Startplatz drei mit knapp vier Zehntelsekunden Rückstand waren für Red Bull und Max Verstappen schon eine kleine Enttäuschung. Dabei waren die Bullen in der Formel-1-Saison 2020 noch nie so nah dran an Mercedes wie im Qualifying zum Toskana GP in Mugello.

Doch bis zum Qualifying verlief das Wochenende für Red Bull noch vielversprechender. Verstappen fehlten meist nur wenige Tausendstel auf die schwarzen Silberpfeile. Erst in der Qualifikation ging die Lücke deutlicher auf - und das, obwohl der Party-Mode seit Monza verboten ist.

Trotzdem verspricht der erste - und vermutlich auch letzte - Toskana GP der Formel-1-Geschichte Spannung. Mit Lewis Hamilton geht jener Mercedes-Fahrer von Pole aus ins Rennen, der eigentlich das gesamte Wochenende über langsamer war. Valtteri Bottas dominierte in Mugello bis zum Qualifying. Und Red Bulls Stunde schlägt bekanntlich ohnehin erst im Rennen.

Formel 1 Mugello: Fahrer machen Hoffnung auf Überhol-Action

Auf dem Papier spricht das Streckenlayout von Mugello mit seinen vielen schnellen Kurven gegen ein Rennspektakel. Und trotzdem scheint Überholen nicht unmöglich zu sein. Die Rennen der Formel 2 und der Formel 3 haben es gezeigt.

"Einige Kurven hier sind sehr lang und du kannst unterschiedliche Linien wählen", erklärt Lewis Hamilton. Vor allem die weiten 180-Grad Kurven erlauben Unterschiede, die Überhöhung der Strecke nach außen hilft dabei. Verstappen stimmt zu: "Überholen wird nicht einfach, aber die letzten paar Kurven sind breit und erlauben unterschiedliche Linien."

Auch wenn Verstappen im Qualifying wieder die entscheidenden Zehntel fehlten, im letzten Sektor war er - wie schon das ganze Wochenende über - der absolute schnellste Pilot. "Dort geht es bis auf zwei Kurven nur geradeaus", versucht er zu relativieren.

Fürs Rennen sind das aber gute Nachrichten: Im letzten Sektor gilt es, dran zu bleiben. Die einzige realistische Überholmöglichkeit ist Kurve eins. "Ich hoffe aber, dass in den anderen Sektoren dran bleiben kann, das wird der Schlüssel fürs Überholen", so Verstappen.

Topspeed-starker Verstappen bedroht Mercedes-Spitze

Ein Ass im Ärmel hat der Niederländer: "Wir fahren mit etwas weniger Flügel als die anderen Autos. Das gibt mir auch den Vorteil im letzten Sektor. Wir haben einen ziemlich guten Speed auf den Geraden. Wir konnten das Auto um dieses Abtriebslevel herum stabilisieren."

In der absoluten Topspeedwertung hat zwar Lewis Hamilton die Nase vorne, der Mercedes-Pilot muss dabei aber Windschatten gehabt haben. Bottas war fast 10 Stundenkilometer langsamer als sein Teamkollege. Zwischen die 313,2 km/h von Verstappen und die 313,1 km/h von Bottas passt kein Blatt. Das sind gute Nachrichten: Normalerweise liegt Red Bull beim Topspeed deutlich hinter Mercedes. Mit Windschatten und DRS könnte das - den richtigen Rennspeed vorausgesetzt - tatsächlich etwas werden.

Start-Sprint wird bei der Formel 1 in Mugello entscheidend

Die erste große Chance gibt es aber schon am Start. Der Sprint von Pole bis Kurve eins ist einer der längsten der gesamten Saison. "Der Windschatten-Effekt wird dabei sehr groß", hofft Bottas. Der Finne hoffe darauf aber auch schon in Barcelona, Spa und Monza. Zweimal verlor er am Start Positionen, in Spa konnte er auf der langen Kemmel-Geraden immerhin Platz zwei behaupten.

