Innerhalb weniger Tage hat sich die Fahrersituation beim Formel-1-Team von Alpine zu einem Chaos entwickelt. Glaubte das Team am letzten Wochenende noch an ein 2023 mit Esteban Ocon und Fernando Alonso, so sprang am Montag erst Alonso zu Aston Martin ab, und am Dienstag verweigerte Nachwuchshoffnung Oscar Piastri die Beförderung.

Alpine versicherte zwar, dass man glaube, dass Piastris Vertrag für 2023 Gültigkeit habe. Doch die Beförderung ohne Rücksprache mit Piastri und dessen kurzes Statement - "Ich werde nächstes Jahr nicht für Alpine fahren" - legt nahe, dass das Tischtuch zerschnitten ist. Nun stellt sich die Frage, wer denn Alpines Alternativen auf dem Fahrermarkt sind.

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Daniel Ricciardo: Fast logisch erscheint ein Comeback von Noch-McLaren-Pilot Daniel Ricciardo, der schon 2019 und 2020 bei Alpine (damals noch Renault) fuhr. Erst recht, wenn Piastri wirklich zu McLaren will. Ein direkter Tausch könnte es beiden Teams vertraglich einfacher machen. Ricciardo unterstrich zwar erst vor kurzem, dass er die Absicht habe, seinen bis Ende 2023 gültigen McLaren-Vertrag zu erfüllen. Doch das war, bevor die Silly Season am Montag richtig Fahrt aufnahm.

Tatsächlich berichteten die französischen Kollegen von 'AutoHebdo' schon am Montagabend, dass Ricciardo als möglicher Nachfolger von Alonso gehandelt wurde. Bevor die Situation am Dienstag eskalierte. Für Ricciardo wäre es eigentlich ein guter Deal. Nach eineinhalb Jahren scheint sich die Situation bei McLaren festgefahren zu haben, nach wie vor sieht er neben Lando Norris fahrerisch blass aus. McLarens Umwerben diverser Nachwuchs- und IndyCar-Fahrer legt nahe, dass man sich bereits mit einer Trennung spätestens nach 2023 abgefunden hat.

Bei Alpine fuhr Ricciardo 2019 und 2020 wiederum einige seiner besten Rennen. Das Rennteam schätzte ihn als Top-Piloten ein. Womöglich bringt ein Comeback in ein System, in dem er bereits verbriefte Erfolge feierte, Ricciardos stockende Karriere wieder in Gang.

Piastri lehnt F1-Cockpit ab! Keine Lust mehr auf Alpine? (10:52 Min.)

Was sind die Hürden? Exit-Klauseln von Ricciardo wurden immer wieder kolportiert, nie aber offiziell bestätigt. Außerdem darf nicht vergessen werden: Ricciardo schlug 2020 ein gemeinsames Weitermachen mit Alpine aus. Ex-Teamchef Cyril Abiteboul reagierte einst gekränkt, doch er ist längst nicht mehr am Ruder. CEO Laurent Rossi und Teamchef Otmar Szafnauer sind die neuen Machthaber. Unter allen gegebenen Umständen muss Ricciardo als wahrscheinlichster Kandidat gelten.

Nico Hülkenberg: Wie immer ist Hülkenbergs Name einer, der bei offenen Formel-1-Plätzen wieder auftaucht. Nach seiner Trennung von Renault am Ende der Saison 2019 saß der Deutsche in keinem Vollzeit-F1-Cockpit mehr und ist momentan Test- und Ersatzfahrer bei Aston Martin. Wie Ricciardo kann auch er auf Vergangenheit mit Alpine-Renault zurückblicken, er fuhr dort von 2017 bis 2019.

In dieser Zeit schlug er Jolyon Palmer und den heutigen Ferrari-Piloten Carlos Sainz im internen Duell, ehe er Ricciardo unterlag und dann gegen Esteban Ocon ausgetauscht wurde. Wie Ricciardo hätte eine Hülkenberg-Verpflichtung den Vorteil, dass er eine für das Team bekannte Größe ist. Auch für Teamchef Otmar Szafnauer. Der holte ihn als Testfahrer zurück zu Aston Martin, nachdem die beiden davor lange beim Vorgänger-Team Force India zusammengearbeitet hatten.

