1. - S wie Startaufstellung

Farblich beginnt die Startaufstellung beim Großen Preis der Emilia Romagna 2020 wie bei den meisten Formel-1-Rennen der bisherigen Saison 2020: Auch in Imola starteten heute (Start 13.10 Uhr, live auf RTL und Sky) zwei schwarze Mercedes aus der ersten Reihe, gefolgt von einem blauen Bullen. Mit Valtteri Bottas vor Lewis Hamilton fällt die Reihung allerdings eher ungewöhnlich aus. Erst zum vierten Mal schob der Finne beim 13. Qualifying des Jahres die Nasenspitze leicht vor den Briten.

Max Verstappen unterdessen fuhr diesmal ohne Freilos auf P3. Im Qualifying plagte den Niederländer eine defekte Zündkerze. Mit nur eine Chance versuchte es Verstappen im Q2 dennoch mit Medium und rettete sich ins Q3. Mit einem Run zum Einschießen weniger fehlte letztlich deutlich mehr als zuletzt auf Mercedes - eine stramme halbe Sekunde. Sensationell geht es in der Startaufstellung neben Verstappen weiter: Ex-Teamkollege Pierre Gasly erzielte mit P4 sein bestes Karriere-Ergebnis.

Aus Reihe drei starten Daniel Ricciardo im Renault und Alexander Albon im zweiten Red Bull. Charles Leclerc im Ferrari, Daniil Kvyat im zweiten AlphaTauri und die McLaren von Lando Norris und Carlos Saiz komplettieren die Top-10. Als erster Fahrer mit freier Reifenwahl startet Sergio Perez von Platz elf. Sebastian Vettel nimmt das Rennen vom 14. Startplatz aus in Angriff.

2. - S wie Start

Mit Valtteri Bottas auf der Pole Position erscheint der Blick auf den Start ganz besonders interessant. Immerhin hatte der Finne zu Saisonbeginn auf den ersten Metern schon mehrfach gepatzt. Auch bei seiner letzten Pole, auf dem Nürburgring, erwischte Bottas nicht den besten Launch aus der Startbox, kämpfte sich beim Eifel GP zumindest im ersten Kurvenkomplex zurück an die Spitze.

In Imola muss der Start nun dringend sitzen. Nicht nur - wie üblich - wegen der immer schmaleren WM-Chancen des Finnen, sondern auch der Aussichten für das Rennen selbst. In Imola erwartet das Gros der Fahrer kaum Möglichkeiten, nach dem Start Überholmanöver zu lancieren. „Die erste Runde wird zählen, die ersten 300 bis 400 Meter müssen wir gut hinbekommen“, sagt Daniel Ricciardo [vgl. 5. - S wie Staugefahr]. „Morgen erwartet uns ein guter Kampf“, sagte auch Bottas nach dem Qualifying über den Start.

„Der Weg bis zur ersten Kurve ist einer der längsten des gesamten Jahres [410 Meter bis zum ersten Bremspunkt] und Lewis sowie Max werden mich ganz sicher jagen. Aber ich habe einen guten Startplatz und hoffentlich ist meine Pace morgen ebenfalls gut“, ergänzte Bottas. Mit Blick auf die Reifen verfügt der Mercedes-Pilot über die gleichen Waffen wie seine beiden Jäger. Die Top-3 starteten geschlossen auf Medium, der Rest der Top-10 auf Soft.

Ungemach droht allerdings von der Strecke. Die Pole befindet sich in Imola nicht auf der Idealline. Bottas ist sich dessen allerdings bewusst und gewarnt. "Sicher ist es vielleicht nicht so sauber wie an anderen Stellen, und außerdem gibt es ein paar unterschiedliche Asphaltstellen. Aber wir werden sehen“, sagte der 15-malige Polesetter.

Formel 1 verurteilt Track Limits in Imola: Töten das Racing! (13:56 Min.)

3. - S wie Strategie

Nach dem Start erscheint die Strategie als beste Möglichkeit, in Imola an der Konkurrenz vorbei zu gelangen, etwa via Undercut. Eine extreme Variante - gleich einen Stopp mehr - hält Pirelli aus Performance-Sicht der Reifen für langsamer. Wer es versuchen will, möge zwei Stints Soft mit jeweils 18 Runden fahren und mit 27 Runden Medium die 63 Umläufe im Autodromo Enzo e Dino Ferrari finalisieren.

