Max Verstappen und Esteban Ocon gerieten nach ihrem Crash beim Brasilien GP der Formel 1 auch abseits der Strecke aneinander. Im Parc fermé kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Niederländer und dem Franzosen.

Als Verstappen beim Wiegen auf Ocon traf, lieferten sich die Streithähne zunächst nur ein Wortgefecht, die Spannung in der Luft war bereits greifbar. Dann eskalierte es weiter: Der Red-Bull-Pilot schubste seinen Kontrahenten.

Brawn: Verstappen hat sich nicht im Griff

FIA-Offizielle beruhigten die Szene, ehe die Grenze komplett überschritten war. Eine Strafe setzte es dennoch. Verstappen wurde zu zwei Tagen Sozialstunden verdonnert. Für Formel-1-Sportchef Ross Brawn ein völlig korrektes Urteil angesichts dieses Aussetzers.

"Max ließ seine Wut im Parc fermé heraus, indem körperlich mit Ocon aneinander geriert. Das war kein erbaulicher Anblick und so verständlich es auch war, war es natürlich nicht zu rechtfertigen", sagt der Brite in seiner üblichen Nachbesprechung des Rennwochenendes.

Für Brawn belegte die Szene zudem, dass Max Verstappen noch immer die nötige Reife fehlt, der Niederländer sich nicht im Griff hat. "Der Vorfall mit Ocon war ein grausamer Moment, aber danach hat Max, der großen Fortschritt in seiner Karriere gemacht hat, gezeigt, dass er noch immer nicht in der Lage ist, seine Emotionen in solchen Situationen zu beherrschen", kritisiert Brawn. "Ein entscheidender nächster Schritt."

Verstappen außer Kontrolle also? Eine tickende Zeitbombe? Nein, bremst Brawn, ordnet den Vorfall differenziert ein. "Man darf nicht vergessen, dass er noch sehr jung ist und obwohl sein Verhalten nicht zu rechtfertigen war, können wir alle seine Frustration, die er nach dem Vorfall und auch nach dem Rennen spürte, verstehen. Denn es war eine herausragende Performance. Du überholst nicht jeden Tag zwei Ferrari und zwei Mercedes", sagt Brawn. "Ich bin sicher, dass Max aus dem, was geschehen ist, lernen wird, einschließlich der Strafe, die zu seiner Entwicklung als Fahrer und Mensch beitragen wird."

Verstappen vs. Ocon: Vorgeschichte in Formel 3 & Kartsport

Ähnlich sieht es Teamchef Christian Horner. Wegen der Vorfälle nach dem Rennen habe Red Bull abseits der Vorladung bei den Stewards natürlich sofort mit Verstappen gesprochen. Doch insgesamt wirbt Horner für Verständnis für die Gemütslage seines Piloten. "Natürlich dulden wir keine Gewalt, aber du musst verstehen, dass die Emotionen da sehr überkochen wenn dir ein Hinterbänkler den Grand-Prix-Sieg nimmt. Das ist dann unvermeidbar", sagt Horner.

Also einfach zu viel Adrenalin? Nicht nur. Horner sieht noch einen Punkt: "Zwischen diesen Fahrern gibt es auch eine längere Vorgeschichte, die bis zurück in ihre Tage im Kart reicht", erinnert der Teamchef. An diese alte Rivalität erinnert auch Brawn. "Bis zum Tod gegen den Führenden zu kämpfen war nicht der beste Plan, besonders wenn dieser Fahrer einer ist, mit dem du schon einige beherzte Kämpfe in den unteren Serien hattest."

Verstappen enthüllt: Dieser Kommentar Ocons war zu viel

Für Verstappen selbst spielt das weniger eine Rolle. "In der Formel 1 ist er keiner meiner Konkurrenten. Ich konzentriere mich auf mich und die Leute, die ich zu schlagen habe", so Verstappen im niederländischen TV bei 'Ziggo Sport' auf eine entsprechende Nachfrage. Doch bei der Eskalation nach dem Rennen machte dieser Faktor offenbar doch einen Unterschied. Dass die Beziehung des Duos aber grundlegend verpestet ist, zeigt etwa Verstappens Reaktion auf die Frage, was er Ocons Kommentar, er sei unprofessionell, entgegne. "Dass er ein Arschloch ist", so Verstappen noch in der offiziellen FIA-PK in Brasilien.

"Wir wissen ja nicht, welche Worte zwischen ihnen gefallen sind und was ihm entgegengehalten wurde. Deshalb kann ich diese Emotionen im Eifer des Gefechts verstehen", sagte dagegen Horner noch am Sonntag über die Situation beim Wiegen zuvor. In der TV-Show am Montag enthüllte Verstappen diesen Inhalt nun - und der spricht eben ganz klar dafür, dass die Beziehung Ocon/Verstappen durchaus relevant war.

Verstappen: Bin froh, dass mein Vater nicht da war

Laut Verstappen habe zu seinem Aussetzer nämlich erst eine freche Reaktion Ocons geführt. "Ich wollte wissen, was mit ihm los war, aber er hat einfach gegrinst und gesagt 'Ich war schneller als du'", so Verstappen. Eine Stichelei Ocons - anders als sein großer Rivale von einst nicht nur ohne Top-Auto, sondern sogar vor dem F1-Aus für 2019 - also im denkbar ungünstigsten Moment. "Er hat sich nicht entschuldigt und sogar genau die gegenteilige Reaktion geliefert. Ich wollte für meine Mechaniker positiv bleiben, aber wenn du jemanden wie den siehst, der nicht einmal Sorry sagt für das, was passiert ist ... Ich bin froh, dass mein Vater nicht da war!"

Der gilt bekanntlich auch nicht als Kind von Traurigkeit. "Aber wenn sie mir wieder mit einem Psychologen kommen, schmeiße ich sie sofort raus!", poltert Verstappen. "Du musst fest auf deinen eigenen Beinen stehen. Ich brauche niemanden. Mein Vater ist sowieso schon etwas wie ein Psychologe."

Horner beruhigt: Verstappen nicht außer Kontrolle

Horner beruhigt ebenfalls. Man dürfe den Zwischenfall jetzt nicht dramatisieren. "Natürlich gibt es auch in diesen Wettbewerbstieren, die Formel-1-Fahrer sind, noch menschliche Reaktionen. Fahrer sind am Ende auch keine Roboter. Und das sollten sie auch nicht", sagt Verstappens Teamchef. Sein Vergleich: "Wir sehen das ja auch in anderen Sportarten. Da geraten die Spieler auch aneinander und der Schiedsrichter managt das. Ich denke nicht, dass es außer Kontrolle geriet." Zuvor hatte Horner allerdings im TV-Interview noch gesagt, Ocon könne froh sein, nur mit einem Schubser davongekommen zu sein.

Ein gutes Bild gab es dennoch nicht ab, meint dagegen Brawn. "Fahrer dürfen nicht vergessen, dass sie Vorbilder für die Fans und Youngster sind, die in ihre Fußstapfen treten wollen", so der Brite. Doch Brawn ist zuversichtlich, dass beide - nicht nur Verstappen - aus alldem gelernt haben.

Brawn hofft: Wirkungsvolle Lektion für die Streithähne

"Unter dem Strich war der Sonntag für beide - Verstappen und Ocon - eine Lektion. Eine, die sie beide nicht so schnell vergessen werden. Es ist einfach ein weiterer Teil ihrer Lernkurve", so Brawn. Tatsächlich kam es bereits am Sonntagabend noch zum Handshake, später entschuldigte sich Ocon auch noch per Social Media.