Max Verstappen ist 2019 die große Hoffnung, oder eher die letzte Hoffnung der Formel 1. Zumindest was den Kampf um die WM angeht. Da ist Verstappen mit Red Bull der erste Verfolger der enteilten Mercedes von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas.

Und das obwohl Verstappen 2019 über weitere Strecken nur das drittbeste Auto im Feld zur Verfügung hatte. Doch der einstige Rebell der Formel 1, der mit impulsiver und übermäßig aggressiver Fahrweise oft für Negativ-Schlagzeilen sorgte, scheint 2019 endgültig verschwunden. Statt Kritik bekommt Verstappen nunmehr viel Lob und Anerkennung als einer der besten Fahrer im Feld.

Verstappens langer Weg zur Formel-1-Reife

"Na ja, als wir ihn mit 16 ins Auto gesetzt haben, da haben wir die wildesten Kommentare einstecken müssen", erinnert sich Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko, und gibt auch zu: "Er hat seine Zeit gebraucht, bis er die Reife hatte." Verstappen war von Red Bull damals im Eilverfahren in die Formel 1 befördert worden. Sein erster Test fand gerade einmal ein Jahr nach seinem ersten Auftritt in einem Formel-Auto statt.

Doch Red Bull wollte nicht warten, der 16-jährige Verstappen hatte unglaubliches Potential. "Den Speed hat er immer gehabt", sagt Marko. Damit konnte Verstappen in seinen jungen Jahren immer und immer wieder glänzen - unvergessen bleibt der Sieg beim Red-Bull-Debüt in Barcelona. Doch diese Höhen begleiteten häufige Fehler. Fehler, die mit etwas Umsicht leicht vermeidbar gewesen wären.

Die Fehler zogen sich hin, und viele blieben dem ungestümen Verstappen lange kritisch gegenüber eigestellt. 2016 und 2017 fiel Verstappen mit oft übermäßiger Aggression auf der Strecke auf. 2018 begann dann übler denn je, mit mehreren Kollisionen, unter anderem mit dem Teamkollegen in Baku.

Kurz darauf folgte dann auch noch ein Crash im dritten Freien Training von Monaco, was Verstappen das Qualifying und eine für Red Bull kostbare Chance auf eine Pole kostete. Teamkollege Daniel Ricciardo holte Pole und Sieg, Verstappen musste von ganz hinten starten und wurde nur Neunter.

Verstappen schafft Wende dank Red-Bull-Geduld

Monaco wurde für Verstappen der Wendepunkt, und die Fehlerquote sank deutlich. "Seit Monaco ist er nicht mehr derselbe Fahrer", meint etwa Jacques Villeneuve, einst harter Verstappen-Kritiker, zu Motorsport-Magazin.com. "Sein Glück war, dass er Red Bull und Helmut Marko hatte, die ihn beschützt und ihm die Zeit gegeben haben, erwachsen zu werden."

"Du wirst eigentlich nicht in einem großen Team erwachsen", sagt Villeneuve, für den Verstappen momentan wie ein Weltmeister fährt. "Doch sie haben es ihm gestattet, und das hat ihn sehr stark gemacht. Jetzt ist er sehr reif. Er weiß, wie man schnell fährt und wann man aggressiv sein muss. Und er weiß, wann es Punkte zu holen gilt, wenn du nicht ganz vorne kämpfen kannst."

In Ungarn stand Max Verstappen erstmals auf der Pole, Foto: LAT Images
In Ungarn stand Max Verstappen erstmals auf der Pole, Foto: LAT Images

"Du brauchst für das Rennen und das ganze Rennwochenende eine gewisse Reife, wie man das angeht", sagt auch Marko. "Das gelingt seit Frankreich im vorigen Jahr optimal. Es gibt keine Fehler mehr, wir haben eine unglaubliche Ankunftsquote und die ganze Crew ... da ist eine Begeisterung und Aufbruchsstimmung."

Verstappen 2019 auf Weltmeister-Niveau

2019 kann Verstappen inzwischen tatsächlich eine fast perfekte Bilanz vorweisen: Nur ein Unsafe Release in Monaco, ein Crash im Österreich-Training und ein paar Dreher. Viel wichtiger: Kein einziges Mal beendete er ein Rennen außerhalb der Top fünf. So konstant fährt sonst niemand - auch Lewis Hamilton hatte mit Hockenheim zumindest ein Rennen zum Vergessen.

Verstappen stellte es zuletzt in Ungarn erneut unter Beweis. Spät im Rennen hatte er auf alten Reifen keine Chance mehr, sich gegen einen heranstürmenden Lewis Hamilton zu verteidigen. Während der Verstappen von einst da womöglich ein brutales Defensiv-Manöver mit ungewissem Ausgang gestartet hätte, blieb der Verstappen von heute ruhig und fuhr Platz zwei nach Hause.

In Ungarn holte Verstappen Platz zwei, Foto: LAT Images
In Ungarn holte Verstappen Platz zwei, Foto: LAT Images

"Ein Rennen vier Runden vor Schluss zu verlieren frustriert, aber er versteht das große Ganze", lobte Teamchef Christian Horner danach. "Er hatte die Reife, um sofort zu verstehen, wie das Szenario aussah. Dieses Jahr ist er wirklich erwachsen geworden."

Bis jetzt ist 2019 fahrerisch zweifelsohne Verstappens beste Saison, inzwischen ist er noch besser unterwegs als beim Saison-Abschluss von 2018. Um den Titel zu kämpfen wird zwar schwierig, aber WM-Platz drei zu halten erscheint auch dank guten Honda-Leistungen machbar. Und vielleicht ist auch Platz zwei in der Team-WM - 44 Punkte fehlen momentan auf Ferrari - noch machbar. Wobei das eher am Teamkollegen hängen wird.