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Der Großbritannien GP 2020 war eine Schlaftablette. Zumindest bis drei Runden vor Rennende, als in jeder Runde ein Reifen an einem anderen Auto kaputt ging. Valtteri Bottas machte den Auftakt, es folgten Carlos Sainz und Lewis Hamilton. Bei allen drei Piloten hatte sich der linke Vorderreifen verabschiedet.
Pirelli hat nun die erste Analyse der Reifenschäden abgeschlossen. Das Ergebnis: Hoher Verschleiß in Verbindung mit extremen Kräften führten zum Drama in den Schlussrunden bei Mercedes und McLaren. Durch den hohen Verschleiß wurde die Konstruktion nicht mehr ausreichend geschützt, weshalb sie schlussendlich versagte.
Die zweite Safety-Car-Phase animierte fast das gesamte Fahrerfeld zu einem frühen Boxenstopp. Die meisten Piloten kamen in den Runden 12 und 13 zu ihrem einzigen Reifenwechsel. Die harte Mischung sollte für sie bis zum Rennende in Runde 52 halten.
Pirelli hatte für eine Einstopp-Strategie aber eigentlich frühestens Runde 18 für den Wechsel vorhergesehen. Durch den frühen Stopp mussten die Pneus fast 40 Runden unter Volllast halten. Offenbar zu viel für den linken Vorderreifen.
Durch sechs Runden lange Safety-Car-Phase wurden die Pneus zwar zunächst geschont, allerdings verloren die Reifen dadurch Temperatur und folglich auch Druck. Die niedrigeren Luftdrücke zu Beginn des Stints waren für die Konstruktion eine zusätzliche Herausforderung.
Silverstone ist bekannt für die extremen lateralen Kräfte. In den Highspeed-Abschnitten wird das schwarze Gold auf eine enorme Probe gestellt. Die Formel-1-Autos der Generation 2020 sind die schwersten und schnellsten der Geschichte. Die Pole-Zeit von Lewis Hamilton war noch einmal mehr als eine Sekunde schneller als der bisherige Streckenrekord.
Weil sich Hamilton auch noch das gesamte Rennen mit Teamkollege Bottas abmühen musste, gab es keine Verschnaufpause. Hamilton und Bottas fuhren den gesamten GP über nahe am Limit. Für Carlos Sainz weiter hinten im Feld gilt das genauso. Der McLaren-Pilot befand sich im Kampf mit Teamkollege Lando Norris und Daniel Ricciardo.
Weil der Reifenhersteller schon im Vorfeld von extremen Belastungen ausgegangen war, entwickelte Pirelli für 2020 eine neue, stabilere Konstruktion. Die Teams lehnten den neuen Reifen aber ab und entschieden sich dafür, auch in der aktuellen Saison das für 2019 entwickelte Produkt einzusetzen. Möglicherweise hätte er den Belastungen standgehalten.
Trümmerteile nicht schuld an Reifenschäden
Interessant: Auf Karbonteile geht Pirelli in der ersten Analyse gar nicht ein. Bislang ging die Formel-1-Welt davon aus, dass der hohe Verschleiß in Verbindung mit Trümmerteilen von Kimi Räikkönens Frontflügel zu den Schäden führte. Red Bull will nach dem Rennen sogar 50 kleine Einschnitte an den Reifen von Max Verstappen gezählt haben.
Übermäßige Sorgen macht sich Pirelli aber ob der Analyseergebnisse trotzdem nicht. Schon am kommenden Wochenende steht erneut ein Rennen in Silverstone auf dem Plan. Für das zweite Rennen haben die Italiener sogar weichere Reifenmischungen im Gepäck.
Das wiederum könnte dafür sorgen, dass Verschleiß ein geringeres Problem ist, denn eine Zweistopp-Strategie ergibt sich daraus fast von selbst. Außerdem hat Pirelli die Startdrücke angepasst: Die Vorderreifen müssen nun auf mindestens 27,0 PSI aufgepumpt werden, die Hinterreifen auf 22,0 PSI.
Als Folge der Reifenschäden wurde auch ein für das 2. Freie Training angedachter Reifentest abgesagt. Pirelli kann in der Saison 2020 Experimentalreifen zum Grand-Prix-Wochenende mitbringen. Diese müssen nach einem vorgegeben Plan in den ersten 30 Minuten des 2. Freien Trainings verpflichtend getestet werden. Auf diesen Test verzichtet Pirelli nun, weil man den Teams mehr Zeit für Longruns geben will. Die Experimentalreifen werden stattdessen in Barcelona getestet.
Unfall von Daniil Kvyat wird noch analysiert
Auch den Unfall von Daniil Kvyat schaut sich Pirelli genauer an. Der Russe hatte die zweite Safety-Car-Phase mit einem heftigen Abflug ausgelöst. Videoaufnahmen zeigen, dass womöglich Probleme an der rechten Hinterachse zum Kontrollverlust führten. Ob es tatsächlich ein Reifenschaden war, ist unklar.
"Wenn, dann war es wahrscheinlich ein schleichender Plattfuß", mutmaßt Pirellis Mario Isola. Weil der Reifen beim Unfall komplett zerstört wurde, reichten die Analysemethoden an der Strecke nicht. Pirelli bringt die Überreste ins Labor nach Mailand. "Ich bin zuversichtlich, dass wir den Grund dort herausfinden können", glaubt der Italiener.
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