Max Verstappens letzte gezeitete Runde im Qualifying zum Mexiko GP 2019 der Formel 1 erhitzte nach dem Zeittraining die Gemüter. Einmal, weil irgendwie alle im Media Center eine Ermittlung erwartete, die FIA allerdings erst eineinhalb Stunden nach dem Vorfall eine Untersuchung ankündigte.

Dann, weil das Meinungsbild, auch im Netz, eine klare Tendenz hergab: Es muss doch eine Strafe sein wenn ein Fahrer derart - unter Gelb - an einer Unfallstelle vorbeikachelt. Und nicht zuletzt, weil Verstappen sich in der Pressekonferenz auch noch völlig uneinsichtig zeigte. Er sei nicht vom Gas gegeben, habe die Situation einschätzen können und für sicher befunden, so der Niederländer.

Villeneuve: Verstappen nicht clever, hatte Pole sowieso

Die Strafe setzte es letztlich dennoch. Drei Startplätze Strafe, zwei Strafpunkte. Jacques Villeneuve, inzwischen bekannt als Chefkritiker der Formel 1, wird es freuen. Den Kanadier bringt der Vorfall auf allen Ebenen auf die Palme als Motorsport-Magazin.com in Mexiko mit Villeneuve die einzelnen Punkte durchdekliniert.

"Die Regeln sind schwierig. Du sollst da lupfen. Es hat sich auch über die Jahre geändert. Es gibt jetzt diese Mikrosektoren. Also ist es keine Frage, die schnellste Rundenzeit zu setzen oder nicht. Die Frage ist: Hast du gelupft? Das ist alles", erklärt Villeneuve zunächst einmal völlig korrekt den Status Quo in der Formel 1.

Nur, um dann erst einmal die Regeln zu kritisieren. "Aber wie viel? Die Regeln verlangen nur, dass du vom Gas gehst, sagen aber nicht wie viel", sagt Villeneuve. Hier wünscht er sich mehr Klarheit. "Wenn er [Verstappen] nur kurz vom Gas ist und wieder drauf, dann ist das ja vielleicht genug." War es im betreffenden Fall jedoch nicht. Verstappen ging kein Stück vom Gas, wollte eine 'bedeutende Rundenzeit", wie die Stewards, wie üblich in diesen Fällen, formulieren, setzen.

Deshalb hat Verstappen für Villeneuve einen schlimmen Fehler begangen. "Ich denke, dass es ein schlechtes Vorbild ist", poltert Villeneuve. Nicht nur aus Sicherheitsgründen. Villeneuve legt nochmal nach: "Er war ja auf Pole. Er hat da zu wenig nachgedacht, das war nicht wirklich clever."

Villeneuve fürchtete um schlimmen Präzedenzfall

Wenn die FIA das nicht bestrafe, so Villeneuve noch vor dem Urteil, schaffe das einen schlechten Präzedenzfall. "Das wäre wirklich schlecht für die Formel 1", so der Kanadier. Zumal ihm bereits in der jüngeren Vergangenheit gewisse Fälle sauer aufstießen.

"Bottas konnte seine Zeit in Monza nach der roten Flagge behalten. Sie haben also schon einige sehr merkwürdigen Sachen gemacht, die ein schlechtes Vorbild für die Nachwuchsklassen abgeben. Wenn er keine Strafe dafür bekommt, dann gibt es definitiv eine gewisse Vorzugsbehandlung. Und das ist ganz klar falsch", so Villeneuve, mit dem erfolgten Urteil nun sicher erleichtert.

Villeneuve nimmt Verteidigung von Verstappen & Red Bull auseinander

Doch fertig ist Villeneuve mit seiner Kritik noch nicht. Auch die Verteidigungsstrategien von Verstappen und Red Bull der Formel-1-Weltmeister von 1997 auseinander. Verstappens Argument, er habe sich sicher gefühlt und habe es einschätzen können? Geht gar nicht, meint Villeneuve. "Der Fahrer sollte nie entscheiden dürfen, ob es sicher ist oder nicht. Denn es könnte auch noch etwas anderes hinter der Kurve kommen, dass ihm nicht bewusst ist. Also nein."

Villeneuve weiter: "Und vielleicht bekommt er ja auch einen Platten und crasht in das Auto, das da außen steht. Oder einen Aufhängungsbruch oder der Flügel versagt und er crasht. Oder ... Nein, das ist keine gute Entschuldigung!"

In Gefahrensituationen kein Risiko!

Genauso wenig lässt Villeneuve durchgehen, was Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com anführte: das Marshaling System habe noch keine gelbe Flagge angezeigt. "Das zählt nicht", winkt Villeneuve ab. "Was zählt ist die Flagge auf der Strecke, die der Fahrer sieht. Das ist die Hauptregel. Alles andere ist eine Hilfe, sogar der Funk. Du musst den Flaggen gehorchen. Das ist die erste Regel, die du in der Formel 1 lernst."

Damit fast, aber noch nicht ganz genug. Verstappens Aussage, man möge ihm doch einfach seine Zeit streichen, hält Villeneuve fast schon für einen Scherz. "Welche Strafe wäre das denn? Das ist keine Strafe. Es ist gefährlich. Seit dem Bianchi-Unfall sind sie da streng. In solchen Situationen gehst du einfach kein Risiko ein. Das machst du einfach nicht. Aber warum war nicht einfach eine rote Flagge da? Das ist komisch. Aber seine Zeit streichen? Nein. Denn er hätte die Runde gar nicht so fertig fahren dürfen!"