Tag für Tag rückt das alles entscheidende Rennen der Formel-1-Saison 2021 näher. Am Sonntag duellieren sich Max Verstappen und Lewis Hamilton in Abu Dhabi um den WM-Titel. Die Ausgangslage könnte brisanter kaum sein. Erst zum zweiten Mal in der Formel-1-Geschichte gehen zwei Kontrahenten punktgleich in einen letzten Grand Prix des Jahres.

Dennoch liegt zumindest ein kleiner Vorteil bei Verstappen. Der Niederländer gewann bislang ein Rennen mehr als Hamilton und wäre daher Weltmeister, sollte auch nach dem Rennen auf dem umgebauten Yas Marina Circuit Punktgleichheit herrschen. Dafür gibt es nur drei Szenarien. Entweder Hamilton wird Neunter und Verstappen samt schnellster Rennrunde Zehnter - oder es läuft genau andersherum. Oder - und sehr viel realistischer als ein derart schwaches Abschneiden der beiden dominierenden Fahrer des Jahres - beide fallen nach einem weiteren Unfall aus.

Vorteil Verstappen: Entscheidet ein Unfall die WM?

Ein WM-entscheidender Crash zwischen Verstappen und Hamilton - dieses Spukgespenst hängt über dem WM-Finale in Abu Dhabi seit Hamilton am vergangenen Sonntag mit Verstappen gleichzog. Legt es Verstappen am Sonntag darauf an? Senna vs. Prost, Schumacher vs. Hill und Schumacher vs. Villeneuve - unzählige Vergleiche drängten sich auf. Gerade, weil Verstappen erst in Jeddah einmal mehr erneut aggressiv zu Werke ging.

Deshalb versendete die FIA mit einer Ergänzung in den regulären Event-Notizen der Rennleitung am Donnerstag eine Erinnerung an alle Wettbewerber. Darin zitierte Michael Masi vier Paragrafen aus dem International Sporting Code der FIA, dem Sportgesetzbuch, dass allgemeingültig für alle FIA-Serien gilt und noch über den jeweiligen Reglements steht.

FIA warnt WM-Rivalen: Punktabzug ist möglich

Inhalt in Kurzform: Jedes Team ist verantwortlich für Taten und Worte all seiner Mitarbeiter, unsportliches und unfaires Verhalten oder Fahren ist ein Regelbruch und kann abseits der gewohnten Sanktionen wie Zeitstrafen auch mit Punktabzug oder dem Ausschluss einzelner oder mehrerer Wettbewerbe geahndet werden.

Dass sich dieser Hinweis vor allem an Mercedes und Red Bull richten dürfte, erscheint offensichtlich. Doch nur eine Partei begrüßt diese Erinnerung auch. "Mit all den Kontroversen, die wir die letzten paar Rennen hatten, und vielleicht war es auch wieder eine Sache unterschiedlicher Wahrnehmung der verschiedenen Lager, ist es sehr gut, dass Michael und die FIA einen Reminder vorgelegt haben, wofür der IC (International Code) steht", sagt Toto Wolff am Freitag in der offiziellen Teamchef-Pressekonferenz, gemeinsam mit Christian Horner.

Mercedes begrüßt "Abschreckung": Nach all den Kontroversen ...

Der Mercedes-Teamchef weiter: "Das herauszugeben, ist vielleicht eine gute Abschreckung für allen, damit weiter sauber gefahren wird. Was geht und was nicht geht. Dass nicht nur das einzelne Rennergebnis für die Meisterschaft zählt, sondern auch der Standard der Fahrweise."

Formel 1: FIA droht Hamilton & Verstappen mit Punktabzug! (10:22 Min.)

Widerspruch regt sich dagegen sofort bei der Konkurrenz. "Es ist eines von 22 Rennen, was ist der Unterschied zwischen diesem Rennen und Silverstone oder Ungarn?", fragt Christian Horner. "Es muss beim Stewarding und den Strafen Konstanz geben", fordert der Red-Bull-Teamchef wie zuletzt schon mehrfach in Katar und Saudi-Arabien erneut. Horner: "Das die Leute verrückter macht als alles andere, ist das Gefühl, dass es Inkonstanz gibt."

Horner: Was ist hier anders als in Silverstone und Ungarn?

Dabei stört sich Horner nur an der Ergänzung der Notizen um die Artikel aus dem Code und die so noch mehr darauf gelenkte Aufmerksamkeit, nicht an dem Inhalt des Rennkodex selbst. Immerhin würden diese Paragrafen ohnehin immer gelten, so Horner. "Dieser Teil des IC wird in den Notizen nur betont, war aber immer da. Das ist nichts, was für dieses Wochenende neu eingeführt worden wäre", moniert Horner

Danner Interview: Greift Verstappen in die unterste Schublade? (25:59 Min.)

Für Red Bull ist das also unnötig. Zumal man sowieso nicht vorhabe, den Titel auf dreckige Weise zu gewinnen. "Niemand will die Meisterschaft im Raum der Stewards oder im Kiesbett entschieden sehen", sagt Horner. "Diese zwei Titanen von Fahrern, die in diesem Jahr schon so oft Rad an Rad waren ... So soll es auch dieses Wochenende weitergehen", fordert Horner. Deshalb habe er Verstappen auch gesagt, das Wochenende einfach zu genießen - und zu fahren wie an den 21 Wochenenden zuvor.

Horner: Verstappen fühlt sich zurecht ungerecht behandelt

Denn falsch mache der Niederländer ganz sicher nichts, so der Brite - trotz aller Kritik. Für Horner ist auch der FIA-Reminder an den IC nur ein weiteres Beispiel dafür, dass Verstappen schon immer zu sehr mit Argusaugen betrachtet worden sei. "Gelegentlich wird er hart behandelt und ist unter eine Beobachtung, die wir bei anderen Vorfällen nicht erlebt haben", meint Horner. "Er hat Recht, dass er sich bei manchen Entscheidungen ungerecht behandelt fühlt."

Verstappen stehe schlicht mehr im Scheinwerferlicht als andere, so der Brite. "Er fährt da vorne gegen einen siebenmaligen Weltmeister und die Vorwürfe gegen seinen Fahrstil und Fahrstandard sind ein Narrativ, um Druck auf ihn auszuüben", sagt Horner. Das sei ein irrer mentaler Druck für einen so jungen Mann - womit Verstappen herausragend umgegangen sei.

Horner versichert: Red Bull und Verstappen ohne Crash-Absicht

Für das große Finale am Sonntag versichert Horner: "Wir als Team und Max als Fahrer wollen eine Entscheidung Rad an Rad, aber da braucht es Konstanz. Ich verstehe, warum Toto und Lewis mit dem Nachteil der Rennsiege dafür pushen. Aber niemand geht mit der Absicht eines Crashs in dieses Rennen. Es gab große Spekulationen darum, aber wir wollen es auf Strecke entscheiden."

Handshake: Toto Wolff und Christian Horner wollen die WM-Titel in Abu Dhabi fair ausfechten, Foto: LAT Images
Handshake: Toto Wolff und Christian Horner wollen die WM-Titel in Abu Dhabi fair ausfechten, Foto: LAT Images

Zumindest auf Teamchef-Level ging es in der Pressekonferenz schon einmal fair zu. Wolff reichte Horner die Hand zum Handshake vor dem Konstrukteurspokal - der griff zu. "Mögen der beste Mann und das beste Team gewinnen", sagte Wolff. Ganz anders erst am Donnerstag die Fahrer: Hamilton und Verstappen - ebenfalls gemeinsam in einer Pressekonferenz - würden sich kaum eines Blickes. Zum Handshake kam es nicht.