Seit zwei Wochen führen Max Verstappen und Red Bull beide Formel-1-Weltmeisterschaften an. Der Herausforderer ist nicht mehr der Außenseiter. Am Freitag zum Aserbaidschan GP in Baku fühlte sich die österreichische Mannschaft in der Rolle des Gejagten pudelwohl: Am Vormittag fuhr Max Verstappen Bestzeit, am Nachmittag war es Teamkollege Sergio Perez, der die Zeitenliste anführte.

"Wir hatten nach Monaco sehr gute Analysen und dadurch hatte ich heute das Gefühl, das Auto besser zu verstehen und zu wissen, wie ich es fahren muss", freut sich der Tagesschnellste Perez, der geradezu ins Schwärmen gerät: "Das war wahrscheinlich der beste Freitag der Saison für mich."

Auch ein kleines Problem mit seinem Helm konnte den Mexikaner dabei nicht aus der Ruhe bringen. Ihm blies der Wind durchs Visier, weshalb er auf einen Ersatzhelm zurückgreifen musste. Obwohl Verstappen nur eine Zehntelsekunde langsamer war, fällt bei ihm das Fazit weniger positiv aus: "Im 1. Training hat sich das Auto ziemlich ordentlich angefühlt, aber im 2. Training haben wir ein paar Änderungen vorgenommen, aber die haben nicht funktioniert."

Dem WM-Führenden fehlte nach den Umbauarbeiten zwischen den Sessions Grip auf der Vorderachse. "Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht", fluchte er noch am Funk. Schon in Monaco schlug Red Bull beim Setup zwischen FP1 und FP2 die falsche Richtung ein. Ein Rückbau schaffte Abhilfe. "Wir müssen aber nicht zurückbauen, wir müssen etwas mehr in die Richtung von Checo gehen", meint Dr. Helmut Marko in Baku.

Red Bull: Keine Angst vor Heckflügel-Protest

Überschattet wird die starke Bullen-Form derzeit von den Diskussionen rund um biegsame Heckflügel. Mercedes wirft Red Bull seit dem Spanien GP vor, zu flexible Heckflügel einzusetzen. Die FIA reagierte mit einer Technischen Direktive - die allerdings erst ab dem GP von Frankreich in Kraft tritt.

Nach Beschwerden von Mercedes und McLaren über die späte Einführung der Direktive legte die FIA in Baku zumindest geringfügig nach: Die Teams müssen Sticker auf ihren Heckflügeln anbringen, wodurch die Verbiegung durch die TV-Kameras besser eingefangen werden soll.

Weil Red Bull für Baku einen neuen Heckflügel brachte, lag der Verdacht nahe, dass die Bullen in Aserbaidschan sicherheitshalber schon mit einem verstärkten Exemplar ausrückten. "Nein, das ist ein Strecken-spezifischer Flügel", stellt Dr. Marko klar und fügt an: "Der wurde abgenommen und entspricht den Richtlinien der FIA."

Mercedes-Protest? Dann Kettenreaktion

Der Grazer kann die Diskussionen rund um den Bullen-Flügel nicht mehr hören: "Die Biegung des Flügels ist im gleichen Bereich wie bei Mercedes." Angst vor einem Protest hat er nicht: "Nein. Wenn einer kommt, dann löst das eine Kettenreaktion aus."

Was der Doktor damit meint, ist klar: Einerseits ist Red Bull nicht das einzige Team, das die noch geltenden Regeln exzessiv ausnutzt. Andererseits hat man in Milton Keynes schon für den Fall der Fälle einen Gegenschlag ausgearbeitet: Dort geht man nämlich davon aus, dass sich Mercedes' Frontflügel im Übermaß verbiegt. "Wenn es einen Protest gibt, dann wird es massenwiese Proteste geben", so Marko.

Womöglich hängt die Gemengelage auch von der Konkurrenzfähigkeit der einzelnen Teams ab. Mercedes erlebte in Baku einen desaströsen Freitag. Lewis Hamilton beendete das 2. Training auf Rang 11, Valtteri Bottas landete gar nur auf Rang 16. Bei Red Bull glaubt man trotzdem nicht an einen Durchmarsch. "Im Longrun waren sie wieder schneller", erklärt Dr. Marko. "Sie hatten in den engen Kurven Probleme, aber wir gehen davon aus, dass sie das bis morgen gelöst haben."