Aufgeheizter könnte die Stimmung in der Formel 1 vor dem letzten Rennen vor der dreiwöchigen Sommerpause nach dem Ungarn Grand Prix am kommenden Wochenende kaum sein. Vor allem die erste direkte Konfrontation von Lewis Hamilton und Max Verstappen nach dem großen Crash der WM-Rivalen in Silverstone wirft vor dem Rennen in Budapest unzählige Fragen und Spannungsmomente auf.

Wie werden die Streithähne verbal und auf der Strecke reagieren? Fliegen zwischen Red Bull und Mercedes weiter die Fetzen? Neu aufrollen lassen will Red Bull den Fall jedenfalls schon einmal! Also Eiszeit in der Puszta-Hitze oder doch vorläufige Entspannung? Oder grätscht sowieso Ferrari in das scheinbare Giganten-Duell hinein? Und dann ist da noch die Silly Season ... Wir haben die heißesten Fragen und Themen vor dem elften Lauf der Formel-1-Saison 2021.

Formel 1 Ungarn: Wie machen Hamilton und Verstappen weiter?

Mit größter Spannung blickt die Formel 1 dem ersten Aufeinandertreffen von Lewis Hamilton und Max Verstappen nach ihrem Unfall in der ersten Runde des vergangenen Großbritannien-GP entgegen. Dort ging es nach der Eskalation auf der Strecke auf gleich mehreren Ebenen weiter. Mercedes waren zehn Sekunden Strafe gegen Hamilton trotz des Sieges zu viel, Red Bull dagegen zu wenig (s.u.). Noch dazu störten sich die Bullen an den wilden Feierlichkeiten der Konkurrenz - weil Verstappen da noch für Checks im Krankenhaus weilte. Entschuldigungen für Crash oder Party? Fehlanzeige.

Wie geht es nun in Ungarn weiter? Kehrt der 2021 stets obligatorisch propagierte Respekt zurück? Gibt es zumindest eine gewisse Einsicht? Oder ist das Duell Hamilton vs. Verstappen nun final vergiftet? Selten blickten wir einer Pressekonferenz am Donnerstag so gespannt entgegen wie nun vor dem Ungarn-GP. Wie bewerten Hamilton und Verstappen ihren Zweikampf und ihre Aussagen nach mehr als einer Woche Bedenkzeit? Ist Verstappen wieder gänzlich fit? Und wie dosieren Hamilton und Verstappen jetzt die Härte im direkten Duell am Sonntag? Knallt es gleich wieder? Fragen über Fragen.

Vielleicht kommt es in Ungarn allerdings gar nicht zum Duell. Zumindest für Mercedes ist Red Bull in Ungarn nach Augenhöhe in Silverstone nun wieder leichter Favorit. "Dies [Silverstone] war eine unserer besten Strecken, also wären wir naiv zu denken, dass wir dort hinfahren und erwarten, wieder diese Performance zu zeigen", warnt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin. "Der Hungaroring ist eine winklige und enge High-Downforce-Strecke. Fast wie eine große Kartbahn", bestätigt Teamchef Toto Wolff. Das mag der 'Bus' von W12, so Hamilton in Monaco, weniger. Wolff: "Der Kurs dürfte unseren Konkurrenten wahrscheinlich besser liegen als uns."

Formel 1, Gerechte Strafe für Hamilton nach Verstappen-Crash? (14:56 Min.)

Formel 1: Red Bull lässt Hamiltons Strafe neu aufrollen

Ein Plot-Twist gießt am Wochenende zudem neues Öl ins Feuer. Red Bull hat sich dazu entschlossen, gegen die aus Sicht der Bullen zu lasche Strafe für Hamilton vorzugehen. Immerhin konnte Hamilton nicht nur dennoch gewinnen, noch dazu beziffert Red Bull den Schaden auf 1,5 Millionen Euro - ein herber Rückschlag im ersten Jahr mit Budgetdeckel. Gleichzeitig droht ein Verlust des Honda-Antriebs. Das kann im weiteren Saisonverlauf eine Motorenstrafe nach sich ziehen. Ein direkter Protest gegen die Tatsachenentscheidung am Wochenende war nicht möglich, doch haben die Bullen nun Gebrauch von einem sogenannten "Right of Review" des internationalen Sporting Codes der FIA gemacht.

