Jeder Fahrer für sich, aber speziell das zuletzt teils giftig anmutende Teamduell zwischen Mick Schumacher und Nikita Mazepin halten Haas trotz schwacher Performance des Teams in der Formel-1-Saison 2021 in den Schlagzeilen. Günther Steiner wundert sich ein wenig über das große Interesse der Medien. "Aber das ist gut für uns. Wir waren ja nie verlegen, Coverage zu bekommen", scherzt der Haas-Teamchef. Der ehemalige Titelsponsor Rich Energy und Fahrer wie Kevin Magnussen und Romain Grosjean lieferten in der Vergangenheit Steilvorlagen in Serie.

Genauso ging es im frühen Saisonverlauf 2021 weiter. Auf der einen Seite der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, auf der anderen der Sohn eines russischen Milliardärs - gleichzeitig neuer Titelsponsor des Teams - mit einer Vorgeschichte um einen gewissen Grabsch-Eklat und diverse grenzwertige Vorfälle auf der Strecke in den Nachwuchsformeln. Damit war der Nährboden für große Aufmerksamkeit geschaffen. Warum dann überrascht?

Haas: Wir suchen die Schlagzeilen nicht

"Wir legen es nicht darauf an", erklärt Steiner. "Wir machen da keinen Plan. Das passiert uns einfach. Für unsere Partner ist es aber gut. Klar hätten wir lieber Coverage, weil wir im Meisterschaftskampf sind, aber das geht nicht. Und so ist jede Nachricht eine gute Nachricht. Das nehme ich mit, solange es so ist!"

Einen Preis muss Steiner dafür allerdings zahlen. Wochenende für Wochenende muss sich der Südtiroler Nachfragen zu (angeblichen?) Konflikten zwischen seinen Piloten stellen, die der Haas-Leiter in der Regel für aufgebauscht hält. Insbesondere in der Phase von Monaco über Baku und Frankreich bis Österreich ging es zuletzt heiß her. Erst auf der Strecke, dann auch verbal - zwischen Mazepin und Schumacher.

Mick Schumacher vs. Nikita Mazepin: Was bisher geschah

Ein schneller Abriss: Los ging alles in Monaco. In der engen Loews-Haarnadel überholte Schumacher Mazepin mit einem beherzten Manöver. Der Russe, endlich einmal vor seinem Stallrivalen gewesen, erklärte das für zu beherzt, teamintern zu riskant. In Baku folgte das Gegenteil - und der vorläufige Höhepunkt des Stallduells. Kurz vor der Zielflagge versuchte Schumacher, seinen Teamkollegen noch abzufangen. Der zuckte nach rechts in Richtung Schumacher, worüber der Deutsche sich maßlos ärgerte. "Will er uns umbringen?", tobte Schumacher am Boxenfunk.

In Baku kamen sich Mazepin und Schumacher bedrohlich nahe, Foto: LAT Images
In Baku kamen sich Mazepin und Schumacher bedrohlich nahe, Foto: LAT Images

Was folgte, war eine interne Aussprache. Alles wieder gut, gab Teamchef Steiner zu Protokoll. Auch Mazepin habe sehr erwachsen reagiert. Eine Kampfansage sprach der Russe trotz kleiner Entschuldigung dennoch aus. Prompt folgte in Frankreich gleich der nächste Aufreger. Kurz nach dem Start fuhr Mazepin ein hartes Manöver gegen Schumacher, zwang seinen Teamkollegen in die Auslaufzone. Das war nicht einmal strafwürdig und kein Drama, Schumachers Reaktion schon eher. Zumindest legte sie nahe, dass allzu große Harmonie wohl doch nicht herrschen kann.

Schumacher über Mazepin: Da verstehen wir uns nicht ganz ...

"Das muss nicht sein. Ich glaube, dass ich mit dem Team nochmal darüber reden muss. Im Endeffekt, wenn es so sein soll, dann muss es so sein. Von daher, wir machen unser Ding. Ich glaube, er macht seins", sagte Schumacher am Mikrofon von Sky. Da sei Mazepin ja deutlich gewesen, so Schumacher und räumte ein: "Das ist wohl sein Stil. Auf dem Level verstehen wir uns wohl nicht ganz. Aber im Endeffekt müssen wir dann vielleicht alle unsere Ellenbogen ausfahren."

Kompromisslos: In Frankreich boxte sich Mazepin an Schumacher vorbei, Foto: LAT Images
Kompromisslos: In Frankreich boxte sich Mazepin an Schumacher vorbei, Foto: LAT Images

Mazepin konterte ein Rennwochenende später. "Wenn du austeilst, musst du auch bereit sein, einzustecken. Ich denke, das ist im Leben wichtig", sagte der 22-Jährige vor dem Steiermark-GP. "Wie er gesagt hat: Er wird weiter sein Ding machen und ich werde weiterhin meins machen." Daraufhin kehrte endlich Ruhe ein. In beiden Rennen in Österreich verlief es auf der Strecke ruhig. "Wir hatten intern ein Gespräch", berichtete Schumacher am ersten Spielberg-Wochenende von einer offenbar weiteren Aussprache. Plötzlich lief es auch verbal sehr viel respektvoller. "Der Schnellere war heute vorne", gestand etwa Mazepin nach einer weiteren klaren Niederlage gegen Schumacher im ersten Rennen in Spielberg.

Steiner: Mazepin und Schumacher müssen keine Freunde sein

Einzig vor dem zweiten Wochenende in Österreich platzierte Mazepin dann eine Geschichte, wonach er derzeit in einem älteren und schwereren Chassis fahre als Schumacher - ein kleiner Nachteil. Haas bestätigte die Aussagen, in Kürze erhalte Mazepin ohnehin ein neues Chassis. Das Thema verschwand so schnell, wie es aufgekommen war.

