Stehen wir vor einer Formel-1-Saison der Rekorde? Geht es nach Renault-Neuzugang Esteban Ocon, lautet die Antwort auf dieser Frage ganz klar ja. Dem Franzosen geht es dabei allerdings nicht um die oft bemühte Jagd Lewis Hamiltons auf die letzten Bestmarken Michael Schumachers, sondern um Strecken- und Rundenrekorde.

„Ich bin in manchen Kurven noch nie so schnell gefahren, es fühlt sich gut an. Aufregend. Es wird schneller und schneller. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr all diese Rundenrekorde brechen werden“, sagt Ocon am ersten Tag der Formel-1-Testfahrten 2020 auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya nach seinem ersten Einsatz am Vormittag voller Euphorie.

Formel 1 2020 schon viel schneller als im Vorjahr

Umso erstaunlicher, bedenkt man, dass der Franzose im Vorjahr noch für den Weltmeister testete. Der neue Renault R.S.20 habe dem W10 allerdings schon jetzt etwas voraus, so Ocon. „Der Grip-Level, der dieses Jahr schon vorhanden ist ...“, staunt der Renault-Fahrer. „Wenn du nur die schnellste Rundenzeit bisher ansiehst, dann wir jetzt schon schneller als im letzten Jahr die schnellste Runde des ganzen ersten Tages war.“

Tatsächlich. Im Vorjahr fuhr Sebastian Vettel die erste Tagesbestzeit in Barcelona mit einer 1:18.161 Minuten, Ocon diesen Mittwochvormittag eine 1:18.004. Mit einer 1:17.313 war der Schnellster der Vormittags-Session, Valtteri Bottas im Mercedes, noch einmal ein gutes Eck fixer.

Stabile Regeln als Hauptgrund

Liegt das tatsächlich an den Boliden? Oder doch eher den Bedingungen? „Ich denke nicht, dass es die Strecke ist“, winkt Ocon ab. „Ich bin am Montag ja schon den Filmtag hier gefahren. Da war es auch schon beeindruckend. Es sind die neuen Autos“, betont der Fünftschnellste des ersten Test-Morgens.

Sonderlich überraschend kommt das nicht. Immerhin steckt in den neuen Autos im Vergleich zum Vorjahres-Zeitpunkt durch die stabilen Regeln nicht nur die Entwicklung des Winters, sondern auch die der gesamten vergangenen Saison. „Die Autos entwickeln sich Jahr für Jahr. Es ist schwer zu vergleichen. Aber die Menge von Grip, die ich heute gefühlt habe, habe ich zuvor so noch nie gespürt“, sagt Ocon.

Ocon strahlt nach erstem Renault-Outing

Renault-spezifisch sei der erste Einsatz ebenfalls positiv gelaufen, so Ocon nach 62 Runden im R.S.20. „Wir haben unser Programm ohne Probleme erledigt. Das Auto fühlt sich für den Anfang sehr gut an. Es ist eine gute Geburt! Es ist vorhersehbar. Das ist eine ordentliche Grundlage", sagt Ocon.

Das sei keine Selbstverständlichkeit: „Manchmal steigst du in ein Auto und denkst ‚oh, da ist ein Problem, das wir jetzt den ganzen Winter lösen müssen’. Aber so etwas gibt es gerade nicht. Es fühlt sich ziemlich gesund an.“

Fehler verboten, trotzdem Vollgas

Kann sich das ändern, wenn es mehr in Richtung Limit geht? Ocon winkt ab. Trotz der 2020 von acht auf sechs Tage reduzierten Testzeit sei er nicht weniger Risiko eingegangen. „Ich habe er versucht, ein erstes Gefühl zu bekommen“, berichtet Ocon. „Es stimmt nicht, dass ich noch nicht versucht hätte, alles herauszuholen“, so der Renault-Fahrer auf eine entsprechende Nachfrage.

Die schwarze Lackierung dient bei Renault nur für die Testfahrten, Foto: LAT Images
Die schwarze Lackierung dient bei Renault nur für die Testfahrten, Foto: LAT Images

„Ich versuche ja auch, meinen Rost abzuschütteln. Es ist ja schon eine Weile her, seit ich ein Auto wirklich ordentlich gefahren bin“, scherzt Ocon. „Also mit jemandem als Referenz direkt neben mir [Ricciardo]. Ich versuche, zurück auf Speed zu kommen. Da ist es eben wichtig, gute Rundenzeiten zu fahren, um in der Lage zu sein, überhaupt zu fühlen, wie sich das Auto in Race-Condition verhält.“

Weniger Raum für Defekte - oder eben Fahrfehler - gebe es durch nur noch sechs Tage natürlich, so Ocon. Doch ändere das nichts an seiner Herangehensweise. „Du musst das Auto noch immer pushen. Wir hatten da ein gutes Gespräch mit Cyril [Abiteboul, Teamchef] und Alain [Prost; Renault-Berater]“, berichtet Ocon.

„Es ist wichtig, das Auto zu pushen, damit du die richtige Referenz für dich selbst und auch ordentliche Daten bekommst. Da kannst du keine Kompromisse eingehen. Nur so kannst du das Auto verbessern. Du musst pushen, als würde es mehr Zeit geben. Hoffentlich passieren keine Fehler!“