Beim vorletzten Saisonrennen eskalierte das WM-Duell um die Formel-1-Krone 2021 zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton endgültig. In einem hochdramatischen Grand Prix in Saudi-Arabien kassierte der Red-Bull-Pilot gleich mehrere Strafen. Eine davon setzte es, weil es in Runde 37 erneut zu einer Kollision mit seinem Mercedes-Rivalen gekommen war. Ein absichtlicher Bremstest, unterstellte Hamilton Verstappen in der aufgeheizten Stimmung am Boxenfunk.
Die Urteilsbegründung der Stewards nahm den Druck vom Kessel. Absicht sahen die Rennrichter nicht in der Szene. Dann wäre Verstappen kaum mit einer Zeitstrafe von zehn Sekunden davongekommen. Doch sahen die Stewards die Schuld klar und vollständig bei Verstappen. Dem schließt sich Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner im großen Video-Interview (s.o. oder
) zum Aufreger von Jeddah an - allerdings weniger in der Frage nach Absicht. "Das war's", kommentiert Danner unmissverständlich.Danner erklärt: Darum hat Verstappen einen Braketest gemacht
Das zeige sich letztendlich anhand der Fakten, welche die Stewards in ihrem Bericht nennen. "Was ich wirklich nicht abkann, ist die Tatsache, dass Verstappen da wirklich einen Braketest gemacht hat. Also gebremst hat, nicht nur irgendwie auf die Seite gefahren ist und den Platz wiederhergeben hat, sondern tatsächlich gebremst hat, um da Durcheinander reinzukriegen", poltert der ehemalige Formel-1-Fahrer.
Was Danner noch mehr aufregt: Red Bull leugnete genau das auch noch. "Dr. Marko hat nach dem Rennen gesagt: 'Wir wollen, dass der Hamilton bestraft wird, denn der ist einfach in unser Auto hineingefahren'", erinnert Danner. Red Bull wolle beweisen, dass Verstappens Bremsdruck konstant gewesen sei, ergänzte Marko nach dem Rennen in diversen Interviews. "Da wird's dann absurd", wettert Danner.
Danner geht Red Bull an: Zuschauer verkohlt
"'Nie im Leben hat der gebremst, nein!' Und was stand im FIA-Report? Mit 2,7 G hat er verzögert und mit so und so viel Bremsdruck. [...] 69 bar! Da musst du schon ganz schön auf's Pedal drauftreten, damit du 69 bar zusammenkriegst! Und das dann nicht als Braketest zu bezeichnen, das geht dann schon so bisschen in die 'Wir verkohlen jetzt den Zuschauer'-Ecke."
Klar sei, dass Red Bull und Verstappen mit allen Mitteln kämpfen würden. "Und Verstappen ist eine, der da schon sehr tief in die Trickkiste greift, das hat sich immer wieder gezeigt, auch in den Bereich mal greift, wo es nicht mehr ganz so schön ausschaut", meint Danner. Verständlich sei das. "Er will ja einen Vorteil haben", erklärt der MSM-Experte. Doch die FIA müsse da eingreifen. "Es ist da dann schon an der Zeit, dass die Sportbehörde eingreift: 'Mein Lieber, verkohlen kannst du dich selbst. Wir wissen, was da abging.'"
Danner fordert härteres Eingreifen der FIA
Genau das sei sogar der Fall gewesen, so Danner weiter. "Die Stewards heutzutage sind nicht mehr so blöd, dass das irgendwelche Leute sind, die da nur mit Sakko rumlaufen und Champagner trinken. Denen ist nicht entgangen, dass keiner der Fahrer den DRS-Messpunkt gegen sich haben wollte", betont Danner. Den Platz strategisch zu tauschen, habe Red Bull Verstappen ja sogar direkt mitgeteilt, erinnert der F1-Experte: "Mit anderen Worten: Mach es so, dass du derjenige bist, der am nächsten DRS-Messpunkt hinter dem Hamilton ist. Denn dann hast nämlich du auf der nächsten Geraden DRS und kannst ihn wieder überholen."
Für Danner ein weiteres Indiz für Absicht - und eine damit am Ende wohl zu lasche Strafe. "Das kann man nicht unter den Tisch kehren", kritisiert der Bayer. Die Anweisung selbst sei dabei nicht das Problem. "Die Umsetzung, wie man es dann auf der Strecke macht, ist dann schon dem Fahrer überlassen ...", so Danner. Und genau die sei eben ein klarer Bremstest gewesen. "Er hat gebremst, weil er dem Gegner die Butter ein bisschen vom Brot nehmen wollte."
