatoren, mit denen die Batterien der Rennfahrzeuge geladen werden!" Danach hat man mich gebeten, den Platz zu verlassen.

Kennen Sie eigentlich Alejandro Agag, den Gründer der Formel E?Ja, ich habe ihn vor mehr als zehn Jahren auf einem Kongress getroffen, wo er Allen von seiner Idee einer umweltfreundlichen Formel E vorgeschwärmt hat. Was er dort erzählt hat, war einfach gelogen. Man kann darüber reden, dass so etwas emissions-mindernd sein kann. Emissions-frei ist es aber nicht. Eine ebenso große Lüge wie bei den Elektro-Autos, die in Wahrheit ganz große Umweltschädlinge sind, wenn man den gesamten Entstehungsprozess, von der Rohstoffgewinnung bis zur Verschrottung, betrachtet. Die Öffentlichkeit bekommt leider nicht mit, was dadurch in der Umwelt angerichtet wird. Ich wünsche mir hier einfach mehr Ehrlichkeit, Sachlichkeit und weniger Politik; gerade in diesen Zeiten, wo auf alles extrem kritisch geblickt wird. Dann bitte auch die andere Seite anhören und nicht nur politisch entscheiden.

Wie kamen Sie eigentlich dazu, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen?Das hat sich über die Rennmotoren entwickelt. Wir hatten uns bei Audi auf die Fahne geschrieben, Rennsport zukünftig nachhaltig zu betreiben. Damals gab es den Begriff 'Nachhaltigkeit' noch gar nicht in der Form. Es begann in Le Mans mit der Direkteinspritzung und dem 3,6-Liter V8-Turbo, mit dem wir bei gleicher Leistung mehr als zehn Prozent weniger Verbrauch hatten. Die von uns entwickelte Rennsport-Technologie hat der VW-Konzern später in die Serien-Fahrzeuge übernommen und dadurch einen halben Ozean an Benzin und damit CO2 eingespart. Was man im Rennsport erreichen kann, sehen wir heute auch in der Formel 1 mit den V6-Motoren, die einen Wirkungsgrad von über 50 Prozent erreichen. Das ist ein hervorragender Wert.

Und was hat Sie ausgerechnet auf den Wasserstoff gebracht?Als Audis Le-Mans-Programm zu Ende ging, habe ich dafür gepusht, dass wir für die DTM einen 2-Liter Vierzylinder-Turbo entwickeln. Meine eigentliche Motivation bei der Entwicklung war aber nicht nur die DTM, sondern ein Einsatz bei den 24 Stunden von Le Mans. Zusammen mit BMW und HWA haben wir uns auf ein DTM-Reglement und einen Motor geeinigt, der ziemlich genau der 'Global Race Engine' entsprach, den ich vor mehr als zehn Jahren propagiert hatte, der aber leider nie richtig umgesetzt wurde. Der hätte dem Motorsport sehr viel Geld und Zeit gespart. Im Zuge dieser Entwicklung war für mich klar, dass es eine weitere Stufe geben muss, und zwar in Richtung Wasserstoff-Antrieb. Da habe ich mich zum ersten Mal mit dem Thema und den Rahmenbedingungen beschäftigt. Das Ziel war, den Wasserstoff direkt in den Brennraum einzublasen. Aus technologischer Sicht hat sich dabei mit Ausnahme eines noch nicht entwickelten Einblaseventils kein einziger No-Go-Bereich gezeigt und ergeben.

In Deutschland wird E-Mobilität mit Batterien promotet, vor allem im VW-Konzern. Die Konzerntochter Porsche treibt aber parallel die Entwicklung von E-Fuels voran und spricht von einem "Leuchtturmprojekt für die Wasserstoff-Ökonomie".Das liegt am Selbstverständnis der Porscheaner, die das Geld im VW-Konzern verdienen und sich das leisten können. Mehr als 70 Prozent der 911er, die jemals gebaut worden sind, fahren heute noch. Und ein 911-Fahrer fährt - für mich - kein Elektroauto, wenn es nicht sein muss. Natürlich haben manche noch einen Porsche Taycan in der Garage stehen, mit dem sie zum Golfspielen fahren oder die Kinder in die Schule bringen. Übrigens: der Taycan ist das einzige E-Auto, mit dem ich jemals gefahren bin. Ich hatte mich ja immer geweigert, in solche Autos einzusteigen. Der Porsche Taycan ist schön, er hat nur einen Nachteil: Er hat keinen Verbrennungsmotor.

