Ferrari befindet sich 2020 in einem massiven Formtief. Schwacher Motor plus schwaches Auto ergeben seit dem Saisonstart schwache Ergebnisse, und auf der Power-Strecke von Spa-Francorchamps multiplizierten sich die Probleme. Konsequent stürzte das Team ab und hatte nicht einmal eine realistische Chance auf Punkte.

Das Desaster wird aller Voraussicht nach am nächsten Wochenende beim Heimrennen in Monza weitergehen, denn dort sind wieder Motorleistung und aerodynamische Effizienz gefragt. Das Team will trotzdem lieber nicht von einer Krise sprechen. Wenngleich Teamchef Mattia Binotto gesteht, dass die Entscheidung über seinen Fortbestand als Teamchef in anderer Leute Händen liegt.

Ferrari: Probleme gehen tiefer als nur Motor

Was vom desaströsen Spa-Auftritt von Ferrari vor allem übrigbleibt, ist die Erkenntnis: Da läuft einiges schief. Allein am vielgescholtenen Motor, der seit der Regelklarstellung der FIA vor einigen Monaten nicht mehr läuft, liegt es nicht. "Du verlierst keine 1,3 Sekunden pro Runde von einem Jahr aufs andere nur in dieser Metrik", meint etwa Ross Brawn in seiner F1-Kolummne nach dem Rennen.

Ferraris Versuch, fehlende Leistung mit einem extremen Low-Downforce-Paket auszugleichen, endete in Spa in einem Desaster. Die Fahrer bekamen die Reifen nicht und nicht ins Arbeitsfenster, und die Probleme summierten sich bis zu dem Punkt, an dem die Top-10 völlig außer Reichweite waren.

Binotto: Teamchef-Entscheidung in anderen Händen

Ist die Situation also noch schlimmer als angenommen? In Ferraris Medienrunde nach dem Rennen, bei der auch Motorsport-Magazin.com anwesend war, verteilte Binotto die Schuld zuerst einmal gleichmäßig: "Das ganze Team ist verantwortlich, auch ich als Teamchef."

Ob er der richtige Mann sei, um Ferrari wieder umzudrehen, wurde er dann gefragt. "Bin ich der richtige Mann? Das liegt nicht an mir zu beantworten." Die Ferrari-Führung sei da gefragt. Die sprach ihm vor einigen Wochen noch das Vertrauen aus. Auch wurde die Technik-Abteilung bereits umstrukturiert, eine neue "Performance-Abteilung" wurde geschaffen.

Binotto ist inzwischen formell nicht mehr gleichzeitig der Technische Direktor, selbst wenn kein Nachfolger benannt wurde. Die Verantwortungen wurden nach der Übergangsphase auf das Personal verteilt. In Binottos Augen das richtige Vorgehen. Die Doppelrolle sei für einen reibungslosen Übergang nötig gewesen.

Er glaubt daran, dass er und Ferrari den richtigen Weg einschlagen: "Wenn man sich die Teams auf der Siegerstraße ansieht, dann dauert es immer viele Jahre, um dort hinzukommen. Es gibt keine Allheilmittel in der F1. Geduld und Stabilität spielen eine Rolle."

Binotto wehrt sich gegen Krise - Formtief wird bleiben

Also will er nichts von einer Krise wissen, als ihn 'Sky Italia' später danach fragt: "Krise? Nein, das stimmt nicht. Es war sicher ein sehr schlechtes Ergebnis in einer sehr schwierigen Saison. Aber das erwarteten wir seit den Wintertests, mit Covid, und den neuen Regeln zur Autoentwicklung."

Ferrari fuhr in Spa auf den Geraden nur hinterher, Foto: LAT Images
Ferrari fuhr in Spa auf den Geraden nur hinterher, Foto: LAT Images

Stattdessen spricht Binotto lieber davon, dass Ferrari sich "mitten im Sturm" befinde - aber ohne interne Spannungen, höchstens mit Frust: "Aber ich glaube, diese Frustration muss in Entschlossenheit umgewandelt werden."

Für das Ferrari-Comeback plant er bereits in Jahren: "Der Motor ist für das Jahr eingefroren, also können wir da nichts machen. Wir entwickeln für nächste Saison, und machen auf dem Dyno momentan gute Fortschritte. Beim Auto gibt es auch Einschränkungen."

"Der zentrale Plan ist, uns auf die nächsten Jahre zu konzentrieren - nicht nur 2021, sondern sicher auch 2022", schreibt Binotto 2020 effektiv ab. Jedoch mit einer Einschränkung: "Um nächstes Jahr gut abzuliefern müssen wir auch versuchen, die Schwächen von heute zu verstehen und sicherstellen, dass wir uns um sie kümmern." Mit ihm an der Spitze? "Ich werde mein Bestes versuchen."