Alle Formel-1-Teams stehen 2021 von einer ganz neuen Herausforderung. In nur wenigen Monaten startet mit einem großen Umbruch der Aerodynamik-Regeln - mache sagen, der größte seit Jahrzehnten - einen neue Ära. Dieser Start erfolgt aber gleichzeitig unter so starken Beschränkungen wie noch nie, vor allem durch die neue Kosten-Obergrenze.

Daher sieht sich jedes Team noch während der laufenden Saison 2021 in eine schwere Entscheidung gezwungen: Wann gibt man das noch aktuelle Auslaufmodell ganz auf, und fokussiert die neu begrenzten Ressourcen auf die Revolution 2022? Motorsport-Magazin.com liefert einen Überblick für alle Teams.

Massive Einschränkungen als Zwickmühle für Formel-1-Teams

Die kommenden Einschränkungen sind massiv, und besonders für die bislang unbeschwert investierenden Top-Teams ungewohnt. In dieser Saison dürfen nur mehr 147,7 Millionen US-Dollar ausgegeben werden, für die Spitze richtiggehend eine Halbierung. Obendrauf wurden die Aerodynamischen Test-Beschränkungen (Aerodynamic Testing Restrictions, ATR) weiter verschärft, Windtunnel-Zeit und CFD-Zeit wurden weiter gekürzt. Mehr noch für die Spitze, denn ein neues System reiht nach WM-Position: je schlechter ein Team, desto mehr Entwicklung bekommt es zugestanden.

Mit all dem im Hinterkopf sehen sich alle Teams inzwischen zumindest zu einem Teil-Fokus auf 2022 gezwungen. Das Dilemma: Der Fortschritt am 2022er-Prototypen ist viel größer, da die Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckt. Wer zuwartet, kann nächstes Jahr Sekunden verlieren. Aber gleichzeitig bleibt 2021 für alle kritisch: Red Bull und Mercedes kämpfen um eine WM, und die Teams dahinter im engen Verfolgerfeld um Plätze in der Konstrukteurs-WM, die Millionen an Preisgeld wert sind.

Mercedes & Red Bull: Angst um WM vs. Angst um Zukunft

Mercedes: Trotz schwachen Start gab es nur verhältnismäßig wenig Bewegung bei den Titelverteidigern. In Silverstone kam mit Bargeboards und Unterboden das letzte größere Upgrade. Der Entwicklungs-Fokus in der Fabrik war da schon vollständig auf 2022 umgestellt. "Aber es wird noch ein bisschen Kleinzeug hier und da geben, wo wir effizient sehen können, dass wir Performance bringen können, ohne uns vom nächsten Jahr abzulenken", prognostiziert Cheftechniker James Allison. Mehr als Detailverbesserungen gibt es nicht mehr. Man hofft, durch besseres Verständnis des Autos im WM-Kampf bleiben zu können.

Red Bull: Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko unterstrich wiederholt: Man will jetzt, da man erstmals seit 2013 wieder im WM-Rennen ist, auf keinen Fall den Fehler machen und zu früh die Entwicklung einstellen. Fast bei jedem Rennen gab es bislang Upgrades, manchmal große Pakete. "Wir hatten große Regeländerungen in der Vergangenheit, also musst du deine Ressourcen ausbalancieren und dort anwenden, wo sie am nötigsten gebraucht werden", meint Teamchef Christian Horner. "Ich glaube, das Team arbeitet unglaublich hart, sehr gut und effektiv." Wie es nach der Sommerpause weitermacht, darüber hält es sich bedeckt - aber es will sich nicht von Mercedes-Entscheidungen beeinflussen lassen, sondern Rennen für Rennen dem eigenen, vorab ausgelegten Plan folgen.

Ferrari & McLaren: Traum von Größerem ab 2022

Ferrari: Nach dem Desaster des Vorjahres und den im Winter eingefrorenen Chassis-Regeln war früh klar, dass 2021 nicht viel möglich war. Folglich schrieb man die Saison früh ab. Der SF21, eine solide Basis, wurde seit Bahrain kaum umgebaut. In Barcelona gab es Upgrades, während der Design-Fokus laut Sportdirektor Laurent Mekies da schon zu 90 bis 95 Prozent auf 2022 lag. In den folgenden Wochen wurde er ganz umgestellt. Ziel ist jetzt, die Prozesse zwischen Einsatzteam und Fabrik, und beim Auto-Verständnis, zu verbessern, während die Designer voll an 2022 arbeiten. Wo 2021 in der WM endet, hat nicht oberste Priorität. Was noch kommt: Ein Motorupgrade, aber das zählt nicht zur Kosten-Obergrenze.