Schneller sei allerdings ein Stopp, idealerweise mit 33 bis 35 Runden auf Medium- und 28 bis 30 auf Soft-Reifen. Die Reihenfolge sei dabei egal. Die Verwendung des harten Reifen hält Pirelli auch für möglich. 24 bis 27 Runden Soft, dann auf dem Hard ins Ziel sei nur unwesentlich langsamer. Noch eine Ecke langsamer, aber noch besser als zwei Stopps: kein Soft, stattdessen 26 bis 35 Runden Medium, dann auf Hard ins Ziel.

Formel 1 Imola 2020: Strategie-Vorhersage

  • Schnellste Strategie: Einstopp mit Soft (28-30 Runden) und Medium (33-35 Runden)
  • 2. schnellste Strategie: Einstopp mit Soft (24-27 Runden) und Hard (36-39 Runden)
  • 3. schnellste Strategie: Einstopp mit Medium (26-35 Runden) und Hard (28-37 Runden)
  • Deutlich langsamer: Zweistopp mit Soft (18 Runden), Medium (27 Runden) und Soft (18 Runden)

Die weiten Spannen der empfohlenen Runden deuten bei alldem schon an: Wirklich gut weiß niemand, wie genau die Reifen sich im Longrun verhalten werden. Dafür war das einzige Training am Samstagmorgen dann doch nicht lang genug. „Die Teams konnten den größten Teil der nötigen Reifendaten sammeln, aber es liegen noch immer deutlich weniger Daten vor als an einem gewöhnlichen Wochenende“, sagt Pirelli-Sportchef Mario Isola. „Deshalb bleiben Fragezeichen hinter der Strategie stehen, besonders, weil auch die Strecke sich permanent weiterentwickelt.“

4. - S wie Sommerwetter

Immerhin der Faktor Wetter schießt bei diesen Unbekannten nicht auch noch quer. Am Sonntag erwarten die Meteorologen für den Emilia Romagna Grand Prix genauso schönes Wetter wie am Vortag. Mit 18 Grad Celsius Spitze bei nur leichter Bewölkung soll es nur marginal kühler werden. Der Wind frischt von praktisch nicht existenten drei km/h auf deren acht nur unwesentlich auf. Die Regenwahrscheinlichkeit tendiert gegen Null.

5. - S wie Staugefahr

Imola begeistert die Formel-1-Fahrer - abgesehen von den Track Limits. „Diese Strecke ist unglaublich, unfassbar wie schnell diese Strecke ist“, jubelte etwa Lewis Hamilton gleich nach dem ersten und einzigen Training am Samstagmorgen. Doch schwante dem Weltmeister schon da Böses. Hamilton: „Auf eine Runde unglaublich, aber wohl keine großartige Rennstrecke. So schnell, sehr eng, da wird es sehr schwierig zu überholen.“

Deshalb könne er für die Fans nur hoffen, dass es kein langweiliges Rennen werde. „Wir haben zwar eine lange Gerade, aber die Strecke ist sehr schmal und es ist kaum Platz zum Überholen. Es wird eine Challenge anderen Fahrern mit DRS zu folgen und dann vorbeizukommen“, fürchtet Hamilton. „Ich wäre echt überrascht, wenn es ein großartiges Rennen zum Anschauen wird. Sobald du bei Kurve zwei bist, kannst du nicht mehr hinterherfahren. Ich hoffe, ich liege falsch ...“

Selbst Daniel Ricciardo, bekannt als besonders beherzter Überholer, bestätigt das. „Ich denke es wird knifflig, hier zu überholen. Es ist ziemlich schnell und auch sehr eng. Das heißt auch, dass das folgende Auto kaum eine andere Linie wählen kann, um saubere Luft zu bekommen“, erklärt der Australier. „Das macht die Herausforderung noch größer. Ich will nicht zu pessimistisch sein, aber ich wäre überrascht, wenn es so wird wie Portimao. So viele Überholmanöver werden wir nicht sehen.“

6. - S wie Septett

Zweiter Matchball für Mercedes. Nach der unwahrscheinlichen ersten Chance in Portugal zeichnet sich in Imola diesmal der siebte WM-Titel in der Konstrukteurswertung in Folge deutlich ab. Mit 435 Punkten gegenüber 226 für Red Bull spricht die Ausgangslage vor dem Rennen bereits eine deutliche Sprache. 209 Zähler Unterschied! Bei noch vier anstehenden Rennen benötigt Mercedes nach dem Rennen einen Vorsprung von 176 Punkten, um sich vorzeitig zum Champion zu krönen.