Warum kann Wasserstoff aus Ihrer Sicht eine Lösung darstellen?Wasserstoff muss über Elektrolyse mit grünem Strom hergestellt werden. Und dieser Strom muss günstig sein, damit der Wasserstoff ebenfalls günstig ist. Porsche hat das konsequent richtig gemacht mit seiner Anlage in Patagonien, in der sie 550 Millionen Liter E-Methanol in der Endausbaustufe herstellen wollen. Porsche-Fahrer können dann mit Recht sagen, dass sie mit ihrem 911 CO2-neutral fahren. Porsche ist nicht zufällig nach Patagonien gegangen, sondern in eine Ecke der Welt, wo 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag der Wind extrem stark bläst. Damit schaffen sie eine sehr hohe Auslastung dieser Anlage und der Strom dort kostet in der Herstellung weniger als einen Cent pro Kilowattstunde. Das kann man in Deutschland oder Europa vergessen.

Eine Kilowattstunde mit Solarstrom in Deutschland hergestellt, kostet zwischen sechs und acht Cent. Ähnlich ist es bei Windkraftanlagen. Der absolute Luxus sind Atomkraftwerke mit 25 Cent pro Kilowattstunde. Der Welt-Energiebedarf 2020 lag bei einhunderttausend Terrawatt-Stunden. Wenn wir davon ausgehen, dass dieser Bedarf jährlich um vier bis fünf Prozent steigt, dann würden wir bis zum Jahr 2050 etwa das Vier- bis Fünffache brauchen. Diese Energie kommt von der Sonne. Das ist die einzige Energiequelle auf der Welt und die liefert uns 15.000 Mal mehr als der Bedarf im Jahr 2020 war. Unser Problem besteht nicht darin, dass wir keine Energie haben - wir müssen sie einfach 'einfangen'. Und das an den Stellen der Welt, wo es sinnvoll ist und wo der Strom weniger als ein Cent pro Kilowatt-Stunde kostet. Dafür gibt es Länder und ausreichend Flächen, aber die liegen nicht in Europa, weil die Sonneneinstrahlung dort zu gering ist. Deshalb ist es meines Erachtens völlig unmöglich, dass Deutschland autark komplett grün wird.

Welche Orte bieten sich stattdessen an?Ein großes Energieaufkommen gibt es in der Sahara oder im Mittleren Osten. Die Saudis investieren nicht umsonst seit Jahren Milliarden in grüne Energie. Wenn man in der Sahara Solaranlagen bauen würde auf einer Fläche von 1.000 mal 1.000 Kilometern, würde man den aktuellen Welt-Energiebedarf decken können.

In der Sahara gibt es aber keine Elektro-Autos.Genau, deshalb muss die elektrische Energie transportiert werden. Dabei entstehen allerdings wahnsinnig große Energieverluste beziehungsweise es ist schlicht unmöglich. Also muss man die grüne Energie so umwandeln, dass man sie per Schiff zum Beispiel als klimaneutrales Methanol dahin transportieren kann, wo sie gebraucht wird. Dort müssen dann die entsprechenden Raffinerien aufgebaut beziehungsweise umgebaut werden, wo E-Methanol - das ja im Wesentlichen aus Wasserstoff besteht - in grünes Benzin oder Diesel umgewandelt werden kann. Oder, noch besser: den Wasserstoff als Wasserstoff nehmen und im Verbrennungsmotor verbrennen. Wenn man die Kosten runterrechnet, ist das Produkt noch immer deutlich günstiger als der Kraftstoff aktuell an der Tankstelle. Zusätzlich müsste er, wie die Elektro-Fahrzeuge heute, von der Mineralölsteuer befreit sein.