Hülkenberg käme wohl ohne große Vertragssorgen: Momentan fährt er gelegentlich Test- und Simulatorsessions für Aston Martin und ist Experte für ServusTV. Die Frage ist, ob beide Seiten wirklich interessiert sind. Hülkenberg ist seit einem Jahr Vater. Und ob Alpine den jahrelangen Mittelfeld-Piloten wirklich noch einmal will? Es klingt eher nach der letzten Option.

Ein Alpine-Academy-Pilot: Zumindest intern sind die Alpine-Optionen dünn. Piastri war der Star des Nachwuchs-Programms und ganz klar der Fahrer, der für die Formel 1 vorbereitet wurde. Zwei weitere Kaderpiloten sind momentan in der Formel 2 aktiv, doch beide sind sehr unwahrscheinliche F1-Optionen.

Olli Caldwell, beim F2-Nachzügler Campos unterwegs, spielt für die Konversation keine Rolle. Er liegt auf dem 19. Rang, und ihm fehlt auch die Superlizenz. Jack Doohan, Sohn von Motorrad-Legende Mick Doohan, sitzt mit 88 Punkten und zwei Siegen immerhin auf dem neunten Platz der Gesamtwertung. Er, der ehemals im Red-Bull-Kader war, blieb bislang einen großen fahrerischen Durchbruch schuldig, auch wenn er gelegentlich starke Rennen zeigt. Vielleicht wird er eine Option für die Zukunft, doch für 2023 sieht er nicht bereit aus.

Guanyu Zhou oder Theo Pourchaire: Keiner der beiden Namen wurde zwar bislang im Zusammenhang mit einem Alpine-Cockpit gebracht, aber zumindest als Optionen sind sie es wert, erwähnt zu werden. Zhou, weil er ehemaliger Alpine-Junior ist. Zwar unterlag er Piastri in der Formel 2, sieht aber im Alfa-Romeo-Cockpit 2022 bislang verlässlich aus.

Pourchaire wiederum ist in seiner zweiten F2-Saison, auf dem zweiten Platz der Gesamtwertung, zeigt oft Potential, und ist erst 18 Jahre alt. Bei beiden Fahrern gäbe es aber ein Problem: Sie sind bei Alfa-Sauber angestellt. Pourchaire als Junior, und Zhou wurde 2021 aus seinem Alpine-Vertrag gelöst. Bei beiden ist es daher unwahrscheinlich, dass sie überhaupt im engeren Kandidatenkreis vertreten sind.

Colton Herta: Bei der Suche nach jungen Fahrern taucht noch ein IndyCar-Name, nämlich Colton Herta, auf. Herta testete erst vor kurzem für McLaren ein Vorjahres-Auto, startet aber in den USA für das Team von Michael Andretti. Der pflegt in den letzten Monaten beste Beziehungen mit Alpine, denn er arbeitet an einem F1-Einstieg. Und Alpine-Renault wäre bereit, als Motorenpartner an Bord zu kommen.

Ist also ein kurz- oder mittelfristiger Austausch-Deal denkbar? Als Vorbereitung für Herta, für politische Gegenleistungen, oder ähnliches? Alles klingt unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, da Herta nur dann eine F1-Superlizenz erhalten kann, wenn er Dritter in der IndyCar-Meisterschaft wird. Momentan ist er Zehnter. Und ob Andrettis F1-Pläne je Realität werden, steht nach wie vor in den Sternen.

... oder doch Oscar Piastri: Bleibt nur noch festzuhalten, dass Oscar Piastris Abgang eigentlich nicht fix ist. Alpine stellte am Dienstagabend klar, dass man sich vertraglich im Recht sieht. Die genaue Vertragssituation um eventuell gezogene oder nicht erfüllte Optionen beider Seiten ist unklar. Im Zweifel gibt es das sogenannte "Contract Recognition Board" der FIA. Ein eigens für die Klärung von F1-Vertragsstreitereien geschaffener Rechtskörper, der mittels unabhängiger Rechtsexperten Verträge beurteilt.

Sollte Alpine Recht bekommen, stellt sich trotzdem die Frage, ob die Konfliktparteien sich wieder zusammenraufen können. Oder ob die Beziehung so nachhaltig beschädigt ist, dass sie sich trotzdem am Ende auf eine Trennung einigen.