Bereits vor dem Start des neunten Rennens der Formel-1-Saison in Montreal war klar: Unter normalen Bedingungen würde Charles Leclerc keine Chance haben, ein Wörtchen um den Sieg mitzureden. Mit dem Start aus der letzten Reihe war die Hypothek zu groß, um Max Verstappen noch ernsthaft zu gefährden.

Doch mit einem Top-4-Resultat konnte man angesichts der Pace von Ferrari an diesem Wochenende und im Verlauf des bisherigen Jahres dennoch liebäugeln - vor allem nach dem Ausfall von Sergio Perez in Runde 9. Dass daraus nichts wurde, lag an mehreren Ursachen. Allen voran die Track Position.

Leclerc steckt im DRS-Zug

Dass Charles Leclerc in den Verkehr geraten würde, war mit Starplatz 19 von Anfang an klar. Deshalb entschloss sich Ferrari dazu, am Start die harten Reifen aufzuziehen. Dadurch zockte man einerseits auf ein Safety Car zum richtigen Zeitpunkt und wollte sich auf der anderen Seite etwas freie Fahrt gegen Rennmitte kaufen.

Doch es kam genau verkehrt. Die VSC-Phasen nach Defekten von Sergio Perez und Mick Schumacher kamen zum idealen Zeitpunkt für all jene Piloten, die auf Medium in den Grand Prix gegangen waren. Nicht nur sparten sich dadurch Leclercs direkte Konkurrenten kräftig Zeit, sondern sorgten auch noch für Verkehr, da manche vor ihm wieder auf die Strecke kamen.

VSC-Timing und Boxenstopp-Patzer kosten Zeit und Positionen

Darunter auch Esteban Ocon, der in Runde 19 abbog. Er blieb durch den geringeren Zeitverlust während der Rennneutralisation locker vor Leclerc und war dem Ferrari-Piloten damit genau in jener Phase im Weg, in der er eigentlich von den Hards profitieren hätte können. "Am Anfang war ich im DRS-Zug gefangen und in der Rennmitte blieb ich hinter Esteban stecken, der auf viel frischeren Reifen war und aus T10 raus gut war. Dadurch hatte er genügend Platz, um mich hinter sich zu halten."

In Runde 41 holte sich Leclerc frische Reifen ab. Dies stellte sich aus zwei Gründen als unglückliche Entscheidung heraus. Einerseits lief der Reifenwechsel nicht nach Plan und dauerte über fünf Sekunden und andererseits kam der 24-Jährige wieder direkt hinter einer Gruppe von Fahrzeugen heraus.

"Der Boxenstopp hat uns in eine schlechte Situation gebracht. Ich wurde gerade einen DRS-Zug los und geriet nach dem langsamen Stopp in den nächsten", analysierte er. Es dauerte einige Runden bis er die deutlich langsamere Kampfgruppe um Stroll, Zhou, Tsunoda und Ricciardo hinter sich lassen konnte.

Leclerc betreibt Schadensbegrenzung

Auf der anderen Seite erwies sich das Boxenstopp-Timing als doppelt bitter, da nur acht Umläufe später Yuki Tsunoda seinen AlphaTauri in der Wand versenkte und eine Safety-Car-Phase auslöste. Erneut perfekt für die 2-Stopp-Piloten, schlecht hingegen für Leclerc. "Ich musste davor (im DRS-Zug) die Reifen stark beanspruchen und das kostete mir einiges an Zeit", so der vierfache GP-Sieger.

Im letzten Rennabschnitt konnte er schließlich trotz älterer Reifen die Alpines überholen und das sogar ohne DRS-Hilfe. Denn Leclerc war auf der Bremse deutlich besser als das Duo vor ihm und er frühstückte sowohl Alonso als auch Ocon in der Haarnadel vor der langen Gerade ab.

Der WM-Dritte verliert damit 15 weitere Punkte in der Fahrer-Meisterschaft auf Verstappen. als kleines Trostpflaster erhielt Leclerc immerhin noch den offiziellen Driver-of-the-Day-Award der Formel 1. Wirklich interessieren wird ihn das aber nicht. Wichtiger war Leclerc nach dem Rennen, dass der Ferrari die gesamte Renndistanz ohne Technik-Probleme überstand und die Pace der Scuderia-Piloten mindestens auf Augenhöhe mit Rennsieger Max Verstappen war.