Lewis Hamiltons Sieg in Brasilien war sein zehnter in der Formel-1-Saison 2018. Für den Weltmeister ist diese Ausbeute in den vergangenen Jahren fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden - und doch hatte der Triumph in Interlagos eine ganz besondere Note. Hamilton lieferte nach seinem fünften WM-Titel endlich den Beweis, dass er auch nach dem vorzeitigen Gewinn der Weltmeisterschaft noch Rennen gewinnen kann.

"Seit ich ein Kind war, hatte ich immer dieses verrückte Verlangen danach, zu gewinnen", beteuert Hamilton. Besagtes Verlangen schien ihm 2015 und 2017 nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft vor dem Finale jeweils abhanden gekommen zu sein. 2016 gingen die letzten drei Rennen an seinen damaligen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg, 2017 gewannen Sebastian Vettel und Valtteri Bottas die beiden Grands Prix nach Hamiltons WM-Triumph.

Beim Qualifying in Brasilien leistete er sich damals sogar einen für ihn äußerst ungewöhnlichen Schnitzer, als er seinen Boliden in die Wand setzte. Es war Wasser auf die Mühlen der Kritiker, welche ihm ein Jahr zuvor bereits des Müßiggangs bezichtigt hatten. Darunter auch der große Profiteur selbst, Nico Rosberg.

2017: Rosberg kritisiert, Hamilton gesteht

"Bei ihm lässt die Motivation ein bisschen nach, weil er jetzt schon Weltmeister ist. Das ist auch ein Stück weit normal. Ich habe bei Lewis Fehler gesehen. Wenn die Spannung raus ist, machst du ein paar mehr Fehler. Das haben wir bei ihm ja auch in Brasilien gesehen", so der Weltmeister von 2016 damals.

Zum Schluss räumte Hamilton sogar ein, dass sich an seiner mentalen Herangehensweise mit dem Erfüllen seiner Mission etwas geändert hatte. "Es ist schon klar, dass etwas passiert wenn du die WM gewonnen hast", sagte der Mercedes-Pilot vor einem Jahr. In diesem Jahr verlief der Weg zum Titel ähnlich. In den USA riss seine Siegesserie, doch die WM war da schon so gut wie sicher.

Hamilton bleibt 2018 am Ball: Mercedes-Titel sorgte für Motivation

Was folgte war Mexiko. Dort machte Hamilton mit einem vierten Platz ohne viel Prunk den Sack zu. Die Performance von Fahrer und Team ließ in diesem Rennen zu wünschen übrig. Auf den ersten Blick schien es so, als ob die letzte Spannung sich erneut verflüchtigt hätte. Auch die Freude war gedämpft, doch das lag laut Teamchef Toto Wolff nicht daran, dass Hamilton die WM lieber 'in style' gewonnen hätte.

"Als ich am Sonntagabend in Mexiko mit ihm sprach, waren wir beide nicht sehr glücklich", sagt Wolff. Weshalb Mercedes Trübsal blies? "Wir hatten die Konstrukteurs-WM noch nicht gewonnen", erklärt Hamilton, was ihn auch nach dem Titelgewinn weiter bei der Stange hielt. "Ich konnte sehen, wie nervös Toto deshalb war und ich sagte ihm: Toto, ich weiß. Ich bin jetzt seit sechs Jahren bei diesem Team. Ich weiß, wie wichtig das ist, du brauchst es mir nicht sagen."

Alleine die Pole Position war ein Statement dafür, dass sich in Hamiltons Kopf dieses Jahr kein Schalter umgelegt hat. Etwas, das er Wolff mit folgenden Worten vor dem Rennen versicherte. "Ich habe die Pole geholt und ich werde den Job erledigen. Entspann dich und lass mich mal machen."

Wolff: Mercedes hätte ohne Hamilton keine fünf WM-Titel

Zwar verhalf ihm letztendlich Max Verstappens Unglück zu diesem Erfolg, doch Hamilton hielt letztendlich sein Wort. Wolff, der 2017 für dessen leicht nachlassende Motivation Verständnis zeigte, hatte keinen Zweifel daran, dass seinem Piloten der Teamerfolg genauso viel bedeutete wie der persönliche Triumph im WM-Kampf über Sebastian Vettel und ihm auch weiterhin Antrieb verlieh.

"Er war emotional, denn er verstand die Situation in diesem Rennen. Er wollte es auf einem Hoch beenden und hier in Brasilien die Konstrukteursweltmeisterschaft gewinnen", erklärt der Teamchef, der weiß, dass er die Siegesserie der Silberpfeile zu einem großen Teil dem Erfolgsgaranten des Teams zu verdanken hat.

"Wir hätten keine fünf Weltmeistertitel gewonnen, er ist ein außergewöhnlicher Fahrer und ein unglaublicher Mensch. Deshalb ist er ein integraler Bestandteil des Teams", streut Wolff seinem Star-Pilot Rosen. Nachdem bei Hamilton in Zeiten der Mercedes-Dominanz häufig über Lustlosigkeit und sogar einen möglichen daraus resultierenden Rücktritt spekuliert wurde, scheint ein derartiges Szenario mittlerweile völlig ausgeschlossen.

Hamilton und Mercedes wollen mehr: Rekorde ein interessantes Ziel

Hamilton kündigte dieses Jahr mehrfach an, seinen Pole-Position-Rekord und andere Bestmarken in Zukunft weiter ausbauen zu wollen. Der Kampf gegen Ferrari ist es, der den Briten zu neuen Höhen beflügelte. "Ich denke, es geht immer darum die richtigen Ziele zu haben", sagt Wolff.

Etwas, das in Zukunft für noch mehr Meilensteine des Erfolgsduos Mercedes und Hamilton sorgen soll - jetzt, wo man schon den Rekord von fünf WM-Doubles aus Fahrer- und Konstrukteurstiteln in Serie egalisiert hat, den Ferrari mit Michael Schumacher zwischen 2000 und 2004 aufstellte.

"Diese Rekorde sind ein interessantes Ziel. Er hat jetzt fünf WM-Titel und ist mit Fangio zusammen Zweiter, was unglaublich ist. Er wird seine Augen auf den nächsten Titel richten, aber bevor es sieben werden, muss es erstmal ein sechster werden. Ich kann euch versichern, dass das nächstes Jahr sehr schwierig und kompliziert wird", so Wolff.