Ferrari hat im Vorfeld der 24 Stunden von Le Mans wie erwartet einen Vorgeschmack auf sein brandneues Hypercar geliefert. Der italienische Autobauer kehrt 2023 mit einem LMH-Prototypen erstmals seit 1973 zurück in die Top-Klasse des Langstrecken-Klassikers, der an diesem Wochenende zum 90. Mal ausgetragen wird.

Vorgeschmack, das ist schon fast zu viel des Guten exakt 49 Jahre nach dem letzten Auftritt in Le Mans: Details zum Hypercar liefert Ferrari in seiner Pressemitteilung am Freitag überhaupt nicht. Und auch die Aussagekraft des mitgeschickten Teaser-Fotos hält sich arg in Grenzen. Mehr als zwei schmal geschnittene Scheinwerfer und das Ferrari-Wappen auf dem roten Lack sind nicht zu erkennen.

Ferrari: Hypercar-Tests in nächsten Wochen

Einzige halbwegs interessante Info aus Maranello: Die ersten Entwicklungstests mit dem Ferrari-Hypercar sollen in den kommenden Wochen beginnen. Keine Überraschung und ohnehin drängt die Zeit, wenn die Scuderia den Aufschlag für 2023 plant. In der WEC und in Le Mans trifft Ferrari dann auf Toyota und Glickenhaus sowie Rückkehrer Peugeot und möglicherweise ByKolles. Die Franzosen bestreiten ihr erstes Rennen mit dem Heckflügel-losen Hypercar in Monza, dem nächsten WEC-Lauf nach Le Mans.

In der Ferrari-Mitteilung heißt es kryptisch formuliert: "Das Auto, das in den kommenden Wochen mit ersten Entwicklungstests beginnen wird, weist starke Designreferenzen zu den stilistischen Merkmalen auf, die die Modelle der Cavallino Rampante-Reihe auszeichnen."

Höchste Geheimhaltung bei Ferrari

Bei Ferrari herrscht seit Monaten höchste Geheimhaltungsstufe rund um das Hypercar-Projekt. Bislang ist nichts aus dem Entwicklungsbereich an die Öffentlichkeit gedrungen, was Rückschlüsse auf den Motor oder die Optik zulassen würde. Der bei Alfa-Sauber rausgeworfene und in der Formel E untergekommene Antonio Giovinazzi testet das Auto bereits im Simulator. Über die Fahrerwahl ist noch nichts bekannt. Die Einsätze führt das Top-Team AF Corse durch.

Ferrari hatte sein Comeback in der Top-Klasse der 24h Le Mans bereits im Februar 2021 angekündigt. Seitdem wurde es auffallend ruhig um das zweite Prestige-Projekt der Italiener neben dem Formel-1-Engagement. Obendrein bringt Ferrari für 2023 ein neues GT3-Modell auf Basis des 296 GTB-Straßenwagens auf die Strecke.

Ferrari ist mit neun Gesamtsiegen der dritterfolgreichste Hersteller beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nur Porsche (19) und Audi (13) haben mehr Siege auf dem Konto. Porsche kehrt 2023 mit einem LMDh-Auto zurück in die höchste Klasse des Endurance-Sports, bei Audis geplantem Comeback gibt es riesengroße Fragezeichen. Im Fahrerlager heißt es, das Projekt sei angesichts des möglichen F1-Einstieges tot.

Wenn Ferrari im Jahr 2023 in die Top-Klasse der 24h Le Mans zurückkehrt, steht ein besonderes Jubiläum an: Das Rennen wird zum 100. Mal in seiner Geschichte ausgetragen. Ferraris letzter Sieg in Le Mans liegt eine ganze Weile zurück. Zuletzt gewannen die Italiener den Klassiker im Jahr 1965 in Folge einer ab 1960 beginnenden Siegesserie.

Cadillac zeigt seinen V8-Dampfhammer

Andere Autobauer waren in den vergangenen Tagen und Wochen wesentlich auskunftsfreudiger mit Blick auf ihre Hypercars respektive LMDh-Autos (Le Mans Daytona hybrid), die theoretisch bei den wichtigsten Langstrecken-Rennen der Welt um Gesamtsiege kämpfen sollen. So hat Cadillac am Donnerstag einige Bilder und technische Infos zu seinem LMDh veröffentlicht. Das Auto soll 2023 sowohl in Le Mans (WEC) als auch bei den 24 Stunden von Daytona (IMSA) an den Start gehen.

