Das Schmuck- und Unterwäsche-Chaos in Australien war erst der Anfang: Dabei sollte das Stewarding nach den Vorfällen beim Saisonfinale in Abu Dhabi besser werden. Das ist nach jetzigem Stand nicht unbedingt der Fall. Haben zwei Rennleiter das Problem verdoppelt? Viele Fahrer, darunter George Russell äußerten Kritik an den Entscheidungen der Rennleitung und würden sich permanente Stewards wünschen.

Österreichischer Gipfel des FIA vs. Fahrer-Streits

Höhepunkt der bisherigen Eskalation war das Fahrerbriefing in Österreich, als Sebastian Vettel wutentbrannt vorzeitig nach draußen stürmte und dafür eine Geldstrafe von 25.000 Euro auf Bewährung bekam. Thema des Meetings: Mehr Konsistenz bei Regelauslegung und Verteilung von Strafen. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit von zwei Rennleitern wurde nachgegangen. Seit Michael Masis Abgang teilen sich Eduardo Freitas und Niels Wittich diese Aufgabe.

Eduardo Freitas und Niels Wittich ersetzten 2022 Michael Masi, Foto: LAT Images
Eduardo Freitas und Niels Wittich ersetzten 2022 Michael Masi, Foto: LAT Images

Vor allem Niels Wittich war nach seinem harten Durchgreifen bei Tracklimit-Verstößen heftig kritisiert worden. Nach einem Brief der GPDA trafen sich die Beteiligten nochmals zum Dialog. "Wir wollten uns die Vorfälle nochmal gemeinsam anschauen", erzählt George Russell. "Damit wir alle auf dem gleichen Standpunkt sind." Einen Kompromiss zu finden gestalte sich schwierig. Zu unterschiedlich seien die Ansichten der Stewards und der Formel-1-Piloten. Aber: "Alle wollen Konstanz bei den Entscheidungen!", berichtet der Mercedes-Pilot. Nachsatz: "Es liegt noch viel Arbeit vor uns."

Russells Probleme mit dem Rotationsprinzip

Der Rennleiter macht die Regeln, die Stewards die Entscheidungen. Problem dabei: Durch das Rotationsprinzip der Stewards (und der Rennleiter) fehlen den Fahrern oft die Erklärung zur getroffenen Entscheidung. "Wir kommen zum nächsten Rennwochenende und haben eine andere Besetzung als beim vorherigen Event. Es gibt weder Verantwortlichkeiten noch Informationen zu den Entscheidungen", meint George Russell. Einfache Antworten auf auftauchende Fragen zu bekommen, gestalte sich in der jetzigen Form schwierig.

George Russell und dem FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem haben noch viel zu tun., Foto: LAT Images
George Russell und dem FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem haben noch viel zu tun., Foto: LAT Images

Permanente Rennstewards würden das Problem lösen. "Ich weiß nicht, ob das logistisch möglich ist, aber jeder im Fahrerlager wäre dafür!", so George Russell. "Bei Vorfällen hätte jeder eine andere Sichtweise. Wenn zumindest ein Steward immer die gleiche wäre, gäbe es immerhin nur die unterschiedlichen Ansichten einer einzelnen Person." Das würde allen das Leben erleichtern. "Dann hätten die Fahrer die Chance, den Gedankengang hinter den Entscheidungen zu verstehen", erklärt der Mercedes-Pilot.

Russell fordert klare Regeln, aber will Ausnahmen

George Russell war dank seiner Kollision mit Sergio Perez in Spielberg mittendrin statt nur dabei. "Im Nachhinein war ich im Unrecht. Sie haben eigentlich genau die Regeln befolgt", konnte Russell den Vorfall eine Woche später in Frankreich schon etwas objektiver analysieren. In Spielberg war er felsenfest von einer absoluten Fehlentscheidung seitens der FIA überzeugt. Ganz einverstanden mit seiner 5-Sekunden-Strafe ist er auch in Le Castellet (noch) nicht: "Manchmal ist es besser, sich jeden Fall einzeln anzusehen!"

Es sei wie bei einem Tackle im American Football: "Du kannst nicht einfach sagen: So musst du tackeln und so nicht!" Sich nur stur auf die Regeln zu fokussieren ist nicht nach Russells Sinn. "Jeder ist ein bisschen anders!" Als Vorsitzender der Formel-1-Fahrervereinigung GPDA sieht er sich in der Verantwortung. "Bis jetzt gibt es keinen Hinweis auf permanente Stewards. Aber wir müssen weiter zusammenarbeiten und einen Kompromiss finden!" Schon deswegen, damit nicht jedes Rennwochenende erneut darüber diskutiert werden muss.