Die Formel 1 hat 2020 weder die Präsentationen noch die Testfahrten über die Bühne gebracht, doch das Säbelrasseln zwischen den Favoriten nimmt bereits Fahrt auf. Max Verstappen gibt sich wenige Wochen nach seiner Vertragsverlängerung mit Red Bull angriffslustig. Für Weltmeister Lewis Hamilton hat der Herausforderer aus den Niederlanden schon fünf Wochen vor dem ersten Rennen in Australien die erste Spitze parat.

Hamilton kann diese Saison durch den siebten WM-Titel mit Rekordweltmeister Michael Schumacher gleichziehen. Doch der Nimbus des vermeintlich unbesiegbaren Mercedes-Stars lässt Verstappen kalt. "Vielleicht hat er Gott an seiner Seite, aber er ist nicht Gott", kann sich der 22-Jährige bei einem Event von Red Bull einen kleinen Seitenhieb gegen Hamilton nicht verkneifen.

Der Brite gibt sich gerne betont religiös, sprach bei seinem Sieg 2018 in Hockenheim von der Anwesenheit Jesu und einem biblischen Sturm. Dass ihn sein Glaube seit Jahren unbesiegbar macht, sieht Verstappen allerdings nicht. Er hat keinen Zweifel daran, den amtierenden Champion 2020 von der dritten Titelverteidigung in Folge abhalten zu können.

Verstappen: Hamilton verwundbar wenn gefordert

"Ich denke, es ist möglich. Gegen Ende der letzten Saison waren wir besonders konkurrenzfähig und Lewis ist nicht Gott. Er ist verwundbar, wenn er kontinuierlich gefordert wird", ist der achtmalige Grand-Prix-Sieger überzeugt. Etwas, das er zusammen mit Red Bull erreichen will. "Wir wollen insbesondere gegen Mercedes kämpfen und ich denke, das können wir."

Anfang Januar verlängerte er seinen Vertrag mit den Österreichern um drei weitere Jahre und wird damit bis einschließlich 2023 weiter für seine Förderer der ersten Stunde an den Start gehen. Der Trend spricht zumindest auf Seiten des Fahrers für einen bevorstehenden WM-Kampf. 2019 zeigte Verstappen als WM-Dritter seine bis dato beste Saison in der Königsklasse.

"Ich fühle mich gut und bereit. Das ist das Wichtigste. Ich denke nicht darüber nach, was meine Vorteile gegenüber Lewis sein könnten. Ich konzentriere mich nur auf mich und vertraue auf mich selbst", sagt der in mittlerweile 102 Grands Prix gereifte Teamleader Red Bulls.

Marko im Interview: Vettel-Rückkehr? Verstappen Weltmeister? (53:54 Min.)

Verstappen will Hamilton vom ersten Rennen an unter Druck setzen

Doch auch er weiß, dass ein Verstappen in Bestform nicht reichen wird, um Hamilton zu stoppen: "Natürlich hängt es in der Formel 1 vom Auto ab und Lewis ist ein großartiger Fahrer." Der RB16, den Red Bull am 12. Februar der Öffentlichkeit präsentiert, soll das Team erstmals seit 2013 wieder WM-fähig machen. "Ich freue mich wirklich darauf. Alle sind voller Energie und sehr motiviert", so Verstappen.

Das Team erhofft sich im zweiten Jahr mit Motorenpartner Honda den letzten großen Schritt. "Sie haben mehr Performance und Leistung gebracht. Sie kommen jetzt sehr nah an Mercedes heran", sagt Teamchef Christian Horner. "Es liegt jetzt an uns, das richtige Chassis auf die Beine zu stellen. Aber dieses Jahr fühlen wir uns besser vorbereitet und wir sind früher dran als in den letzten fünf Jahren."

Verstappen hat seinen Schlachtplan gegen Hamilton bereits ausgearbeitet. Er will den Weltmeister von Anfang an ins Schwitzen bringen. "Wenn wir zu Beginn auf zwei Zehntel dran sind, können wir Druck machen", sagt er. "Ich weiß, dass wir über uns hinauswachsen, wenn wir als Team alles zusammenbringen, so wie wir es letzte Saison unter Druck geschafft haben. Ich freue mich auf den Kampf und darauf, dass es sehr eng wird und wir besser sein können."

Dr. Helmut Marko baut auf Verstappens Reife

2018 wollte Verstappen schon einmal vom Saisonauftakt an um jeden Preis ein Wörtchen um die WM mitreden. Der Schuss ging für ihn jedoch nach hinten los, als er den nicht konkurrenzfähigen Red Bull mit Gewalt an die Spitze peitschen wollte. In den ersten sechs Saisonrennen überfuhr er das Auto permanent, was zu einer Reihe von Fahrfehlern und Kollisionen führte.

"Das was am meisten störend war, war diese Ungeduld in ihm. Er wollte zu viel und zu viel auf einmal", so Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com. "Das wissen wir ja, dass es da ein paar Situationen gab, die auf die Jugend und die Unerfahrenheit zurückzuführen waren. Aber da ist er gereift und die Saison 2019 war brillant mit dem nicht so konkurrenzfähigen Auto."

Im vergangenen Jahr zeigte Verstappen bis auf wenige Ausnahmen eine makellose Performance. Lediglich außerhalb des Cockpits ließ er sich aus der Reserve locken, als er in Mexiko großspurig einräumte, die gelben Flaggen im Qualifying bewusst ignoriert zu haben, um auf Pole Position zu fahren. Außerdem bezichtigte er Ferrari des Betrugs. Etwas, das dem geläuterten Verstappen in diesem Jahr nicht mehr passieren soll.

"Für eine WM muss man sich da zurückhalten und das sieht er auch ein", beteuert Marko. "Ich glaube, er hat daraus gelernt." Dass Red Bulls Nummer eins in Zukunft zu glattgebügelt daherkommen könne, fürchtet er aber nicht: "Er hat noch genug Ecken und Kanten, das passt schon noch."