Rückschlag für Sebastian Vettel und Aston Martin bei der Anfechtung der Budapest-Disqualifikation: Der Fall wird von den Formel-1-Stewards des Ungarn GP nicht neu aufgerollt. Am Montag um 15:00 Uhr sprachen die Teamverantwortlichen via Zoom-Konferenz bei den Stewards vor und wollten eine Neubeurteilung anhand neuer Beweise erreichen.

Vettel fuhr beim Ungarn GP auf Rang zwei über die Ziellinie, verlor aber Pokal und 18 Punkte wenige Stunden nach dem Rennen, weil sich nicht genügend Benzin im Tank seines Aston Martin befand.

Teamchef Otmar Szafnauer, Technik-Chef Andrew Green und Teammanager Andy Stevenson versuchten die FIA-Stewards anderthalb Stunden lang davon zu überzeugen, dass neue und relevante Beweise vorliegen würden, weshalb die Sache neu beurteilt werden müsse.

Vettel-Protest: Erste Niederlage, aber es gibt Hoffnung! (08:09 Min.)

Aston Martin akzeptiert: Kein Benzin in Vettels Auto

Aston Martins neue Argumentation fußte auf einem technischen Defekt. Während Szafnauer bei der Anhörung nach Rennende noch zu einhundert Prozent davon überzeugt war, dass sich bei Rennende 1,74 Liter im Tank befanden, obwohl bei den FIA-Untersuchungen lediglich 0,3 Liter abgezapft werden konnten, sah das Team nun ein, dass sich tatsächlich nicht mehr Benzin im Auto befand.

Das Reglement schreibt zwar vor, dass sich nach Rennende mindestens 1,0 Liter Benzin für Proben im Tank befinden müssen, die nach einem standardisierten Verfahren abgepumpt werden können, allerdings beruft sich Aston Martin auf einen technischen Defekt und damit höhere Gewalt.

Die Aston-Martin-Ingenieure gingen während des Rennens ihren eigenen Daten auf den Leim. Der kalkulierte Benzinverbrauch und die tatsächlich verbrauchte Menge stimmten wohl mit der Realität überein, allerdings verflüchtigte sich scheinbar vor den Messstellen die fehlenden 1,44 Liter.

Die Ingenieure gehen davon aus, dass es vor dem Fuel-Flow-Meter ein Leck im Benzinsystem gab, beziehungsweise ein Ventil nicht richtig funktionierte. Diese Annahme wird von Daten gefüttert, die einen Druckabfall im System belegen. Dieser Druckabfall führte dazu, dass eine Förderpumpe in der letzten Runde Ärger machte und unter Volllast lief. Dadurch wurde Luft durch die Benzinzelle gepumpt und unabsichtlich Benzin ausgetoßen.

Vettel stellte in Ungarn sein Auto auf der Auslaufrunde ab, Foto: LAT Images
Vettel stellte in Ungarn sein Auto auf der Auslaufrunde ab, Foto: LAT Images

Vettel stellte seinen Boliden aufgrund dieses Problems vor Kurve zwölf ab. Aston Martin hatte keine Angst, dass das Benzin nicht reichen würde, die Ingenieure hatten tatsächlich Anomalien an der Pumpe entdeckt. Hätte Aston Martin das Problem schon im Rennen richtig erkannt, hätte Vettel die erforderliche Menge Benzin binnen weniger Runden locker einsparen können oder das Auto direkt hinter der Ziellinie abstellen können, um sich zumindest die Ehrenrunde zu sparen.

Während die Erklärung für die Stewards plausibel ist, stellt sie aber keinen signifikanten Beweis dar. Als neu wurde die Erklärung akzeptiert, weil - obwohl die Daten live via Telemetrie übertragen wurden -, die Auswertung von über 100 relevanten Datenkanälen nicht so zeitnah erfolgen kann. Erklärung hin oder her: Die geforderte Mindestmenge konnte auch so nicht erbracht werden. Deshalb ist das Element in den Augen der Stewards neu, aber nicht relevant. Der Fall wird aus diesem Grund nicht neu geöffnet.

Protest bleibt: Chancen für Vettel vor Berufungsgericht

Damit ist der Fall aber nicht abgeschlossen. Aston Martin zog nicht nur die Karte der Neubeurteilung, sondern legte auch Protest gegen die Entscheidung ein. Während der Prozess beim 'Right of Review' relativ schnell abgehandelt werden kann, braucht ein Protest mehr Zeit. Die FIA muss erst Richter für das Berufungsgericht, kurz ICA (International Court of Appeal) nominieren, die sich mit dem Fall befassen müssen.

Dort wird die Sache von mehreren Blickwinkeln beurteilt. Die FIA hatte zur Beweissicherung den Boliden von Vettel bereits beschlagnahmt. Für das 'Right of Review' wurde am Aston Martin aber noch nicht Hand angelegt. Nur die Kühlflüssigkeit wurde aus technischen Gründen abgelassen. Zu einer genaueren Untersuchung kommt es erst im Laufe des Protestverfahrens, mit dem das Recht auf Neubeurteilung nicht zusammenhängt.

Dabei besteht durchaus die Chance, dass das Berufungsgericht die Sache anders sieht. Fährt sich zum Beispiel ein Pilot in der Schlussrunde den Frontflügel ab und erfüllt deshalb nicht mehr das vorgeschriebene Mindestgewicht, wird das als höhere Gewalt angesehen. Das Wiegen darf mit einem baugleichen, intakten Frontflügel durchgeführt werden. Die Stewards akzeptierten diese Argumentation nicht, weil es keine solche schriftliche Ausnahme in den Regeln gibt.

Auch wenn die FIA insgesamt drei Benzinproben benötigt, könnten die sichergestellten 0,3 Liter dennoch ausreichen, um in modernen Labors drei Proben auszuwerten. Die Regelkonformität des Benzins selbst könnte damit nachgewiesen werden. Zumindest dem Geiste des Reglements könnte somit Rechnung getragen werden. Die Berufungsrichter stehen vor einer philosophischen Frage. Ein Zeitplan für das Berufungsverfahren steht noch nicht fest.

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