Irrer erster Red-Bull-Sieg für Sergio Perez in einem dramatischen Aserbaidschan-GP 2021 der Formel 1: Vier Runden vor Rennende deutete alles auf einen souveränen Doppelsieg der Bullen mit Max Verstappen und Sergio Perez vor Lewis Hamilton und einen Big Point im WM-Kampf gegen Mercedes hin, dann crashte der führende Verstappen wie aus dem Nichts durch einen Reifenschaden in die Barriere eingangs der langen Start-Ziel-Geraden und schied aus. Das Rennen wurde unterbrochen und stehend neugestartet.

In einem kurzen Schlussspurt nach dem neuen Start bewahrte Perez die Ruhe, Hamilton nicht. Der Weltmeister leistete sich am Start einen kapitalen Verbremser, fuhr tief in die Auslaufzone der ersten Kurve und wurde auf den letzten Platz durchgereicht. So gewann Perez sensationell vor Sebastian Vettel und Pierre Gasly, der sich in einem wilden Finish vor Charles Leclerc und Lando Norris behauptete.

Sebastian Vettel in Baku von P11 auf's Podium

Vettel katapultierte seinen Aston Martin vom elften Startplatz bis auf P2 nach vorne. Vettel profitierte dabei nicht nur von Verstappens Unfall und Hamiltons Fehler, sondern auch von einem starken Start, einer guten Strategie und zwei beherzten Manövern kurz nach einem fliegenden Re-Start zur Halbzeit des Rennens gegen Charles Leclerc und Gasly.

Ausgelöst hatte die vorherige erste Safety-Car-Phase des Rennens Vettels Teamkollege Lance Stroll. Der Kanadier war kurz vor der Boxeneinfahrt, genau wie später Verstappen, durch einen Reifenplatzer in die Barriere gekracht.

Polesitter Leclerc wird durchgereicht

Polesitter Leclerc hatte nie eine Chance. Der Ferrari wurde früh im Rennen durchgereicht. Teamkollege Carlos Sainz beraubte sich durch einen Verbremser in den Notausgang von Kurve acht aller Chancen.

Durch den Unfall Verstappens und den Fehler Hamiltons vergab der Niederländer einen Big Point im WM-Kampf gegen Hamilton, nicht aber Red Bull gegen Mercedes: Valtteri Bottas blieb nach einem schwachen Auftritt ebenfalls punktlos. So machten die Bullen allein dank Perez dennoch einen großen Schritt von 25 Punkten. Der Punkt für die schnellste Rennrunde wurde nicht vergeben, weil Verstappen diese erzielt hatte.

Die Punkteränge: Hinter Perez, Vettel und Gasly komplettierten Leclerc, Norris, Alonso, Tsunoda, Sainz, Ricciardo und Räikkönen mit seinem ersten WM-Punkt des Jahres die Top-10.

Das Wetter: Der Aserbaidschan-GP ging bei etwas kühleren Bedingungen über die Bühne als das bisherige Wochenende. Die Außentemperatur betrug zwar noch immer 24 Grad Celsius, allerdings sorgte ein bewölkter Himmel für geringere Asphalttemperaturen von nur noch rund 40 Grad Celsius - etwa zehn weniger als am Freitag und Samstag.

Formel 1, WM-Stand 2021

Der WM-Stand: Nullnummern für beide Titelrivalen bringen in der Fahrerwertung plötzlich Perez heran. Der Mexikaner springt durch seinen Sieg mit nun 69 Punkten auf P3 hinter Verstappen (105) und Hamilton (101). Es folgen Norris mit 66 und Leclerc mit 52 Punkten. Bottas fällt mit 47 Zählern auf Rang sechs zurück.

Bei den Konstrukteuren setzt sich Red Bull um 25 Punkte von Mercedes ab und liegt jetzt mit 174:148 Zählern vorne. Ferrari überholt mit nun 94 Punkten McLaren (92). AlphaTauri geht an Aston Martin vorbei (39:37).

Leclerc gewinnt den Start, Perez großer Gewinner

Die Startphase: Die Top-10 mussten geschlossen auf Soft starten. Max Verstappen durfte einen anderen Satz fahren, als er im Q2 eingesetzt hatte. Auf diesem Satz waren Farbrückstände festgestellt worden. Außerhalb der Top-10 entschieden sich Räikkönen, Russell und Latifi für Medium, Stroll für Hard, der Rest für Soft.