Wenn wir schnell von fossilen Brennstoffen wegwollen, dann müssen wir in eine CO2-Kreislaufwirtschaft einsteigen. Wir müssen CO2 sammeln, idealerweise aus Schornsteinen von Stahl- oder Zementwerken, und daraus mit Wasserstoff, der grün ist - also über erneuerbare Energien hergestellt wird - dann E-Fuels herstellen. Weltweit existieren circa 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Die E-Fuels können in beliebigen Mischungsverhältnissen in den bestehenden Motoren verwendet werden - ohne dass Änderungen am Motor notwendig wären. So sind wir mit dem Diesel übrigens von Beginn an in Le Mans gefahren. Das Mineralölunternehmen Shell, das damals der Audi-Kraftstoffpartner war, hat uns den Dieselkraftstoff immer mit einem nennenswerten Prozentsatz von BTL-Kraftstoffen (Biomass To Liquid) geliefert. BTL ist grün, weil Bioabfälle vergast werden. Aus diesem Bio-Gas kann man auch grünen Kraftstoff herstellen.

Die meisten Laien dürften bei Wasserstoff an eine Verwendung in Kombination mit einer Brennstoffzelle denken. Wir haben bei Audi mit Blick auf die 24 Stunden von Le Mans lange untersucht, ob sich für ein Wasserstoff-Projekt eher ein Verbrennungsmotor oder eine Brennstoffzelle anbietet. Zwei extern in Auftrag gegebene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass der Verbrennungsmotor leichter, kleiner, kompakter und variabler ist und dass keine Leistungsgrenze existiert. Den Verbrennungsmotor kann man verwenden wie einen klassischen Motor mit Getriebe, Kupplung und Co. Oder man kann einen seriellen Hybrid draus machen mit einem Verbrennungsmotor analog zu einem Range-Extender. Der läuft dann mit einer konstanten Drehzahl, treibt einen Generator an und die elektrische Energie geht in eine Batterie oder direkt an Elektromotoren, die die Räder antreiben.

Welche Vorteile bringt ein Verbrennungsmotor mit Wasserstoff im Vergleich zu einer Brennstoffzelle?Ein Verbrennungsmotor bietet eine Reihe an Vorteilen, während die Brennstoffzelle einige Nachteile aufweist. Ein Verbrennungsmotor mit Wasserstoff kann leistungsmäßig alles darstellen, was ein Benzin- oder Dieselmotor auch kann. Die Leistungsobergrenze ist theoretisch nur durch die Kühlung bedingt. Bei einer Brennstoffzelle hingegen wird keine Wärme durchs Abgas abgeführt. Das heißt: Dieses Drittel, was man üblicherweise über Abgas an Energie abgibt, bleibt in der Brennstoffzelle und muss weggekühlt werden.

Dadurch haben Brennstoffzellen in einem Pkw typischerweise eine Leistungsgrenze, die bei ca. 150 Kilowatt liegt. Mehr kann man aktuell nicht darstellen, sonst schmelzen die semipermeablen Membranen. Das Thema Schwerlastverkehr auf der Langstrecke funktioniert deshalb so gut, weil ein Lkw relativ konstante Geschwindigkeiten fährt und viel Platz für eine große Brennstoffzelle hat. Eine Brennstoffzelle kann man im Gegensatz zum Verbrennungsmotor aber nicht modulieren. Deshalb sind Antriebe mit einer Brennstoffzelle auch nur in Verbindung mit einer Batterie und mit Elektro-Motoren darstellbar. Es bewegt sich ja nichts in der Brennstoffzelle. Sie erzeugt nur Strom. Es gibt aber auch mittlerweile Lkw-Dieselmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden.

