Haas-Rookie Nikita Mazepin schien in Bahrain und Imola mit der Formel 1 überfordert. Die Fehlerquote des Russen war an beiden Rennwochenenden enorm. Sein Team stärkt dem 22-jährigen Teamkollegen von Mick Schumacher angesichts der sich häufenden Misserfolge tapfer den Rücken. Doch wie lange lassen sich die regelmäßigen Dreher und Unfälle Mazepins auf die Lernphase eines Neulings schieben? FIA-Rennleiter Michael Masi könnte sich unter Umständen mit der Frage eines Lizenzentzuges auseinandersetzen müssen.

"Jeder schaut auf dich und der kleinste Fehler hat große Konsequenzen", so Mazepin nach Imola im Gespräch mit dem russischen Sportsender Match TV. Nicht nur seine Abflüge schadeten zuletzt seiner Reputation. In den Qualifyings drängelte er sich jeweils vor und verärgerte damit seine Rivalen. In Imola schimpfte Alfa-Romeo-Pilot Antonio Giovinazzi über den Paydriver aus Moskau.

"Das Niveau des Umgangs hat mich in den letzten Wochen überrascht", so Mazepin. Einen Grund, sich für die fehlende Rücksicht auf seine Gegner im Q1 zu entschuldigen, findet er allerdings nicht: "Wir haben alle ein Team, das uns Anweisungen gibt, die wir befolgen müssen. Ich habe mich an die Befehle gehalten, aber es gibt ein paar unausgesprochene Gesetze. Es ist unangenehm, dass das passiert ist, aber hier kämpft jeder Mann nur für sich."

Steiner erkennt Mazepins schwierige Lage

In der Öffentlichkeit hatte Mazepin schon lange vor seinem ersten Start in der Formel 1 einen schweren Stand. Ein Skandal um ein prekäres Instagram-Video brachte ihn Ende 2020 in die Negativschlagzeilen. Seine Fehler auf der Rennstrecke werden in den sozialen Medien mit jeder Menge Spott und Häme quittiert.

Die Etikette zu wahren, wird für ihn in den kommenden Rennen wohl die kleinste Herausforderung darstellen. Das Auto am Limit zu beherrschen und die Fehler abzustellen wird hingegen ein härteres Stück Arbeit. Teamchef Günther Steiner ist sich dessen bewusst. "Irgendwann müssen sie [Fahrfehler] verringert werden", so der Südtiroler, der den wachsenden Druck auf seinen Fahrer nicht ignoriert.

"Er ist natürlich der Prügelknabe, alle prügeln auf ihn ein und das macht es für ihn hart", so Steiner, der hofft, dass die harten Lektionen sich positiv auf Mazepins Entwicklung auswirken: "Lernen ist schmerzhaft, aber der Schmerz gehört dazu und wird hoffentlich an einem Punkt aufhören. Am Ende wird er gestärkt daraus hervorgehen. Er muss nur den Kopf hoch halten, sich auf das nächste Rennen konzentrieren und weitermachen."

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Mazepin von Mercedes-Tests verwöhnt

Die Vorbereitung auf das nächste Rennen wird dem Rookie von seinem Arbeitgeber allerdings auch nicht allzu einfach gemacht. Bei Haas stehen Mazepin nicht die Möglichkeiten zum Training zur Verfügung, auf welche die anderen Fahrer zurückgreifen können. "Wir haben bei uns im Team keinen Simulator. Ich muss also meinen Simulator benutzen, wie ihn die meisten professionellen Fahrer zuhause haben", erklärt der Russe.

Durch mehrere private Tests mit Formel-1-Autos von Mercedes sowie einem offiziellen Young Driver Test für die Weltmeister im Jahr 2019, lernte er bereits höhere Maßstäbe kennen "Er ist letztes Jahr Mercedes gefahren. Ich denke, er hat etwas gelernt, aber er muss auch lernen, dass unser Auto nicht so gut wie ein Mercedes ist", so Steiner.

Er ist voller Zuversicht, dass die Umstellung auch ohne Simulator gelingen wird: "Wir haben das ganze Jahr, um zu lernen. Hoffentlich haben wir das Jahr nicht nur für Dreher." Sollte sich keine Besserung einstellen, könnte es für Mazepin im schlimmsten Fall das Aus seiner F1-Laufbahn bedeuten.

Mazepins Superlizenz in Gefahr?

Im Jahr 2006 ließ das Honda-Kundenteam mit Yuji Ide einen Fahrer debütieren, welcher dem Niveau in der Formel 1 nicht gewachsen war. Der Japaner war regelmäßig bis zu vier Sekunden langsamer als Teamkollege Takuma Sato. Da zu diesem Zeitpunkt keine 107-Prozent-Regel galt, welche die im Qualifying zu langsamen Fahrer von der Rennteilnahme ausschloss, ging Ide bei vier Grands Prix an den Start.

Die auffallende Häufigkeit seiner Fahrfehler wurde von den Offiziellen allenfalls registriert, jedoch gab sie kein Anlass für Sanktionen. Erst nachdem Ide in der Startrunde des San Marino GP mit einem unkontrollierten Manöver den Spyker-Fahrer Christijan Albers zum Überschlag brachte, zog die FIA die Notbremse und entzog dem 31-Jährigen seine Superlizenz.

Sollte Mazepins fehlende Fahrzeugbeherrschung sich als Risikofaktor erweisen, hätten die Offiziellen in Ide einen Präzedenzfall, um einem Wackelkandidaten die Teilnahme zu untersagen. "Ich weiß es nicht", so Masi, der sich zu dieser härtesten aller Sanktionen noch keine Gedanken gemacht haben will. Stattdessen verweist er auf eine andere Handhabe der Formel 1.

"Was das angeht, haben wir innerhalb des sportlichen Regelwerks der Formel 1 eine Struktur in Form der Strafpunkte", so der Australier. Dementsprechend müsste Mazepin erst einmal das Maximum von zwölf Strafpunkten erreichen, um dann für ein Rennen temporär gesperrt zu werden.