Der Sprint zu Kurve eins ist aber so entscheidend, dass sich selbst die Top-3 im zweiten Qualifikationsabschnitt für die Soft-Reifen entschieden. "Ich wollte eigentlich Medium, der wäre bei der Pace besser", verriet Hamilton. "Aber damit verlierst du am Start so viel, das sind auch durch die starke Steigung gleich mehrere Meter. Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen."

Reifenstrategie verspricht in Mugello Spannung

Der Start auf Soft macht das Rennen strategisch interessanter. Pirellis Kalkulation legt eigentlich eine Zweistopp-Strategie nahe. Dabei sollen die Piloten zweimal 19 Runden auf Soft absolvieren und 21 Runden auf Medium.

Bei zwei Stopps besteht allerdings das Risiko von Verkehr. Weil sich Alexander Albon im zweiten Red Bull auf Rang vier qualifizieren konnte, könnte er Verstappen helfen, indem er die Mercedes-Piloten nach einem Stopp aufhält.

Eine Einstopp-Strategie scheint auch möglich. Allerdings warnt Pirelli, dass der Verschleiß dabei kritisch werden könnte. Aufgrund der hohen Kräfte in Mugello befürchtet manch einer ein zweiten Silverstone. Toto Wolff wehrt aber ab: "Nein, davor haben wir keine Angst."

Longruns Soft-Reifen

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Hamilton1221:22.569
Verstappen1041:22.788
Bottas1121:22.944
Vettel1151:23.381 *
Latifi1141:23.476 *
Ocon1371:23.564
Gasly1231:23.778
Albon1551:23.792
Sainz2081:23.809
Ricciardo16111:23.876
Perez18121:23.981
Räikkönen1591:24.019
Stroll19131:24.174
Giovinazzi18111:24.325
Kvyat1551:24.531
Russell18111:24.729
Magnussen1551:25.554

*: Vettel und Latifi fuhren die Reifen antizyklisch im zweiten Stint.

Longruns Medium-Reifen

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Stroll1781:22.525
Verstappen1481:22.638
Bottas1681:22.688
Perez1581:22.725
Albon1221:23.126
Ocon1581:23.375
Kvyat1791:23.603
Giovinazzi1671:23.911
Latifi1951:24.800
Vettel25141:25.136 *

*: Vettel fuhr die Reifen antizyklisch im ersten Stint.

Longruns Hard-Reifen

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Hamilton1661:22.755
Ricciardo16111:23.067
Gasly1771:23.448
Räikkönen2291:24.042
Russell1461:24.339
Magnussen1671:24.975

Trotzdem gibt sich der Mercedes Teamchef vorsichtig: "Das wird ein bisschen eine Fahrt ins Ungewisse. Generell mit ein oder zwei Stopps. Es gibt keine Daten zu Mugello, weil wir hier nie gefahren sind. Die Longruns, die wir gestern gemacht haben, waren sechs oder sieben Runden, davon kann man auch nicht wirklich etwas ableiten, mit unterschiedlichen Levels unter den Fahrern, deswegen wird es morgen sehr spannend. Weil ich glaube, Improvisation und Flexibilität wird wichtig sein, um im Rennen clever zu sein."

Durch zwei rote Flaggen am Freitag fielen die Longruns kürzer als gewohnt aus. Trotzdem hatte Mercedes die Nase etwas vorne. Zumindest Hamilton lag knapp vor Verstappen, Bottas leicht dahinter.

Nach zwei schwierigen Rennen in Spa und Monza ist Red Bull in Mugello zurück. Auch wenn das Qualifying zunächst deutlich wirkt, so nah waren die Bullen das gesamte Jahr noch nicht. Der Sonntag muss zeigen, ob Mercedes durch die neuen Regelungen bei den Motormodi nun auch im Rennen einen klaren Vorteil hat. Bei alten Verhältnissen hätte der Toskana GP alle Zutaten für ein spannendes Rennen, obwohl die Strecke auf den ersten Blick nicht zum Überholen einlädt.