Ist die Sicherheit beim Wasserstoff gerade im Motorsport nicht ein Problem?Wenn Wasserstoff als Energieträger vor 130 Jahren in der Form vorhanden gewesen wäre, dann würden wir jetzt schon alle mit Wasserstoff fahren und Benzin würde als viel zu gefährlich eingeschätzt werden. Bei Parallelversuchen wurden die Tanks von Wasserstoff- und Verbrenner-Autos angezündet. Beim Wasserstoff-Auto sind die Flammen nach 120 Sekunden erloschen, während der Benziner nach 15 Minuten immer noch brannte. Die Temperaturen beim Wasserstoff sind zwar höher, aber noch lange nicht so hoch wie bei einem brennenden Elektro-Auto. Die Vorschriften für Wasserstoff-Tanks sind sehr streng und auf dem Niveau der Luftfahrt. Es gibt ein Sicherheitsfenster, das bei einem bestimmten Berstdruck bricht. Wenn bei einem Unfall der Tank so stark beschädigt wird, dass er bricht, entweicht der Wasserstoff einfach nach oben. Wasserstoff ist ja viel leichter als Luft.

Was sind die größten Hürden bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Verbrennungsmotors?Man muss investieren und Dinge tun, die vorher noch niemand gemacht hat. Das habe ich im Rennsport ja öfter gemacht. Wie oft musste ich mir anhören, dass Dieses oder Jenes nicht funktioniert. Als wir damals unseren Zulieferern erklärten, mit einem Diesel-Motor Le Mans gewinnen zu wollen, haben die alle abgewunken, erklärten uns, das sei eigentlich nicht machbar. Und dann ging es doch!

Wir haben gehört, dass Sie sogar konkrete Angebote bezüglich eines Le-Mans-Autos mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor auf dem Tisch hatten. Was können Sie uns dazu verraten?Vor ziemlich genau einem Jahr kam ich in Kontakt mit einem Industriellen, selbst Hobby-Rennfahrer, für den ich ein Le-Mans-Auto mit Verbrennungsmotor samt Wasserstoff entwickeln sollte. Ich habe dafür einige Bedingungen gestellt: Als Basis sollte der DTM-Vierzylinder-Motor dienen, den ich zuletzt bei Audi entwickelt hatte. Auch sollte mir Audi Teile meiner alten Mannschaft zur Verfügung stellen, wobei der Kunde alles bezahlt hätte. Nach Gesprächen hieß es am Ende aus dem Vorstand, dass Audi nichts mehr mit Verbrennern zu tun haben wolle. Es wäre alles bezahlt worden und die Audi-Ingenieure hätten das Know-how bekommen.

Wenig später folgte ein weiteres interessantes Angebot für Le Mans...Richtig, von Sam, einem chinesischen Geschäftsmann, dessen Team 2004 mit einem Kunden-Audi bei den 24 Stunden von Le Mans antrat und den zweiten Platz holte. Vergangenes Jahr hat er mich nach Le Mans eingeladen und wir haben uns lange unterhalten. Er wollte einen komplett emissionsfreien Wasserstoff-Verbrennungsmotor, unter anderem für das 24-Stunden-Rennen, mit 800 PS in der Spitze. Im Anschluss hatten wir wöchentliche Video-Konferenzen und ich habe mich in das Thema eingearbeitet. Wasserstoff muss ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis haben mit einem Lambda-Wert jenseits von 2,5, also sehr mager.

Wenn man dann so viel Leistung haben möchte, braucht man viel Hubraum. Wasserstoff verbrennt explosionsartig schnell mit viel kürzeren Brenndauern als beim Benziner oder Diesel. Dadurch wird die Belastung für das Triebwerk sehr hoch. Es braucht also einen sehr stabilen Motor, und so bin ich beim Zweitakter gelandet, mit acht oder zehn Zylindern und 5 Litern Hubraum. Die Kosten zwischen 80 und 120 Millionen wären kein Problem gewesen. Als Entwicklungszeit habe ich mindestens vier Jahre veranschlagt. Sam wollte sich in Le Mans ein Denkmal setzen, allerdings musste er das Projekt aus persönlichen Gründen im November 2021 leider beenden.

