Nach dem Raketenangriff auf eine Raffinerie, nur 10km von der Formel-1-Strecke in Saudi-Arabien entfernt, wird das Rennwochenende wie geplant weitergehen. Trotzdem wirft der Angriff der jemenitischen Rebellen während des ersten Freien Trainings die Frage auf, ob es gerechtfertigt ist, Rennen in Ländern wie Saudi-Arabien abzuhalten. Immerhin könnte es zu prekären Situationen kommen, wie der Trainings-Freitag in Jeddah gezeigt hat.

"Wir können uns nicht aussuchen, wo wir fahren", sagt dazu Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko. "Wer hätte sich vor fünf Wochen vorstellen können, dass ein Krieg in Europa möglich ist? Es ist also schwer zu sagen, wo man sicher ist und wo nicht. Das zu beurteilen, sollte nicht dem Sport überlassen sein."

Der Österreicher empfindet es jedenfalls für richtig, trotz Raketenangriff auf dem Jeddah Corniche Circuit zu fahren. "Ich glaube, es gibt solche Angriffe häufig. Dafür gibt es ein sehr gutes Abwehrsystem. Man darf sich durch den Terror nicht total einschüchtern lassen", so Marko. Warum das Abwehrsystem am Freitag dabei versagte, den Anschlag der Huthi-Rebellen zu verhindern, ist derzeit noch nicht geklärt.

Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger hat eine ähnliche Ansicht wie der Red Bull Motorsportchef. Auch er spricht sich für die Austragung von Rennen in Saudi-Arabien aus: "Persönlich denke ich, dass Sport zur politischen Stabilität beitragen soll. Alle Nationen kommen im Sport zusammen und kämpfen freundschaftlich miteinander. Das Gefühl einer Zusammengehörigkeit, ist die wichtigste Message."

Zum jetzigen Zeitpunkt käme das Thema, ob in Saudi-Arabien überhaupt gefahren werden soll, laut Williams-Boss Jost Capito ohnehin zu spät: "Die Diskussion hätte zuvor stattfinden müssen und muss danach stattfinden, aber nicht während des Events", sagt der Deutsche. Darüber, dass es nach dem Rennwochenende in Jeddah viele Diskussionen geben wird, ist sich Aston-Martin-Teamchef Mike Krack bereits sicher. Trotzdem würden nicht die Teams den Rennkalender machen, sondern die FIA und die Formel 1.

Valtteri Bottas: "Fahrer haben keine Wahl"

Da die Medienrunden nach dem zweiten Freien Training abgesagt wurden, gibt es von Seite der Piloten noch wenig Stimmen zu den schockierenden Vorkommnissen. Die Fahrer hielten jedoch am Freitag noch bis spät in die Nacht ein gemeinsames Meeting ab, das zunächst einen möglichen Boykott vermuten ließ. Zu diesem ist es dann nicht gekommen und das Rennwochenende wird wie geplant durchgezogen.

Aber bereits bei der Pressekonferenz am Freitagmorgen, noch vor dem Raketenangriff, wurden die Formel-1-Fahrer, wegen anderen humanitären Bedenken, zum Rennstandort Saudi-Arabien befragt. "Fakt ist, dass wir als Fahrer keine Wahl haben, wo wir fahren. Wenn wir selbst den Rennkalender zusammenstellen könnten, würde dieser womöglich anders aussehen", sagte Alfa-Pilot Valtteri Bottas im Zuge dessen.

"Wir müssen der Formel 1 vertrauen, dass es angebracht ist, auf den ausgewählten Strecken zu fahren und ich hoffe, dass wir durch unseren Sport einen positiven Einfluss auf manche Länder haben", so der Finne. Schlussendlich sei er jedoch Rennfahrer und fahre überall dort, wo es für ihn Punkte zu holen gibt.

George Russell, Bottas Nachbesetzung bei Mercedes, äußert Ähnliches. Auch er hoffe, dass die Formel 1, mit ihrer großen Plattform, die Gesellschaft positiv beeinflussen kann. Trotzdem sei es "offensichtlich beunruhigend zu sehen, was in manchen Ländern, in denen wir fahren, vor sich geht."

Formel-1-Boss Stefano Domenicali und die FIA, sowie die saudischen Behörden versicherten den Teams, dass es absolut sicher sei, das Rennwochenende wie geplant fortzusetzen. Fans der Königsklasse zeigten sich auf den sozialen Medien jedoch empört und warfen der Formel 1 vor, lediglich mit monetären Absichten zu handeln und dafür die Sicherheit der Fahrer und Teams auf das Spiel zu setzen.