Am Freitag, den 23. Juli ging der Antrag dazu bei der FIA ein, wie die Regelhüter am folgenden Dienstag bekanntgaben. Am Donnerstagnachmittag (16 Uhr) in Ungarn müssen Teamvertreter von Red Bull und Mercedes per Video-Konferenz deshalb erneut bei den FIA-Stewards vorsprechen. Schon bis Mittwochabend ist dazugehöriges Material einzuschicken.

Um eine Neuverhandlung zu erwirken, muss Red Bull neue und signifikante Beweise vorlegen. Also Beweismittel, die zum Zeitpunkt der Urteilsfindung in Silverstone noch nicht zur Verfügung standen und gleichzeitig von Relevanz sind. Das können beispielsweise neue Kameraaufnahmen, GPS- oder Telemetriedaten sein. Sowohl Video-Bilder als auch Telemetrie wurden allerdings bereits für die Urteilsfindung in Silverstone herangezogen. Deshalb erscheint ein Erfolg derzeit eher unwahrscheinlich, sollte Red Bull nicht etwas völlig Ungeahntes aus dem Hut zaubern. Welche Beweise das Team anführen will ist derzeit noch nicht bekannt.

In Ungarn werden die Stewards zunächst prüfen, ob diese genannten Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind. Erst dann würde der Fall tatsächlich neu aufgerollt. Zuletzt kam es nach Kimi Räikkönens bizarrer Strafe beim Großen Preis der Emilia Romagna 2021 dazu. In der Neuverhandlung hatte eine 30-Sekunden-Strafe dennoch Bestand. Im Fall von Sebastian Vettel beim Kanada-GP 2019 wiesen die Stewards hingegen schon den Prüfungsantrag Ferraris ab. Die Beweise seien weder neu noch bedeutend, hieß es.

Härtere Strafe für Hamilton? Stewards sichten neue Beweise! (06:55 Min.)

Formel 1: Ferrari in Ungarn wieder Geheimtipp

In eine mögliche Neuauflage des direkten Gigantenduells zwischen Hamilton und Verstappen hineinfunken könnte in Ungarn Ferrari. Die Scuderia präsentierte sich zuletzt in Österreich und Silverstone nach einem Debakel in Frankreich auch im Rennen stark verbessert und fuhr schon zuvor in Monaco und, mit Abstrichen am Sonntag, in Baku auf einem Niveau mit Red Bull und Mercedes. Auf dem Papier scheint sich der Hungaroring hier gut einzufügen.

Setzt Ferrari deshalb auf Sieg? "Nicht auf den Sieg, auf den Doppelsieg!", scherzt Teamchef Mattia Binotto angesichts in seinen Augen teilweise zu großer an das Team herangetragener Euphorie. Realistisch geht Ferrari nicht davon aus, in den Kampf um den Sieg einzugreifen. "Es ist gut, optimistisch zu sein. Nach so guten Leistungen in den letzten drei Rennen sind wir alle Optimisten. Aber wir müssen auch realistisch sein. [...] Ein Sieg in Budapest dürfte etwas zu optimistisch sein", sagt Charles Leclerc.

Teamkollege Carlos Sainz dämpfte schon in Monaco auf Nachfrage, ob eine Wiederholung in Ungarn möglich sei, die Erwartungen. Das bekräftigt der Spanier nun erneut. So gut zum wendigen und Traktions-starken SF21 passe die Strecke vor den Toren Budapests gar nicht mehr, so Sainz. "Budapest ist mit diesen Autos zuletzt eigentlich eine Medium- bis Highspeed-Strecke geworden" erklärt der Ferrari-Fahrer. In Monaco und Baku gebe es Kurven für den zweiten und dritten Gang. "In Budapest bist du mit diesen Autos mit irre viel Downforce eher im vierten oder fünften Gang", sagt Sainz. "Es ist keine rein langsame Strecke mehr wie in der Vergangenheit."

Zumindest mit einer guten Gelegenheit, klare Nummer drei hinter Mercedes und Red Bull zu sein, rechnen jedoch beide Ferrari-Fahrer - und Hauptrivale McLaren. "Wir wissen, dass es dort eine Herausforderung wird, unsere schärfsten Rivalen in der Konstrukteurswertung zu schlagen", sagt Lando Norris. "Die Herausforderungen des Hungarorings könnten unserem Auto nicht so gut liegen wie andere Strecken auf dem Kalender", ergänzt Teamchef Andreas Seidl. "Aber viel in diesem Kampf um den dritten Platz in diesem Jahr wird davon abhängen, wie gut wir uns auf Strecken schlagen, die uns nicht entgegenkommen." Helfen soll dabei ein neuerliches Upgrade für den MCL35M.