Warum würde Ihrer Meinung nach ein Motorsport-Reglement mit einem Wasserstoff-Verbrenner Sinn ergeben?Der Motorsport hat einen riesigen Vorteil: Er ist extrem publikumswirksam. Ich habe Pat Symonds (Formel-1-Technikchef; d. Red.) gesagt, dass es mich enttäuscht hat, dass die Formel 1 nicht ab 2026 ein Reglement mit Wasserstoff statt E-Fuel vorschreibt. Für E-Fuel bräuchte es gar keinen neuen Motor, sondern nur den neuen Kraftstoff, der absolut gleiche Eigenschaften hätte wie fossiles Benzin. Das Beste wäre aber meines Erachtens ein Zweitakt-Motor mit Wasserstoff. Das ist kein primitiver Motor, sondern Hightech. Der zieht auch keine blaue Fahne hinterher. Das Öl muss man klar vom Verbrennungsraum trennen, wie beim klassischen Motor auch. Das ist ein bisschen aufwendiger, aber es ist möglich. Wenn man das geschafft hat und die Wasserstoff-Komponente hinzugibt, hat man die eierlegende Wollmilchsau. Dann hat man einen Motor mit Leistung, der absolut CO2-frei und nahezu Stickoxid-frei sein kann.

Und einen, der ordentlich Sound erzeugt?Die Motorsport-Fans wären wahrscheinlich froh, weil man ihnen eine Möglichkeit anbietet, wie Motorsport CO2-frei, weiterhin laut, attraktiv und kraftvoll sein kann, statt geräuschlos und emotionslos an ihnen vorbeifahrende Formel-E-Autos sehen zu müssen.

Der ACO will ab 2025 eine Klasse für Wasserstoff-Elektro-Prototypen bei den 24 Stunden von Le Mans einführen. Was halten Sie von diesem Projekt?Prinzipiell ist das natürlich eine sehr gute Idee und die passt auch gut zur Philosophie des Rennens in Le Mans, immer wieder neue Technologien einzuführen. Ich saß zwei Jahre lang für Audi in der Arbeitsgruppe zu diesem Projekt mit sechs anderen Herstellern, Reifenlieferanten und Wasserstoff-Tankherstellern. Wir haben versucht, ein Reglement abzubilden, mit dem man ab 2025 in Le Mans mit Wasserstoff-Prototypen fahren kann auf dem Niveau der jetzigen Hypercars.

Wir waren uns einig, dass eine solche Klasse gesamtsiegfähig sein muss, wenn man der Welt die Wasserstoff-Technologie näherbringen möchte. Aus Kostengründen wollte man ein Einheitsfahrzeug, bei dem nur der Elektromotor, die Batterie und die Brennstoffzelle frei entwickelt werden können. Da war ich raus, weil ich einen Verbrennungsmotor und keine Brennstoffzelle wollte. Der ACO hat meine Idee abgelehnt, weil es nicht wie damals mit der Einstufung zwischen Benzinern und Dieselautos laufen sollte. Aber genau das macht Le Mans so interessant: Man gibt ein Ziel vor, und mit welcher Technologie das erreicht wird, ist eigentlich völlig wurscht.

Apropos Diesel: Wie kam es zur Entscheidung bei Audi, 2006 mit einem 5,5 Liter Zwölfzylinder-Dieselmotor bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start zu gehen - und auf Anhieb den Gesamtsieg zu feiern?Es gab schon zu Beginn der 2000er-Jahre Gespräche mit dem ACO über Dieselmotoren in Le Mans. Zuerst wollte ich das vom Tisch fegen, aber die Herren haben nicht lockergelassen. Damals waren TDI-Motoren von Audi sehr beliebt auf der Straße und ließen sich auch sehr sportlich fahren. Audi hatte ja den direkteinspritzenden Dieselmotor mit Turboaufladung als Erster in Serie gebracht. Wenn dann in Le Mans ein anderer Hersteller als Audi zuerst mit einem Diesel erfolgreich gewesen wäre, hätte ich das mein gesamtes restliches Leben lang bereut. Daher habe ich ab 2002 bei allen verantwortlichen Vorständen auf einen Diesel-Motor für das 24-Stunden-Rennen gedrängt. Da hieß es erst, ich solle mich mal vom Arzt untersuchen lassen...

