Zwei heftige Unfälle wegen Reifenschäden an den Autos von Lance Stroll und Max Verstappen zeichneten den Großen Preis von Aserbaidschan 2021. Der größte Crash des Formel-1-Rennens in Baku hätte sich allerdings fast erst auf den letzten hundert Metern ereignet. Kurz vor dem Zielstrich setzte Mick Schumacher zum Überholmanöver gegen Nikita Mazepin an, der Russe zuckte urplötzlich nach rechts. Nur knapp verhinderte Teamkollege Schumacher den Haas-Crash

"Was verdammt noch einmal war das, mal ehrlich?", entrüstete sich Schumacher am Boxenfunk. "Will er uns umbringen?" Eine Strafe erhielt Mazepin für das Manöver nicht, nicht einmal eine Ermittlung fand statt. "Um ehrlich zu sein, habe ich den Vorfall selbst nicht gesehen", erklärte Rennleiter Michael Masi. "Ich werde mir die Aufzeichnungen nochmal ansehen und mit Haas Nikita sprechen, falls nötig."

Schumacher klagt Mazepin an: Lebensgefährlich, geht gar nicht

Geht es nach namhaften Formel-1-Experten, wird es zu diesem Gespräch kommen. "Dieses Zucken von Mazepin beim Überholmanöver geht gar nicht. Wir reden hier von Geschwindigkeiten von über 300 Kilometern pro Stunde. So was ist lebensgefährlich", poltert Ralf Schumacher in seiner Kolumne für Sky. "Wenn man Rad an Rad fährt, kann man auch schnell mal fliegen gehen. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn 750 Kilogramm ins Fliegen kommen."

Der Onkel von Mick Schumacher fordert deshalb nicht nur ein Gespräch mit Masi, sondern eine Strafe. "Meiner Meinung nach gehört Mazepin dringend bestraft. Er hat zwar zurückgezuckt, aber man muss sich das mal im Auto vorstellen, was da passiert", schreibt Schumacher. "Mazepin ist außerhalb des Cockpits ein toller junger Mann. Wenn man sich mit ihm unterhält, ist er extrem höflich. Aber im Rennen, das fängt schon beim Überrunden an, wo er oft im Weg ist, da hat er dringend Nachholbedarf."

Schumacher sieht Rennleitung in Verantwortung: Klare Strafe

Rennleiter Masi adressiert der sechsmalige Grand-Prix-Sieger deshalb sogar direkt. Schumacher: "Ich weiß nicht, ob die Rennleitung da nicht mal genauer hinsehen müsste - auch bei diesem Vorfall. Ich finde das gefährlich und inakzeptabel. Für mich ist das eine klare Strafe. So etwas darf keine Schule machen, dieses Zucken bei 350 Kilometern pro Stunde. Das geht gar nicht."

Zustimmen würde da sicherlich auch Formel-1-Routinier Kimi Räikkönen. Helfen gegen 'dumme Sachen auf den Geraden' würden nur harte Sanktionen. "Wir wissen alle, dass wir bis zu einem bestimmten Punkt damit davonkommen. Mit einer Ermahnung. Aber eine Ermahnung spielt für uns keine Rolle. Wen juckt's?", sagte der Finne im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com vor dem Aserbaidschan-GP. "Wenn wir strikter wären und wirklich echte Strafen geben würden, dann würden die Leute sofort aufhören. [...] Ermahnungen funktionieren in diesem Sport nicht." Das ganze Interview lesen Sie in unserer kommenden Printausgabe (MSM Nr. 79).

Norbert Haug über Mazepin-Manöver: Ganz klar eine Strafe

Für Norbert Haug sagt die Reaktion Schumachers am Boxenfunk genug. "Der Mick ist ein ganz balancierter Kamerad, wenn der mal laut wird, dann hat er Grund dazu", analysierte der ehemalige Mercedes-Motorsportchef in der Analyse des Aserbaidschan-GP bei Sky. "Und hier sollte er sehr, sehr laut werden und auf den Tisch hauen im Debriefing. Hoffentlich hat er es gemacht."

In der Verantwortung sieht Haug neben der Rennleitung auch die Teamführung Haas'. "Ich hoffe und denke auch, dass der Günther Steiner keine Zweifel offenlässt, wie zukünftig gefahren wird. Innerhalb des Teams zweimal nicht, aber generell geht sowas nicht bei diesen Tempi. Das ist bestrafenswürdig für mich. Absolut, ganz klar", sagte Haug.

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Günther Steiner sprach von Missverständnis

Teamchef Steiner bezeichnete den Vorfall nach dem Rennen in Baku als Missverständnis. "Da war eine Situation auf der Geraden, die wurde gelöst, und wir haben die Wogen geglättet. Da gab es ein Missverständnis, aber wir sind alle okay und schauen nach vorne", sagte der Südtiroler.

Mazepin steht für sein Manöver in Aserbaidschan nicht zum ersten Mal in der Kritik. Diverse Fahrfehler zu Beginn der Saison warfen bereits Fragen auf, ob wegen mangelnder Fahrzeugbeherrschung ein Entzug der Superlizenz möglich sei. "Ich weiß es nicht" winkte Rennleiter Michael Masi ab und verwies auf das Strafpunkte-System in der Formel 1. Bei Erreichen von zwölf Strafpunkten werden Formel-1-Fahrer für das folgende Rennen gesperrt. Dieser Fall traf allerdings noch nie ein. Mazepin hat bislang zwei Strafpunkte gesammelt.