Am Start kamen die Top-4 allesamt gut weg, keine Verschiebungen. Dahinter krallte sich Perez bis zur dritten Kurve erst Sainz, dann Gasly. Wichtig: Keine Unfälle, auch nicht im Verfolgerfeld. Vettel katapultierte sich um zwei Plätze nach vorne auf P9, Norris wurde auf P12 durchgereicht. Ganz hinten erwischte Giovinazzi einen Raketenstart, der Italiener fuhr vor bis auf P15, direkt hinter Alfa-Kollege Räikkönen. Bei der Rückkehr auf die lange Start/Ziel behauptete sich Leclerc trotz Windschattens souverän vor Hamilton.

Der Start in Baku, Foto: LAT Images
Der Start in Baku, Foto: LAT Images

Hamilton eiskalt: Leclerc nach zwei Runden stehengelassen

Der frühe Rennverlauf: Schon bei der zweiten Rückkehr auf die lange Gerade schlug Hamilton dann zu. Der Weltmeister saugte sich im Windschatten an Leclerc heran und zog leicht, noch vor der Ziellinie, auf der rechten Seite vorbei am Ferrari. Jetzt war Verstappen gefordert, auch er musste jetzt schnell an Leclerc vorbei. Weit hinten kamen Giovinazzi und Russell bereits zu ihren ersten Stopps - auf Hard. In Runde vier kam Ocon mit einem Defekt an die Box - Ausfall. Leistungsverlust hatte der Franzose am Funk gemeldet.

Verstappen tat sich schwer, Druck auf Leclerc auszuüben. Im Gegenteil: Eher war es Leclerc, der Hamilton im Getriebe hing. Keine zwei Sekunden trennten die Top-3 in den ersten Rennrunden, auch Perez hielt den Anschluss. Am Ende von Runde sechs war es dann so weit: Angriff Verstappen! Ebenfalls ganz knapp vor dem Zielstrich flog der Niederländer dank Windschatten und DRS vorbei an Leclerc - anders als Hamilton auf der rechten Seite. Sofort war auch Perez dran - und eine Runde später vorbei. Eine Kopie des Verstappen-Manövers. Keine Chance für den Ferrari.

Leclerc war chancenlos gegen Hamilton, Foto: LAT Images
Leclerc war chancenlos gegen Hamilton, Foto: LAT Images

Enge Top-6, Leclerc eröffnet Boxenstopps an der Spitze

Im Mittelfeld kamen Alonso und Norris zu frühen Reifenwechseln von Soft auf Hard. Vorne pendelten sich alle Gaps knapp über eine Sekunde ein - keine DRS-Hilfen also. Auch Gasly und Sainz blieben dran. Die Top-6 lagen nach neun Runden nur neun Sekunden auseinander.

Die Boxenstopp-Phase: Am Ende von Runde neun kam Leclerc als erster Fahrer aus der Spitzengruppe zum Reifenwechsel auf Hard - ein guter Stopp. Etwas weiter hinten tat es ihm Tsunoda gleich. Einen Umlauf später reagierte auch Sainz, ebenfalls für Hard.

Mercedes patzt: Langsamer Hamilton-Stopp, beide Red Bull vorbei!

Vorne begann Hamilton zu diesem Zeitpunkt die Klagen über Reifen und Balance, passend dazu arbeitete sich Verstappen auf unter eine Sekunde heran (R11), weiter hinten bremste Norris Alonso im Kampf um P13 in Kurve eins aus. Dann ein Patzer von Sainz - in Kurve acht im Notausgang, der Ferrari-Pilot wurde bis auf P15 durchgereicht.

Durch einen langsamen Stopp fiel Hamiton auch hinter Perez, Foto: LAT Images
Durch einen langsamen Stopp fiel Hamiton auch hinter Perez, Foto: LAT Images

Am Ende der elften Runde dann Drama bei Mercedes! Doppelstopp für Hamilton und Bottas, doch schon bei Hamilton lief es nicht. Mehr als vier Sekunden stand der Weltmeister. Red Bull reagierte sofort mit Verstappen, ebenfalls harte Reifen bei einem gewohnt schnellen Stopp - das reichte locker, um vor dem Mercedes zu bleiben! Aus einer Sekunde Rückstand waren 3,5 Sekunden Vorsprung geworden. "Warum ist der so weit vor mir?", klagte Hamilton.

Vettel sammelt Führungskilometer

Dann kam es noch härter - Perez kam im nächsten Umlauf - und blieb trotz eines ebenfalls langsamen Stopps von mehr als vier Sekunden und der zu diesem Zeitpunkt schnellsten Rennrunde von Hamilton vor dem Mercedes. Doppelführung für Red Bull! Zumindest virtuell. Vettel führte, musste aber noch zum Stopp. Genauso Teamkollege Stroll - alle anderen waren inzwischen drin.

