Was für Max Verstappen und Red Bull in Kanada am Samstag im Regen noch eine Machtdemonstration ohne Gegner gewesen war, wurde im trockenen Rennen am Sonntag zu einer echten Zitterpartie. Carlos Sainz und Ferrari kämpften mit allen Mitteln um den Sieg, belehrten ihre Zweifler eines besseren und jagten Verstappen mit besserer Rennpace bis ins Ziel.
Der erste Sieg ging sich für Sainz trotzdem wieder nicht aus. Denn Verstappen zeigte in Kanada seine Klasse, um Red Bulls Zweistopp-Strategie gegen die schnellere Konkurrenz durchzubringen. Ein spätes Safety Car und ein später zweiter Sainz-Stopp kamen ihm zu Hilfe - doch selbst ohne dem war er auf Kurs zum Sieg. Die Motorsport-Magazin.com-Analyse schlüsselt auf.
Ferrari in Kanada bestes Auto in schlechter Position
Sainz' Rennen unterstreicht, dass Ferrari in Kanada im trockenen Rennen das beste Auto hatte. Vom Start weg konnte sich Verstappen nicht absetzen, und im Schluss-Sprint konnte Sainz immer im DRS-Fenster des Red Bull bleiben, musste nie abreißen lassen. Zum Problem wurde für ihn aber schon ein schwacher Samstag.
"In einem so engen Fight mit Max musst du das ganze Wochenende perfekt sein, und das Qualifying von Carlos war gestern vielleicht nicht perfekt", muss Ferrari-Teamchef Mattia Binotto einräumen. Sainz hatte dort nicht nur gegen Verstappen verloren, sondern mit einer übermütigen letzten Kurve auch noch den zweiten Startplatz an Fernando Alonso verschenkt. Am Start musste er den erst überholen, was Verstappen für den ersten Stint einen kleinen Puffer gab.
Dieser begann jedoch schnell zu schrumpfen, als der Red Bull Graining-Probleme auf dem Startreifen bekam. Die durch den Regen vom Vortag deutlich weniger Gummiabrieb bietende Strecke löste gemeinsam mit kühlen Temperaturen machte Probleme. Als in Runde neun Sergio Perez ausrollte und ein Virtuelles Safety Car auslöste, reagierte Red Bull deshalb mit dem ersten Boxenstopp. "An dem Punkt legst du dich fest, dass eine Zweistopp dein schnellstes Rennen ist", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Ferrari hielt hingegen an der vor dem Rennen als ideal berechneten Einstopp-Strategie fest. Sainz kam in Führung, und beinahe wurde ihm in Runde 20 dank eines zweiten Virtuellen Safety Cars ebenfalls ein Gratisstopp geschenkt. So kam er nur 9,4 Sekunden hinter Verstappen auf frischeren Reifen wieder auf die Strecke.
Sainz im Verstappen-Duell nicht schnell genug
Danach nahm Sainz klar Kurs auf die Einstopp. Konstant fuhr er Zeiten knapp zwischen 1:17,3 und 1:17,5, und holte auf Verstappen über 20 Runden nur drei Sekunden auf. Ferrari rechnete damit, dass Verstappens Zweistopp abzuwehren wäre, wenn Sainz bis zum Schluss in diesem Zeitenkorridor bleiben konnte. Aber der Spanier hatte ab Runde 41 einen kleinen Durchhänger. Red Bull entschloss sich prompt zum zweiten Stopp.
Verstappen kam 10,8 Sekunden hinter Sainz zurück ins Rennen. "Das Kritische war dann, innerhalb des VSC-Fensters zu kommen, sonst hätte Carlos einen Gratis-Stopp", meint Horner nach dem Rennen. Bei einem VSC-Stopp verliert man in Kanada knappe 10 Sekunden. Beinahe wäre es für Verstappen schiefgegangen. Er kam direkt hinter Lewis Hamilton zurück auf die Strecke, musste eine Runde hinter dem Mercedes fahren.
Mit dem Safety Car hatte Verstappen dann gerade noch Glück. Es kam, aber fünf Runden nach dem Stopp. Da hatte er die Lücke schon auf 7,7 Sekunden verkürzt. Sainz musste durch das Safety Car stoppen und sich frische Reifen holen. Sonst wäre er auf alten Reifen leichte Beute geworden. Stattdessen hatte beim Neustart nun Verstappen die Führung und einen Reifen-Nachteil von sechs Runden.
Für Sainz reichte das nicht, um eine Attacke zu setzen: "Zwei oder drei Zehntel Vorteil reichen nicht, um einen Red Bull zu überholen. Du brauchst eher fünf oder sechs." Als am Schluss beide voll pushten, hängte ihn Verstappen außerdem in den engen Kurven ab. Im ersten Sektor und raus aus der Haarnadel vor der langen Geraden war er jede Runde schneller, und sicherte sich so gegen den die Kerbs im Mittelsektor gut mitnehmenden Ferrari ab.
Ferrari-Einstopp gegen Verstappen & Mercedes zu riskant?
Dank des im Qualifying erarbeiteten und im Rennen abgesicherten Vorteil hatte Verstappen daher den Sieg immer im Griff. Nur wenn das Safety Car nicht gekommen wäre, hätte es noch knapp werden können. "Ich denke, es wäre am Ende ein gutes Duell geworden", glaubt Sainz, der bereit war, die Einstopp durchzuziehen. "Meine Pace war gut, ich bin noch immer 1:17,3 gefahren. Und ich hätte es bis ins Ziel geschafft." Nach dem vorhin erwähnten Durchhänger hatte er sich kurz vor dem Safety Car wieder gefangen und sich der Zielzeit angenähert.
Mattia Binotto ist sich da nicht so sicher. Besonders, weil Sainz gegen den neu bereiften Verstappen zu dem Zeitpunkt massiv zu verlieren begann. Nicht nur das: Auch Lewis Hamilton war dahinter zum zweiten Stopp gekommen, und sogar der schnellste Fahrer auf der Strecke. In drei Runden verkürzte er seinen Rückstand auf Sainz von 30 auf 27 Sekunden.
Das alarmierte die Ferrari-Strategen. "Es wäre nach hinten raus sehr eng geworden", glaubt Binotto. "Wir haben auch überlegt, ob wir auf der Strecke bleiben sollen, oder ob wir stoppen sollen, um uns gegen Lewis nach hinten abzusichern." Red Bull zweifelt, dass Ferraris Einstopp funktioniert hätte. "Alle unsere Zahlen zeigen, dass Max ihn eingeholt und ihn zehn Runden vor Schluss überholt hätte", glaubt Christian Horner. "Aber du weißt nie."
diese Formel 1 Analyse