McLaren: Mehrere neue Komponenten im Laufe der ersten Hälfte zeugen von mehr Entwicklung als bei Ferrari. Das letzte signifikante Paket kam mit neuen Bargeboards in Ungarn. Der Fokus wurde jetzt überwiegend umgestellt. Allerdings hängen noch Teile in der Warteschleife, die bereits konzipiert wurden. Die kommen nach der Sommerpause, erklärt Renndirektor Andrea Stella: "Tests an der Strecke geben dir mehr Infos, um weiter zu tunen, was oft keinen Windtunnel benötigt, das kannst du mit CFD und so machen. Da wird es ein paar Kleinigkeiten in den nächsten Rennen geben." Nur wenn man eine, Zitat Teamchef Andreas Seidl, "low hanging fruit" entdeckt, wird man zugreifen.

McLaren brachte in Ungarn ein neues Bargeboard, Foto: LAT Images
McLaren brachte in Ungarn ein neues Bargeboard, Foto: LAT Images

Alpine, AlphaTauri & Aston Martin: Enges Mittelfeld-Rennen

Alpine: Windkanal-Probleme kosteten dem Team im Winter Entwicklungszeit, die man am 2021er-Auto zu Saisonbeginn aufholen musste. Damit ist jetzt Schluss, vor Ungarn verkündete Direktor Marcin Budkowski: "Der Fokus wurde jetzt in beiden Fabriken ganz auf 2022 gewechselt, daher kommen weniger neue Teile an die Strecke." Also befindet man sich in einer ähnlichen Situation wie McLaren. Die Probleme vom Saisonstart sollen behoben sein und auf die 2022er-Entwicklung keinen Einfluss haben.

AlphaTauri: Wie viele der vorderen Mittelfeld-Teams stellte Faenza im Juni und Juli die Arbeit auf 2022 um. Nach einem starken Start hatte das Team eine kurze Schwächephase durchlitten, als Upgrades in Barcelona Probleme in langsameren Kurven verursachten. Inzwischen ist die Performance überwiegend stabil, damit ist die wichtigste Arbeit für 2021 getan.

Aston Martin: Die winterlichen Regel-Eingriffe am Unterboden kosteten hier besonders viel Abtrieb, und erzwangen viel Arbeit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Umfangreiche Upgrades inklusive neuer Unterböden, Flügel und Bargeboards wurden über die erste Saisonhälfte verteilt nachgeschossen. "Es ist fast kein von außen sichtbares Teil zwischen Bahrain und Silverstone nicht verbessert worden", gesteht Performance-Direktor Tom McCullough. Dann musste man den Schlussstrich setzen, die Entwicklung in der Fabrik läuft inzwischen ganz auf 2022 zu. In Ungarn gab es noch neue Teile, nach der Sommerpause werden die letzten Ressourcen umgeschichtet.

Williams, Alfa Romeo & Haas: Hinterbänkler schreiben 2021 früh ab

Williams: Der Fokus wurde schon bei Saisonstart auf 2022 gesetzt. "Es gibt nicht so viel, was wir am 2021er-Auto machen können", hielt Teamchef Jost Capito fest. "Wir werden natürlich weitere Entwicklungen bringen, aber nur was getan werden kann, ohne das 22er-Auto zu kompromittieren." Williams hatte im Winter überhaupt nur einen der beiden Entwicklungs-Token ausgegeben, die alle Teams erhielten, um eingefrorene Teile zu bearbeiten. Ein bisschen Entwicklung sollte in den ersten Rennen dem Einsatzteam mit Optimierungen helfen, im Windkanal arbeitete aber nur mehr eine Rumpfbelegschaft an 2021.

Alfa Romeo: Für das zweite Rennen in Imola kam noch eine Revision, dann begann das schrittweise Umschichten der Ingenieure auf 2022, und seither gab es keine großen Entwicklungen mehr. Wie bei den direkten Konkurrenten am Ende des Feldes sind die Ressourcen hier nicht so umfangreich, dass man sich das überhaupt leisten will - wohl wissend, dass die Möglichkeiten des C41 stark begrenzt sind.

Haas: Niemand hat weniger entwickelt, nicht einmal das 2020er-Auto wurde ernsthaft überarbeitet. Keine Token wurden ausgegeben, lediglich die notwendigen Regeländerungen wurden eingearbeitet. Seit es per Reglement erlaubt ist, wird hier am 2022er-Auto gearbeitet. Mit dem Gedanken, dass die Chancen für 2021 vom Start weg schlecht standen. Die einzigen 'neuen' Teile gab es in Imola - aber nur, weil sie in Bahrain noch nicht fertig waren.