Der weitere Rennverlauf: Hamilton war chancenlos, einmal nur kam er Perez nahe, dann pendelte sich der Abstand zum Red Bull zunächst bei einer Sekunde ein. Die DRS-Gefahr blieb allerdings präsent. Im Mittelfeld war mehr Action geboten. In Runde 15 kassierte Ricciardo Alonso. Norris hatte Bottas bei den Stopps überholt, der Finne lag so noch immer nur auf P10.

Sebastian Vettel lieferte in Baku ein starkes Rennen, Foto: LAT Images
Sebastian Vettel lieferte in Baku ein starkes Rennen, Foto: LAT Images

In Runde 18 bog schließlich auch Vettel in die Boxengasse gab, um sich harte Reifen zu holen. Jetzt fuhr nur noch Stroll auf seinen Startreifen. Der Kanadier, jetzt Vierter, war allerdings schon auf dem Hard gestartet. Vettel kam hinter Leclerc zurück auf die Strecke, hatte also einen Platz gegen Tsunoda gewonnen. AlphaTauri hatte allerdings auch Grund zur Freude: Bei den Stopps war Gasly vor Leclerc geschlüpft.

Red Bull schüttelt Hamilton ab

Vorne blieb es auch in Runde 20 wie gehabt. Verstappen drei Sekunden vor Perez, Hamilton immer kurz vor oder im DRS-Fenster. "Er fliegt auf den Geraden", funkte Perez. Mercedes hatte den W12 am Samstag radikal auf Low-Downforce getrimmt. "Es ist unmöglich, ihm im Mittelsektor zu folgen", kam es derweil von Hamilton. Die Kehrseite des Konzepts.

In Runde 23 dann ein bisschen Wiedergutmachung für Sainz. Der Spanier überholte in Kurve vier Giovinazzi - immerhin P13. Ganz hinten drehte sich Mazepin in Kurve fünf und fiel noch weiter hinter Schumacher zurück. Mehr als 20 Sekunden hatte der Deutsche seinem Teamkollegen schon abgenommen, jetzt waren es 36. Vorne verlor jetzt auch Hamilton an Boden, zur Rennmitte (25/26R) lag der Brite 2,7 Sekunden hinter Perez. In Runde 27 kassierte Sainz auch Alonso. Bis zum letzten Punkt war es allerdings noch ein weiter Weg - 17 Sekunden auf Bottas.

Stroll crasht durch Reifenplatzer: Safety Car!

Safety Car in Runde 31: Lance Stroll war auf seinen alten Hards eingangs der Vollgaspassage heftig und scheinbar ohne Not gecrasht. Der Kanadier selbst klärte direkt am Boxenfunk auf: Plattfuß auf der Hinterachse! So war der AMR21 unkontrollierbar und bog nach links in die Leitschiene ab. Der Aston Martin strandete so nah am Boxeneingang, dass die Rennleitung die Boxengasse sperrte. Strategische Reifenwechsel waren so unmöglich. Zügig gab es Entwarnung: Stroll war mit dem Schrecken davongekommen.

Lance Stroll crashte durch einen Reifenplatzer bei 300 Sachen, Foto: LAT Images
Lance Stroll crashte durch einen Reifenplatzer bei 300 Sachen, Foto: LAT Images

Nach drei Runden hinter dem Safety Car öffnete die Boxengasse wieder ihre Pforten. Das nutzten Alonso, Giovinazzi, Russell, Mazepin und Schumacher zum Reifenwechsel. Alonso und die Haas holten Soft, Russell frische Hards. Dann Drama bei Schumacher, der nach dem Service in der Boxengasse stehen blieb. Das Rad vorne links war nicht fest, die Mechaniker schoben ihn zurück und zogen die Mutter fest. Vor Mazepin blieb er dennoch.

Sebastian Vettel gewinnt am Re-Start: P4!

Der Re-Start: Vorne hielten die Red Bull souverän die Spitze, dahinter schob sich Vettel in Kurve eins innen an Ex-Kollege Leclerc vorbei. Beinahe wäre in Kurve zwei auch noch etwas gegen Gasly gegangen, doch Vettel steckte zurück. Das änderte er eine Runde später. Auf Start-Ziel flog der Deutsche vorbei - Platz vier! Weiter hinten katapultierte sich Sainz auf P9 in die Top-10. Bottas verlor drastisch an Boden. Nur noch P13.

Die Schlussphase: Die letzten 15 Runden begannen mit einem aggressiven Hamilton, der sich Ende der Geraden in Runde 39 fast schon neben Perez setzte. Der Mexikaner fand eine Runde später seinen Speed wieder, Angriff abgewehrt. Gefährlich dicht dran blieb Hamilton allerdings weiter. Vorne setzte sich Verstappen vier Sekunden ab. Ganz weit hinten wurde Bottas noch weiter durchgereicht. Selbst die Alfa Romeos von Räikkönen und Giovinazzi schlüpften durch.

