Das wäre ein spektakuläres Comeback bei den 24 Stunden von Le Mans gewesen: Der langjährige Audi-Motorenpapst Ulrich Baretzky hatte nach seinem 2020 angetretenen Ruhestand zwei Angebote auf dem Tisch, Motoren für den französischen Langstrecken-Klassiker zu bauen. Das bestätigte Baretzky, der zwischen 2000 und 2014 13 Mal die legendären 24h Le Mans mit Audi gewann, in einem zehnseitigen Exklusiv-Interview für die aktuelle Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com.

Und ganz in der Tradition der erfolgreichen wie ikonischen Diesel-Motoren von Audi sollte es nicht irgendein Antrieb sein: Baretzky sollte Wasserstoff-Verbrennungsmotoren für die Le-Mans-Autos entwickeln! Für den viermaligen Gewinner der Rennmotor-des-Jahres-Auszeichnung hätte dieses ambitionierte Projekt gepasst. Baretzkys Meinung: Wasserstoff-Verbrennungsmotoren sind die Zukunft des Motorsports. Warum es letztendlich nicht klappte mit den spektakulären Le-Mans-Deals und was auch Audi damit zu tun hatte, erklärt Baretzky in folgendem Interview-Auszug.

Wir haben gehört, dass Sie konkrete Angebote bezüglich eines Le-Mans-Autos mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor auf dem Tisch hatten. Was können Sie uns dazu verraten?
Ulrich Baretzky: Vor ziemlich genau einem Jahr kam ich in Kontakt mit einem Industriellen, selbst Hobby-Rennfahrer, für den ich ein Le-Mans-Auto mit Verbrennungsmotor samt Wasserstoff entwickeln sollte. Ich habe dafür einige Bedingungen gestellt: Als Basis sollte der DTM-Vierzylinder-Motor dienen, den ich zuletzt bei Audi entwickelt hatte. Auch sollte mir Audi Teile meiner alten Mannschaft zur Verfügung stellen, wobei der Kunde alles bezahlt hätte. Nach Gesprächen hieß es am Ende aus dem Vorstand, dass Audi nichts mehr mit Verbrennern zu tun haben wolle. Es wäre alles bezahlt worden und die Audi-Ingenieure hätten das Know-how bekommen.

Wenig später folgte ein weiteres interessantes Angebot für Le Mans...
Ulrich Baretzky: Richtig, von Sam, einem chinesischen Geschäftsmann, dessen Team 2004 mit einem Kunden-Audi bei den 24 Stunden von Le Mans antrat und den zweiten Platz holte. Vergangenes Jahr hat er mich nach Le Mans eingeladen und wir haben uns lange unterhalten. Er wollte einen komplett emissionsfreien Wasserstoff-Verbrennungsmotor, unter anderem für das 24-Stunden-Rennen, mit 800 PS in der Spitze. Im Anschluss hatten wir wöchentliche Video-Konferenzen und ich habe mich in das Thema eingearbeitet. Wasserstoff muss ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis haben mit einem Lambda-Wert jenseits von 2,5, also sehr mager. Wenn man dann so viel Leistung haben möchte, braucht man viel Hubraum. Wasserstoff verbrennt explosionsartig schnell mit viel kürzeren Brenndauern als beim Benziner oder Diesel. Dadurch wird die Belastung für das Triebwerk sehr hoch. Es braucht also einen sehr stabilen Motor, und so bin ich beim Zweitakter gelandet, mit acht oder zehn Zylindern und 5 Litern Hubraum. Die Kosten zwischen 80 und 120 Millionen wären kein Problem gewesen. Als Entwicklungszeit habe ich mindestens vier Jahre veranschlagt. Sam wollte sich in Le Mans ein Denkmal setzen, allerdings musste er das Projekt aus persönlichen Gründen im November 2021 leider beenden.