Williams: Russell in Ungarn mit Großchance auf Punkte

Gut entgegen kommen sollte der Hungaroring dagegen Williams. Die Strecke befindet sich in einem Talkessel, ist somit relativ gut von Windböen geschützt. Nicht nur das stimmt das Team mit seinem windanfälligen FW43B optimistisch. "In den letzten Jahren waren wir in Budapest ziemlich stark", erinnert Performance-Chef Dave Robson. 2019 katapultierte George Russell Williams in Ungarn erstmals ins Q2, 2020 zeigte der Brite dort mit P12 ebenfalls seine beste Qualifying-Leistung des Jahres für das britische Team.

Zuletzt steigerten Russell und Williams ihr Niveau an Samstagen noch weiter. In Österreich und Großbritannien war das Paket plötzlich sogar Q3-Material. Im Rennen ging es dann stets nach hinten, auf Punkte wartet Russell somit noch immer. Ungarn bietet nun vielleicht die beste Gelegenheit dazu. Kann Russell die jüngst sensationelle Samstagsform bestätigten, lässt sich diese auf dem überholfeindlicheren Hungaroring besser konservieren als in Österreich und Silverstone.

Das weiß auch Russell. Der Brite jedenfalls brennt auf das Wochenende. "Ich freue mich richtig darauf, nach Ungarn zu fahren. Der Hungaroring ist eine Strecke, die ich liebe, besonders den zweiten Sektor", schwärmt der Williams-Pilot. "Ich werde alles geben, damit wir die erste Saisonhälfte stark beenden, gerade nachdem wir zuletzt schon ein paar starke Rennen haben."

Formel 1 Silly Season: Letzte Empfehlungschancen für Bottas & Co

Beweisen muss Russell zwar nicht mehr viel, dennoch gibt ein potenzieller erster Williams-Punkt in Ungarn womöglich den Ausschlag im Kampf um das zweite Cockpit bei Mercedes für 2022. Generell bietet der Ungarn-GP vielen Fahrern die letzte Gelegenheit, sich noch einmal mit einem letzten Ausrufezeichen für höhere Aufgaben oder nur eine Verlängerung für 2022 zu empfehlen, ehe die Silly Season in der Sommerpause ihren traditionellen Höhepunkt erreichen wird und auch einige Verhandlungen (Mercedes!) geführt werden.

Neben Russell und Bottas sind noch eine ganze Reihe an Fahrer betroffen. Bei Alfa Romeo etwa will Frederic Vasseur unbedingt Resultate von Dauerbrenner Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi sehen. Deren Verträge laufen beide mit Saisonende aus. Ein Kandidat für eine Nachfolge: Bottas, sollte er sein Cockpit bei Mercedes an Russell verlieren. Auch weitere Ferrari-Junioren wie Callum Ilott, zuletzt schon mit Trainingseinsatz, stehen auf der Anwärterliste.

Auch Nicholas Latifi kann eine gute Leistung gut gebrauchen. Der Vertrag des Kanadiers läuft Ende des Jahres aus, dank der neuen Williams-Besitzer von Dorilton Capital ist das Team zumindest nicht mehr zwingend auf die Millionen seines Vaters Michael angewiesen. Alternativen gibt es mehr als genug. Diese reichen von Comebacks von Nico Hülkenberg oder Daniil Kvyat über (neue) Chancen für die aktuellen Mercedes-Reservisten und Formel-E-Fahrer Stoffel Vandoorne oder Nyck de Vries bis hin zum eigenen Nachwuchsmann Dan Ticktum.

Ebenfalls formal noch nicht vom Tisch: Ein potenzieller Schumacher-Wechsel zu Alfa Romeo. Zuletzt sendete Haas jedoch deutlichere Signale, die auf einer Verlängerung deuten. Auch bei Red Bull und AlphaTauri können Empfehlungsschreiben noch helfen. Noch ist Sergio Perez für 2022 zumindest nicht bestätigt. Einem direkten Wechsel wäre ein gewisser Pierre Gasly alles andere als abgeneigt.