Verstappen crasht aus Führung: Nächster Reifenschaden!

Dann der Schock für Verstappen: In Runde 45 krachte auch der Niederländer eingangs der langen Gerade in die Barriere, anders als Stroll auf die rechte Seite. Das Aus aller Hoffnungen. Das Ende eines Big Points. Wieder Safety Car! Der Fall schien exakt wie bei Stroll: Reifenschaden hinten links! "Es ist der gleiche Reifen wie bei Stroll, es sieht aus als wären die Reifen am Ende gewesen", sagte Christian Horner am Kommandostand. Auch Verstappen überstand den Unfall ohne Blessuren, wutentbrannt trat der Niederländer gegen seinen Hinterreifen. Perez erbte die Führung von seinem Teamkollegen, Hamilton war Zweiter, Vettel sensationell auf Podestkurs.

Erstmals brachte Pirelli 2021 die drei weichsten Reifenmischungen mit nach Aserbaidschan. Die Italiener passten nach den Freien Trainings am Freitag die Reifendrücke an der Hinterachse an. Der Mindestdruck stieg von 19,0 auf 20,0 PSI, nachdem die tatsächlichen Kräfte die Simulationen überstiegen hatten.

Weder bei Stroll, noch bei Verstappen hatte sich der Reifenschaden zuvor angekündigt. Pirelli rechnete vor dem Rennen mit einer längeren Lebensdauer des harten Reifens. Bis zu 40 Runden sollten auf dem C3 Reifen problemlos möglich sein.

Verstappen kickt aus Frust gegen seinen Hinterreifen, Foto: LAT Images
Verstappen kickt aus Frust gegen seinen Hinterreifen, Foto: LAT Images

Das Safety Car fuhr wegen der Trümmer auf der Geraden zunächst durch die Boxengasse, die verpasste Latifi. Die Stewards verpassten dem Kanadier eine zehn Sekunden Stop&Go-Strafe. Dann folgte nach 48 Runden eine Rennunterbrechung per roter Flagge. Red Bull hatte bei Rennleiter Michael Masi darum gebeten. Man habe keinerlei Vorwarnung in den Daten erhalten, deshalb solle man durch eine rote Flagge allen Teams die Möglichkeit geben, ihre Reifen zu überprüfen. Dem kam die FIA nach. Noch zwei Runden im Renntempo waren danach zu fahren.

Stehender Re-Start: Hamilton verbremst sich kapital

40 Minuten nach dem Crash ging es weiter - mit einem stehenden Start vor den letzten beiden Rennrunden. Alle Fahrer fuhren wegen der kurzen Distanz auf Softs, Räikkönen, Giovinazzi und Latifi sogar auf frischen. Nach der Aufwärmrunde rollte Russell langsam in die Box. Die Boxeneinfahrt wurde gesperrt. Den Start gewann zunächst Hamilton, doch der Brite verbremste sich in Kurve eins kapital. Und wurde auf den letzten Platz durchgereicht!

Hamilton verbremst sich, Perez ist safe, Foto: LAT Images
Hamilton verbremst sich, Perez ist safe, Foto: LAT Images

Perez führte jetzt klar vor Vettel, Gasly und Leclerc. Dann Norris, Alonso, Tsunoda, Sainz, Ricciardo und Räikkönen. Lecelrc überholte in der vorletzten Runde Gasly, der konterte auf Start-Ziel. Auf der letzten Runde gesellte sich auch Norris zu dem wilden Kampf dazu. Vorne war aber alles klar. Perez gewann zum ersten Mal für Red Bull, Vettel holte mit P2 sein erstes Podium für Aston Martin. Dann Gasly, Leclerc, Norris, Alonso, Tsunoda, Sainz, Ricciardo; Räikkönen.

Aserbaidschan-GP: Die Top-Facts des Rennens

  • Drama um Max Verstappen: Später Reifenschaden, Crash, Sieg weg
  • Sergio Perez erbt ersten Red-Bull-Sieg
  • Hamilton verbremst sich bei stehendem Restart kapital: Letzter!
  • Sebastian Vettel fährt von P11 auf's Podium
  • Mercedes verpatzt Stopp nach Hamilton-Führung, beide Red Bull durch
  • Auch Bottas nach schwachem Rennen ohne Punkte
  • Leclerc von Pole durchgereicht, Sainz nach Fahrfehler
  • Stroll übersteht heftigen Crash nach Plattfuß
  • Schumacher hängt Mazepin ab
Formel 1: Vettel schlägt zurück: Wie gelang die Baku-Sensation? (32:06 Min.)