Foto: Audi Communications Motorsport
Foto: Audi Communications Motorsport

Warum würde Ihrer Meinung nach ein Motorsport-Reglement mit einem Wasserstoff-Verbrenner Sinn ergeben?
Ulrich Baretzky: Der Motorsport hat einen riesigen Vorteil: Er ist extrem publikumswirksam. Ich habe Pat Symonds (Formel-1-Technikchef; d. Red.) gesagt, dass es mich enttäuscht hat, dass die Formel 1 nicht ab 2026 ein Reglement mit Wasserstoff statt E-Fuel vorschreibt. Für E-Fuel bräuchte es gar keinen neuen Motor, sondern nur den neuen Kraftstoff, der absolut gleiche Eigenschaften hätte wie fossiles Benzin. Das Beste wäre aber meines Erachtens ein Zweitakt-Motor mit Wasserstoff. Das ist kein primitiver Motor, sondern Hightech. Der zieht auch keine blaue Fahne hinterher. Das Öl muss man klar vom Verbrennungsraum trennen, wie beim klassischen Motor auch. Das ist ein bisschen aufwendiger, aber es ist möglich. Wenn man das geschafft hat und die Wasserstoff-Komponente hinzugibt, hat man die eierlegende Wollmilchsau. Dann hat man einen Motor mit Leistung, der absolut CO2-frei und nahezu Stickoxid-frei sein kann.

Und einen, der ordentlich Sound erzeugt?
Ulrich Baretzky: Die Motorsport-Fans wären wahrscheinlich froh, weil man ihnen eine Möglichkeit anbietet, wie Motorsport CO2-frei, weiterhin laut, attraktiv und kraftvoll sein kann, statt geräuschlos und emotionslos an ihnen vorbeifahrende Formel-E-Autos sehen zu müssen.

Was sind die größten Hürden bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Verbrennungsmotors?
Ulrich Baretzky: Man muss investieren und Dinge tun, die vorher noch niemand gemacht hat. Das habe ich im Rennsport ja öfter gemacht. Wie oft musste ich mir anhören, dass Dieses oder Jenes nicht funktioniert. Als wir damals unseren Zulieferern erklärten, mit einem Diesel-Motor Le Mans gewinnen zu wollen, haben die alle abgewunken, erklärten uns, das sei eigentlich nicht machbar. Und dann ging es doch!

Foto: Audi Communications Motorsport
Foto: Audi Communications Motorsport

Der ACO will ab 2025 eine Klasse für Wasserstoff-Elektro-Prototypen bei den 24 Stunden von Le Mans einführen. Was halten Sie von diesem Projekt?
Ulrich Baretzky: Prinzipiell ist das natürlich eine sehr gute Idee und die passt auch gut zur Philosophie des Rennens in Le Mans, immer wieder neue Technologien einzuführen. Ich saß zwei Jahre lang für Audi in der Arbeitsgruppe zu diesem Projekt mit sechs anderen Herstellern, Reifenlieferanten und Wasserstoff-Tankherstellern. Wir haben versucht, ein Reglement abzubilden, mit dem man ab 2025 in Le Mans mit Wasserstoff-Prototypen fahren kann auf dem Niveau der jetzigen Hypercars. Wir waren uns einig, dass eine solche Klasse gesamtsiegfähig sein muss, wenn man der Welt die Wasserstoff-Technologie näherbringen möchte. Aus Kostengründen wollte man ein Einheitsfahrzeug, bei dem nur der Elektromotor, die Batterie und die Brennstoffzelle frei entwickelt werden können. Da war ich raus, weil ich einen Verbrennungsmotor und keine Brennstoffzelle wollte. Der ACO hat meine Idee abgelehnt, weil es nicht wie damals mit der Einstufung zwischen Benzinern und Dieselautos laufen sollte. Aber genau das macht Le Mans so interessant: Man gibt ein Ziel vor, und mit welcher Technologie das erreicht wird, ist eigentlich völlig wurscht.

Wasserstoff-Rennautos sollen künftig in Le Mans starten, Foto: ACO
Wasserstoff-Rennautos sollen künftig in Le Mans starten, Foto: ACO

Wasserstoff-Auto bei 24h Le Mans - Verschiebung um ein Jahr?

Das angesprochene Wasserstoff-Projekt des Le-Mans-Veranstalters ACO ist an diesem Wochenende am Rande der 90. Auflage der 24h Le Mans auf der Strecke unterwegs. Der sogenannte LMPH2G, entwickelt von MissionH24 und basierend auf einer Brennstoffzelle, startet in der Rahmenrennserie Road to Le Mans (LMP3 und GT3) außerhalb der Konkurrenz. Am Samstag vor dem Rennstart (16:00 Uhr) dreht der Prototyp zudem eine Ehrenrunde auf dem 13,626 Kilometer langen Circuit de la Sarthe.

Ursprünglich war vorgesehen, die Wasserstoff-Autos ab 2024 in einer eigenen Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start gehen zu lassen. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com könnte das Projekt allerdings um ein Jahr auf 2025 verschoben werden. In den aktuellen Diskussionen soll auch ein Verbrennungsmotor anstelle einer Brennstoffzelle wieder eine Rolle spielen...

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