Red Bull muss also aufholen - und zwar kräftig, mindestens 34 Punkte. Das entspricht der Ausbeute für Platz zwei, Platz drei und der schnellsten Rennrunde. Vorausgesetzt, Mercedes leistet sich einen Doppelausfall. Andersherum: Holt Mercedes mindestens elf Punkte (z.B. für P5 und die schnellste Runde), ist es egal, wie gut Red Bull abschneidet, um den Titel noch verhindern zu können.

7. - S wie Sieger

Ähnlich wie bei den Strategien verhält es mit dem Blick auf die Longruns. Durch nur ein Training, noch dazu an einem noch etwas kühleren Vormittag, liegt nur wenig Material für Prognosen und Vergleiche vor. Zumal die Teams ihre Longruns am Samstagmorgen nicht einmal im Gleichschritt fuhren. Während die einen erst den Medium, dann den Hard versuchten, verfuhren andere antizyklisch.

„Mit Blick auf morgen sind wir nicht ganz sicher, wie unsere Pace im Vergleich zu jener von Red Bull aussehen wird“, sagt deshalb Mercedes’ leitender Ingenieur an der Strecke, Andrew Shovlin. Auf dem Papier steht dennoch keine Überraschung. Beim einzigen direkten Vergleich - dem Soft - hatte Mercedes die Nase vorne. Oder besser gesagt Lewis Hamilton. Bottas fuhr nur den drittschnellsten, allerdings auch längeren, Longrun als Verstappen und sein Teamkollege.

Weit auseinander ging die Schere allerdings nicht. Shovlin: „Sie schienen auf den Longruns ungefähr gleichauf zu sein, aber das werden wir im ersten Stint herausfinden - dann werden wir sehen, ob wir einen Vorsprung herausfahren können.“ Die Konkurrenz gibt sich angriffslustig: „In Sachen Speed sind wir morgen in einer guten Position“, sagt Verstappen. Die Selbstüberzeugung trübt einzig das Streckenlayout. Verstappen: „Überholen wird sicher nicht leicht.“

Immerhin steht der Niederländer diesmal nicht unbedingt ganz allein da. Teamkollege Alex Albon liegt mit Startplatz sechs nicht allzu weit zurück, könnte mit einem guten Start Schützenhilfe leisten. „Alex startet außerdem auf einem anderen Reifen als Max [Soft]“, sagt Teamchef Christian Horner. „Deshalb haben wir unterschiedliche Strategien, was wir hoffentlich zu unserem Vorteil nutzen können.“

Hamilton jedenfalls ist gewarnt: „Max war sehr stark auf seinen Rennversuchen heute Vormittag. Er kann uns also gefährlich werden“, sagt der Weltmeister. Tatsächlich blickt Hamilton fast mehr nach hinten als nach vorne. Der Brite fürchtet, im engen und schnellen Imola keinen Weg an Bottas vorbei zu finden. „Du kannst hier nicht hinterherfahren“, erklärt Hamilton "Es ist vielleicht sogar ein bisschen so wie Monaco", ergänzt der Brite zur Bedeutung der Pole Bottas’.

Alles in die Waagschale werfen darf Hamilton allerdings auch teamintern. Angesichts der so gut wie entschiedenen WM (vgl. 6. - S wie Septett] gewährt Toto Wolff ein vollständig geöffnetes Visier. "Wir werden unseren Fahrern sagen, dass sie alles geben und hart gegeneinander kämpfen sollen - alles weitere wissen sie selbst und wir freuen uns darauf zu sehen, wie es ausgehen wird", sagt der Mercedes-Motorsportchef.