Günther Steiner dürfte all das mit Erleichterung aufgenommen haben. Respekt, so der Teamchef schon zuvor in Frankreich, müsse sollte es nämlich in jedem Fall geben. Freunde sein müssten Schumacher und Mazepin allerdings nicht. "Das ist nicht notwendig", sagte Steiner. "Sie müssen sich nur respektieren. Ich finde bei Teamkollegen muss der Respekt da sein, Freunde müssen sie keine sein." Ganz im Gegenteil. Steiner: "Wenn sie zu gute Freunde werden, ist es auch nicht gut für den Wettbewerb, finde ich immer. Aber Respekt muss da sein - oder sollte da sein."

Günther Steiner: Medien spielen Schumacher vs. Mazepin hoch

Einen großen Mangel will Steiner dort allerdings auch zuvor nie festgestellt haben. Schon der Vorfall in Baku sei aufgebauscht worden. "Ich denke, ihr [die Medien] versucht ein wenig, es künstlich hochzuspielen. Ich denke nicht, dass es so schlimm war. Sowas passiert einfach. Das ist im Rennsport normal", sagte der 56-Jährige. "Aber so ist es eben in der Formel 1. Alles, was kontrovers ist, wird dann auch diskutiert. Aber das wurde größer gemacht als es war."

Wären Mazepin und Schumacher keine Teamkollegen, so glaubt Steiner, wäre aus dem Vorfall längst keine derart große Geschichte gemacht worden. "Gerade scheint alles aufgegriffen zu werden, was zwischen ihnen passiert und größer gemacht zu werden als es ist", ergänzte Steiner - noch vor dem Rennen in Frankreich. Danach konnte er sich bestätigt sehen. Das diesmal weit weniger heikle Manöver Mazepins am Start sorgte wieder für Schlagzeilen - auch wegen der Aussage Schumacher, das Thema intern ansprechen zu wollen.

Schumacher vs. Mazepin: Steiner sieht keine Rachegelüste

"Wenn man sagt ich, ich mache meine eigene Sache, dann sagt das jeder Fahrer", sagte Steiner beim folgenden Grand Prix in Österreich. "Ich sehe die Situation in Frankreich nicht so dramatisch wie ihr sie macht." Er fürchte keine teaminterne Eskalation. Auch Schumacher habe die Szene nach interner Betrachtung doch gutgeheißen. "Wir haben es angesehen. Ich habe mit Mick gesprochen, und er sagt es war hartes Racing, es war nicht unfair", berichtete Steiner.

In Monaco überlistete Schumacher Mazepin in der Haarnadel, Foto: LAT Images
In Monaco überlistete Schumacher Mazepin in der Haarnadel, Foto: LAT Images

Von einer regelrechten Agenda gegen den jeweils anderen, womöglich ausgelöst durch Schumachers Überholmanöver in Monaco, will Steiner nichts wissen. "Wir haben ganz klar über Vergeltung gesprochen. Vergeltung ist aber nicht beteiligt", versicherte der Südtiroler. "Ich denke nicht, dass sie auf Monaco zurückschauen."

Schumacher und Mazepin sollen kämpfen: Sonst kein Ziel

Doch wie hart sollte gegen den eigenen Teamkollegen gefahren werden? In der Formel 1 ist das immer ein Thema, in einigen Teams gelten deshalb klare Verhaltensregeln. Bei Haas, so Steiner, dürfen die Fahrer allerdings immer mit offenem Visier kämpfen. Krachen soll es natürlich nicht, Duelle verbieten will der selbsternannte Lehrer Steiner seinen Zöglingen allerdings nicht.

"Ich muss ihnen nur erklären, dass es nicht konstruktiv ist, wenn etwas passieren würde. Das ist es aber nicht", sagte Steiner. Von Konsequenzen sei man daher sehr weit entfernt. Kämpfen sollen Schumacher und Mazepin unbedingt, so Steiner. "Unser Auto ist zu langsam, um gegen andere zu kämpfen. Da müssen sie sowas machen. So haben sie zumindest ein Ziel. Sonst haben sich gar nichts und fahren nur im Kreis", erklärte der Teamchef. "Das ist nicht stimulierend und bringt nicht das Beste in ihnen zum Vorschein."

Steiner: Formel-1-Fahrer kannst du nicht an die kurze Leine nehmen

An die kurze Leine nehmen könne er Schumacher und Mazepin ohnehin nicht. "Beide sind jung und haben ein Ego. Sie wollen stark aussehen", sagte Steiner. Deshalb könne er nicht garantieren, dass es trotz einer nun gemeinsamen Linie, nicht zu erneuten Szenen komme. "Das sind Rennfahrer. Es gibt wieder Vorfälle geben. Sonst wird es sowieso langweilig. Aber ich hoffe, sie haben jetzt eine Lektion gelernt."

Noch dazu liege es in der Natur der Sache, dass es am Ende des Feldes eher einmal krachen können. "Und wenn ich ihnen sage, dass sie nur hintereinander herfahren sollen, dann wären sie nur noch mehr angepisst. Und ich auch, denn dann macht es gar keinen Sinn mehr, hierher zu kommen", sagte Steiner. "Ich versuche, das so gut wie möglich zu managen, aber ich sage ihnen nicht: 'Bleibt einfach in der Reihenfolge wie im Qualifying und fahrt hintereinander.' Dann lernen sie auch nichts."