Für Lewis Hamilton war es eine ungewohnt lange Wartezeit, ehe der Rekord-Weltmeister in Kanada mit Platz drei zum zweiten Mal in der Formel-1-Saison 2022 aufs Podium klettern durfte. Seit Bahrain hatte die Dürre beim Mercedes-Piloten angedauert, nur Kollege George Russell hatte die Ergebnisse abgestaubt.

Das Kanada-Wochenende über fuhr Hamilton makellos. Nachdem Setup-Experimente am Freitag noch schlecht verlaufen waren, hatte Mercedes das Auto groß umgebaut, was zugleich aber bedeutete, dass Hamilton keine brauchbare Erfahrung mit dem Auto im Trockenen hatte. Dennoch war er im Rennen vom Start weg dabei, hatte endlich auch einmal kein Pech mit Unterbrechungen, und überraschte spät noch mit einer Pace, die fast auf dem Niveau der Sieger war.

Nach dem zweiten Boxenstopp konnten Hamilton und Russell, auf den Plätzen drei und vier liegend, mehrere Runden lang nämlich ähnliche Zeiten fahren wie vor ihnen Max Verstappen und Carlos Sainz, die um den Sieg kämpften. Und nach dem Safety Car kurz vor Rennende konnte Hamilton mehrere Runden lang zumindest den Anschluss an die beiden halten, wenn auch nicht mitkämpfen. Letztendlich fuhren er und Russell hintereinander auf den Plätzen drei und vier ins Ziel.

Starke Mercedes-Pace im Kanada-Finish nur Ausreißer?

"Für eine Sekunde hielt ich am Ende mit, dann sind sie mir davongezogen", resümiert Hamilton, was ihn direkt nach dem Rennen trotzdem positiv stimmt: "Das gibt mir und dem Team Hoffnung, dass von diesem Auto noch was kommen kann. Dass das Potential da ist, wenn wir das Setup hinbekommen."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff mahnt allerdings zur Vorsicht. Er hat die falschen Hoffnungen nach dem ebenfalls starken Rennen von Spanien nicht vergessen. Und auch nicht, dass Hamilton vor dem späten Safety Car schon fast 20 Sekunden Rückstand aufgerissen hatte, und dass er im Start-Stint höchstens auf Augenhöhe mit dem Alpine von Fernando Alonso fahren konnte. Erst spät, bei leereren Tanks und mit mehr Gummi auf der Strecke, schien der Mercedes auf dem Hard-Reifen ernsthaft in Gang zu kommen.

"Es stimmt mich jetzt nicht großartig positiv, dass ich sagen würde, wir sind auf dem Weg raus", meint Wolff. "Man darf sich jetzt nicht in die Irre leiten lassen und die Erwartungshaltungen völlig verändern. Wir waren auch am Freitag nicht konkurrenzfähig, gestern im Wasser besser, heute wieder besser, aber sind nicht da, wo wir sein wollen."

Hamilton findet in Kanada Weg aus Setup-Problemen

"Das Setup-Fenster mit diesem Auto ist viel kleiner als bei jedem anderen Auto, das wir erlebt haben", ergänzt Hamilton. Am Freitag hatte er durch das Setup-Experiment ein am Heck extrem instabiles Auto bekommen. "Heute war die Balance viel besser, ein gutes Untersteuer-Gefühl, bessere Traktion, keine dieser Snaps."

"Es lief mehr auf das hinaus, was wir erwartet haben", lobt Hamilton auch die Arbeit seines Teams. Ebenfalls kein Problem war in Kanada der Fahrkomfort des Autos, keine Rückenschmerzen für die Fahrer. Zusammen mit einem guten Samstag lassen sich beide Mercedes-Piloten daher zumindest verhaltenen Optimismus nicht nehmen.

"Das eigentliche Pace-Defizit ist aber noch immer substantiell", schließt George Russell. "Selbst wenn es auf dem Papier nach einer kleinen Verbesserung aussieht, sind wir noch immer weit von unserem Ziel weg."