"Der Trickkisten-Jongleur ist nicht Hamilton ..."
Unter dem Strich habe das Zusammenspiel von Stewards, Rennleitung und Fahrern aber noch zu einem guten Ende geführt. "Sie haben es hinbekommen, dann doch soweit halbwegs miteinander klarzukommen, dass sie das Rennen zu Ende gefahren sind", sagt Danner und fügt schmunzelnd an: "Aber es gibt schon eine klare Tendenz: Der Trickkisten-Jongleur ist nicht Hamilton ..."
Genau deshalb erwartet Danner entgegen anderer Meiungen nun auch ein genauso brisantes Finale in Abu Dhabi. Alle hätten Lehren aus Saudi-Arabien gezogen, sagte Toto Wolff nach dem Rennen. Alle? Nicht für Danner: "Alle reden jetzt zwar, es muss ein fairer Wettbewerb sein. Aber das ist dem Verstappen völlig wurscht - und wenn es sein muss, greift der auch in die Trickkiste, unterste Schublade."
Danner: Wenn er muss, greift Verstappen in die Trickkiste, unterste Schublade
Vergleiche mit Ayrton Senna und Alain Prost werden laut. Darüber sei Hamilton vs. Verstappen sogar schon hinaus, so Danner. "Das ist auf jeden Fall noch eins drüber, denn die sind psychologisch zwar relativ grob miteinander umgegangen, aber die waren auf der Strecke so nah beieinander. Und damals gab es auch solche strategischen Dinge nicht", meint Danner.
Allerdings habe man vor Abu Dhabi nun durchaus ein Szenario wie 1994 mit Michael Schumacher und Damon Hill in Adelaide. Danner: "Es gibt einen Fall, der vom Potential direkt vergleichbar ist und das ist die Schumacher-Hill-Nummer in Adelaide als Michael Schumacher in die Wand gefahren ist und dann so lang gewartet hat bis der Hill kam und ihm dann in die Karre gefahren ist. Dann waren beide platt und Schumacher war Weltmeister."
Danner: Abu Dhabi wie Schumacher vs. Hill in Adelaide?
Ein solches Vorhaben will Danner Verstappen allerdings nicht zusprechen. "Den Vorsatz will ich in dem Fall auch dem Max nicht unterstellen. Auf keinen Fall", sagt Danner. "Aber es ist ein Szenario, was eine Möglichkeit darstellt", mahnt Danner dennoch. Zunächst komme es aber schlicht auf die Ausgangslage an. "Aber wenn Hamilton den Verstappen wirklich überholen muss, dann ist schon die Gefahr da, dass er ihn in die Wand schiebt. Das ist aber so leicht auch nicht hinzukriegen. Da musst du dir schon was richtig Ernsthaftes überlegen, damit der auch nicht weiterfährt. Das kann man nicht planen."
Faszinierend für Danner ist, wie Hamilton damit bereits seit Wochen umgeht und sich nun auch jetzt vorbereiten kann. "Der weiß ja ganz genau: Jeder Überholversuch ist ein potenzieller Unfall. Da musst du schon viel Feingespür entwickeln, um das doch noch irgendwie hinzukriegen", sagt Danner. "Die normale Herausforderung im Rennauto - so schnell wie möglich, so schnell wie möglich - ist schon eine Sache. Aber da brauchst du schon noch extra Kapazitäten, um auch diese Eventualitäten in jede Aktion mit einzubauen. Das ist schon absolut faszinierend. Das sind wirklich die zwei Größten, die es im Moment gibt. Da schaut man schon gern zu, was da abgeht!"
Das gesamte Interview mit unserem F1-Experten Christian Danner seht ihr entweder gleich hier im Video (unten) oder auch auf dem Youtube-Kanal von Motorsport-Magazin.com. Dort bezieht Danner auch differenziert Position zu Verstappens diversen Manövern in Kurve eins, dem "Deal" zwischen FIA und Red Bull um Verstappens Startposition und den Spielchen zwischen Mercedes und Red Bull rund um das Safety Car zu Rennbeginn. Am besten gleich abonnieren, um auch aus Abu Dhabi und in fernerer Zukunft keine Vlogs und Interviews zu verpassen!
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