Aber?Das hat mich angestachelt und umso mehr habe ich gepusht. 2003 konnte ich zuerst den damaligen Chef der Aggregat-Entwicklung, Wolfgang Hatz, überzeugen. Das Ganze gipfelte in einem mitternächtlichen Treffen in der VIP-Lounge während des 24-Stunden-Rennens von Le Mans 2004. Martin Winterkorn (damals Vorstandsvorsitzender der Audi AG; d. Red.) wollte, dass ich das Projekt dem 'großen Chef' - Ferdinand Piech - vorstelle. Nach langem Schweigen, er war ja kein Freund vieler Worte, sagte Piech zu mir dann in seinem unnachahmlichen Dialekt: "Dös sollten's machen." Das war die Entscheidung. Mit Piech habe ich immer wieder in Le Mans Gespräche geführt, die bis zu zwei Stunden dauerten. So haben wir die Motoren-Strategien besprochen. Und in einem Punkt waren wir uns immer einig: Audi sollte siegfähig sein und Vorsprung durch Technik demonstrieren!

Waren denn die Kosten bei diesen Projekten kein Thema?Nein. Das Thema hieß: Technik. Piech hat nie gefragt, was etwas kostet. Er hat immer nur die eine Frage gestellt: "Wissen die Leute in der Serie, was Sie da machen?" Es gab immer wieder Ingenieure aus der Serie, die mit Problemen bei Motoren bei Piech vorsprachen. Er sagte dann: "Geht zu den Motorsportlern, die wissen, wie man das macht." Für Piech war der Motorsport die direkte Technologieschmiede für die Serie. Und das war gut so!

War Ferdinand Piech das Auto-Genie, als das er oftmals beschrieben wurde?Ja. Wenn ich je einen Menschen getroffen habe, der den Titel 'Genie' verdient, dann war es Ferdinand Piech. Er war ein Motor-Konstrukteur wie ich, das hatte einfach gepasst. Ich hatte über viele Jahre seinen Rückhalt. Das war einer der Gründe für den Erfolg. Man braucht einen Vorstand, der sich mit dem Thema beschäftigt, dafür brennt, die Bedeutung, Möglichkeiten erkennt und diese unterstützt, auch wenn man mal nicht auf Anhieb siegreich ist.

Hätte Audi heute einen Wasserstoff-Verbrennungsmotor, wenn Ferdinand Piech noch leben würde?Ich vermag nicht in die Glaskugel zu schauen und will nicht 'hätte, wäre, wenn' sagen. Ich weiß und kann nur darauf verweisen, dass er sich solchen innovativen Themen gegenüber immer offen und aufgeschlossen zeigte und stets seine persönlichen Ideen und Gedanken dazu äußerte. Über Eines bin ich mir sicher: Er hätte den Verbrennungsmotor niemals so kampf- und diskussionslos gegenüber der Politik aufgegeben, wie dies in den letzten Jahren der Fall war. Herr Piech hat immer nochmals einen Schritt weiter gedacht... Die reine Elektro-Mobilität hätte er vermutlich schon auch aus Kostengründen als Zwischen-Technologie abgelehnt. Dies den Politikern technisch zu erläutern und sie damit fachlich zu überzeugen, hätte er meiner Meinung nach seinen Technikern in den Vorstands-Gremien wohl mit auf den Weg gegeben. Tatsache war und ist: Das letzte Le-Mans-Projekt, das ich mit ihm besprochen habe, war ein Zweitakt-Diesel.

Ist Audi Ihrer Meinung nach in der Lage, bis 2026 einen Motor für die Formel 1 zu bauen?Der Motor muss konkurrenzfähig sein - von Beginn an, nach einer nur kurzen Test- und Schonzeit. Das ist der grundsätzliche Audi-Anspruch. Es reicht nicht, ihn einfach nur zu bauen. Unter den aktuellen Reglementbedingungen mit Budgetdeckelungen hat man keine Chance, wenn der Motor nicht auf Anhieb top ist. Das sind die schwierigen Rahmenbedingungen. Ich habe mich nicht in weiteren Details zu äußern. Ich war, als die ersten Diskussionen um neue Reglements aufkamen, damals monatelang bei Meetings für das F1-Reglement 2014 dabei und man hatte sich auf einen Vierzylinder geeinigt. Ferrari wollte aber einen Sechszylinder und damit haben sie sich am Ende durchgesetzt. Seit dieser Zeit arbeiten die Wettbewerber an diesem Motor. Das sollte man nicht unterschätzen.

