Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Das musste die FIA am Kanada-Wochenende schmerzlich erfahren. Der Automobilweltverband reagierte schnell auf die Kritik zahlreicher Fahrer, die ihre Gesundheit mit den aktuellen Formel-1-Boliden gefährdet sehen. Am Donnerstag schickte FIA-Technikchef Nikolas Tombazis eine Technische Direktive an die Teams, die das Springen der Autos vermindern soll.

Inzwischen ist klar, dass die Direktive teilweise zurückgezogen wird. Bis zum Qualifying ist es schlicht nicht möglich, eine geeignete Metrik für einen Grenzwert der Stöße zu finden. Deshalb gilt Kanada als Testlauf: Daten werden gesammelt, bei Nichteinhalten gewisser Werte ist aber nicht mit Sanktionen zu rechnen.

Aber die Direktive sorgte auch aus einem anderen Grund für Ärger. "Das Timing war nicht ideal", bemängelt Aston-Martin-Teamchef Mike Krack. AlphaTauri-Kollege Franz Tost geht sogar noch weiter: "Das Timing war absolut nicht gut. Ein paar Tage vor dem Rennen ist nicht der beste Zeitpunkt."

Grund für den Ärger ist die Tatsache, dass die Technische Direktive auch Modifikationen am Auto zuließ. Eine zusätzliche Haltestrebe durfte angebracht werden, um den Unterboden zu stabilisieren. Als einziges Team ging Mercedes am Trainingstag in Kanada mit zwei Streben pro Seite auf die Strecke.

"Donnerstag ist etwas spät, um für das Wochenende zu reagieren. Teams, die das können, haben vielleicht eine Glaskugel", sagte McLaren-Boss Zak Brown in Richtung Mercedes. Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer wurde konkreter: "Manche Teams wollen keine Performance opfern, indem sie mehr Bodenfreiheit fahren. Deshalb betreiben sie bei der FIA Lobbyarbeit, um Änderungen zu erzielen. Und plötzlich sind Streben erlaubt."

"Die Direktive kam, als unser Technik-Chef im Flieger saß", machte Szafnauer seinem Ärger weiter Luft. "Wir konnten hier keine Strebe anbringen." Warum sich die Mercedes-Konkurrenz so ärgert: "Wir haben den Unterboden verstärkt, was Gewicht kostet. Wenn du eine Strebe anbringst, hast du den gleichen Effekt für weniger Gewicht."

Mercedes: Strebe war Vor-Ort-Lösung

Mercedes aber betont, dass die Strebe eine Vor-Ort Lösung in Kanada als Reaktion auf die Direktive war. Nachdem die Direktive teilweise zurückgenommen wurde, stellt sich die Frage, ob die Strebe bleiben darf. Szafnauers Meinung ist klar: "Technische Direktiven sind keine Regeln. Teams könnten nach dem Rennen oder dem Qualifying Protest einlegen. Wenn du diese Strebe hast, kannst du das Auto tiefer fahren und hast mehr Performance."

Einen Protest muss die Formel 1 nicht fürchten. Mercedes hat bereits angekündigt, die Zusatz-Strebe für das restliche Wochenende nicht mehr zu nutzen. Ob die Strebe für die restliche Saison erlaubt wird, ist noch unklar. In der Direktive hieß es, dass diese Form der Verstärkung nur für Kanada gedacht ist.

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