Das LMDh-Projekt des US-amerikanischen Herstellers geizt ganz traditionsbewusst nicht mit Hubraum. Unter der Haube soll ein komplett neuentwickelter 5,5-Liter-V8-Motor sein Unwesen treiben. Hinzu kommt das einheitliche Hybridsystem von Bosch, das für eine Systemleistung von maximal 500 kW (680 PS) sorgt. Bei den Hypercars steht die Wahl des Antriebes - Hybrid oder reiner Verbrenner sind erlaubt - hingegen komplett frei. Nur die maximale Leistung von 680 PS darf analog zur LMDh-Klasse nach vielen Diskussionen nicht überschritten werden.

BMW sorgt für Optik-Paukenschlag

Am Montag dieser Woche hatte bereits BMW für einen optischen Paukenschlag gesorgt und Bilder seines LMDh-Autos veröffentlicht. Der Bolide hört auf den Namen 'BMW M Hybrid V8' und gibt sein Renndebüt bei den 24 Stunden von Daytona im Januar kommenden Jahres. Bei den 24 Stunden von Le Mans bzw. in der WEC will der Autobauer aus München zumindest 2023 nicht an den Start gehen.

Unter der Haube schlummert ein V8-Motor aus eigenem Hause. BMW hielt sich in seiner Pressemitteilung vornehm mit technischen Details zurück, doch tatsächlich handelt es sich um ein stark überarbeitetes Aggregat aus vergangenen DTM-Zeiten. Konkret dient als Basis ein Vierliter-V8-Saugmotor aus der DTM-Ära von 2012 (BMW-DTM-Rückkehr) bis Ende 2018 (V8 durch Turbo abgelöst).

Acura präsentiert LMDh-Auto

Wenige Tage zuvor hatte Acura die ersten Fotos seines LMDh-Rennwagens veröffentlicht. Der US-Ableger von Honda engagagiert sich 2023 zunächst in der sportlichen Heimat namens IMSA mit den 24h Daytona als Saisonauftakt und gleichzeitigem Highlight im Rennkalender. Das Chassis des Acura kommt wie aktuell beim DPi-Vorgänger von Oreca und soll über eine "Acura-spezifische Karosserie, Aerodynamik sowie Verbrenner-Aggregat" verfügen. Eine ähnliche Verklausulierung wie bei Ferrari, aber wenigstens mit konkreten Fotos.

Peugeot: Fahrer-Paarung für WEC-Debüt fix

Ende Mai hatte bereits der künftige Ferrari-Konkurrent Peugeot die Katze aus dem Sack gelassen und sein 9X8-Hypercar erstmals in der final homologierten Variante präsentiert. Beim Verbrennungsmotor haben sich die Peugeot-Ingenieure für einen 2,6-Liter-Biturbo V6 mit der reglementierten Maximalleistung von 680 PS (500 kW) entschieden. Als Unterstützung dient eine 200-kW-Motor-Generator-Einheit, ebenso eigens entwickelt wie die 900-Volt-Batterie von SAFT, einer Tochtergesellschaft von Total.

Wo bei Ferrari noch Funkstille herrscht, ist Peugeot schon deutlich weiter: Die Werksfahrer stehen seit einer ganzen Weile fest, seit wenigen Tagen auch die konkreten Team-Aufgebote für das Renndebüt bei den 6 Stunden von Monza. Das #93 Auto teilen sich Paul Di Resta, Mikkel Jensen und Jean-Eric Vergne. Im Schwesterauto mit der Startnummer #94 wechseln sich Loic Duval, Gustavo Menezes und James Rossiter ab. Der Brite, eigentlich als Testfahrer verpflichtet, folgt auf den in die Formel 1 zurückgekehrten Kevin Magnussen.

Lamborghini bestätigt LMDh-Entwicklung

In die Phase der Hypercar- und LMDh-Ankündigungen preschte am 17. Mai 2022 Lamborghini rein. Der Sportwagenbauer aus Italien kündigte seinen lange vermuteten Einstieg zur Saison 2024 an und plant, sowohl in der WEC als auch in der US-amerikanischen IMSA-Serie anzutreten.

Mit Lamborghini engagiert sich neben Porsche - und einstmals Audi - ein weiterer Hersteller aus dem VW-Konzern in der LMDh. Gerüchten zufolge wollen die Italiener einen eigenen Motor zusätzlich zum einheitlichen Hybridsystem von Bosch entwickeln. Als Chassis-Partner wurde inzwischen Ligier bestätigt.