Wie viel kostet es, einen neuen Motor für die Formel 1 zu entwickeln?Pro Ingenieur und Jahr kannst und musst du richtig viel Geld ausgeben. Ich hatte bei Audi zeitweise 95 Mitarbeiter nur für den Motor. Das werden in der Formel 1 sicher nicht weniger sein. Die großen Teams hatten bis vor Kurzem teilweise 700 bis 800 Mitarbeiter, da kann man in der Entwicklungs- und Anlaufphase auf mehrere hundert Millionen Euro kommen. Aber: Natürlich wird vieles über Sponsoren abgefangen und es gibt ja auch die Budgetdeckelung, weil sonst die kleinen Rennställe völlig kaputtgehen würden.

Kann man sagen, dass es sich bei den VW-Plänen für die Formel 1 um ein Milliarden-Projekt handelt?Am Ende des Tages, vermutlich ja, das ist ja kein Geheimnis. Über die Finanzierung und Finanzströme des Vorhabens mit zwei Herstellern und Marken in die Formel 1 zu gehen, kann und möchte ich nichts sagen. Das würde zu weit gehen. Die Themen und Probleme, die solch ein Projekt mit sich bringt, sind allen hinlänglich bekannt. Grundsätzlich kann ich nur darauf verweisen, wie anspruchsvoll solch ein Vorhaben ist und unter welch großem Zeitdruck es abläuft. Bis der Prüfstand mit dem Motor harmoniert, kann viel Zeit vergehen. Mit dem Vierzylinder für die DTM haben wir ein Jahr gekämpft, bis der Prüfstand den Motor akzeptiert hat! Und der V6 ist ein absolutes Mistviech, was Schwingungen angeht.

Sie haben in Ihrer langen Karriere sogar schon Formel-1-Motoren entwickelt, allerdings vor Ihrer Zeit bei Audi... Ich war Teil der BMW-Mannschaft, die 1983 mit Brabham und Nelson Piquet die Formel-1-Weltmeisterschaft gewonnen hat. Der Vierzylinder-Turbomotor hatte damals eine Lebensdauer von einer Renndistanz, also rund 300 Kilometern und im Qualifying von 10 bis 15 Runden. In der damaligen Zeit aber aus 1,5 Litern über 1.000 PS herauszuholen, war schon eine Ansage. Wie stark der Motor genau war, konnten wir nicht messen, weil die Prüfstände bei 1.000 PS in die Knie gegangen sind.

Wie war es damals, in der Formel 1 als Ingenieur zu arbeiten?Damals ging es in der Formel 1 noch ziemlich hemdsärmelig zu. Die F1-Truppe bei BMW bestand nur aus knapp 50 Leuten. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Ich war einer von nur zwei Konstrukteuren am Zeichenbrett und wir haben gleichzeitig auch noch die Teile bestellt. Nach einem Dreivierteljahr hatte ich ein Magengeschwür. Der Arzt sagte, ich müsse mir einen neuen Job suchen oder ich würde sterben. Da habe ich nur gesagt: "Ich muss eine dritte Lösung finden." Ich habe dann für mich persönlich gelernt, mit dem extremen Stress umzugehen. Das war nicht immer leicht.

Der damalige BMW-Motorenchef war der 2016 verstorbene Paul Rosche. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag unter 'Nocken-Paule'?Der war vor ziemlich genau 40 Jahren, am 01. April 1982. An dem Tag hatte Rosche Geburtstag. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir mein Arbeitsplatz gezeigt wurde und ich meine Tasche abgestellt habe - abends um sieben Uhr war ich schon etwas angetrunken, so dass ich mich gleich an meinem ersten Arbeitstag sicherheitshalber vom Taxifahrer nach Hause bringen ließ...

Wie bitte?An Rosches Geburtstag wurde deutlich weniger gearbeitet, sondern mehr gefeiert! Ein weiteres Party-Highlight war der Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft 1983, da haben wir bei BMW drei Tage lang durchgefeiert. Feiern konnten sie ziemlich gut... Der Rosche Paul war dazu gestanden. Der Erfolg war auf unserer Seite!

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