Die 37. Runde des Singapur GP der Formel 1 hätte das 15. Rennen der F1-Saison 2018 beinahe völlig auf den Kopf gestellt. Lewis Hamilton hatte den Grand Prix bis dahin dominiert, kontrolliert, alles im Griff, als der Mercedes-Fahrer plötzlich beim Überrunden auf Romain Grosjean und Sergey Sirotkin auflief.

Ein Duo, das sich zuvor schon über Runden beharkt hatte. Weil der Williams mit uralten Soft-Reifen unfassbar langsam fuhr, aber der Haas einfach keinen Weg vorbei fand, hatte sich bereits ein regelrechter Stau gebildet. Durch den musste Hamilton nun durch. Der Anfang ging auch gut, doch dann ging es um besagte zwei Fahrer.

Überrundungen kosten Hamilton fünf Sekunden gegen Verstappen

Völlig in ihren Kampf vertieft übersahen sie die blauen Flaggen vollkommen, Hamilton verlor Zeit ohne Ende. Denn trotz überlegener Pace wollte er ein Überholmanöver nicht risikieren. Er hatte ganz genau bemerkt, dass das Duo ihn eben nicht bemerkt hatte. "Ich musste da sehr defensiv fahren, und bin dann fast schon ein Rennen gegen die Überrundungen gefahren. Das war knifflig", berichtet Hamilton.

"Max - du hattest da echt eine Chance in Kurve zehn", richtet er das Wort an Verstappen. Der Niederländer nämlich hatte durch den Verkehr innerhalb von zwei Runden aus fünf Sekunden Rückstand fast direkten Getriebe-Kontakt zu Hamilton hergestellt, als es sich Grosjean und Siroktin es in der genannten Kurve dann auch noch richtig gaben. "Max hat da mehr Glück gehabt. Sie fuhren da etwas raus und es wurde eng. Da habe ich kurz den Atem angehalten", schildert Hamilton.

Hamilton hat Nachsicht: Blaue Flaggen schwer zu erkennen

Doch es ging noch einmal gut. "Da war natürlich vielleicht eine Kurve, aber Kurve zehn kannst du normalerweise nicht überholen", widerspricht Verstappen jedoch, wirklich eine Chance gehabt zu haben. "Aber das war natürlich schade mit den Backmarkers da, keine Ahnung was da passiert ist."

Lewis Hamilton dagegen hatte eine Ahnung: "Die blauen Flaggen kannst du kaum sehen, weil sie sehr dunkelblau sind. Erst wenn die Leuchtsignale kommen kannst du sie sehen, deshalb haben die Fahrer kaum reagiert", gibt sich der Brite milde, nachdem er zu vor noch per Funk über Wahnsinnige geschimpft hatte. Wohl auch deshalb besuchte Rennleiter Charlie Whiting selbst die Top-3 im Cooldown-Raum vor dem Podium, um sich bei Hamilton zu entschuldigen.

F1-Rennleiter tobt wegen Grosjean: Goldene Regel gebrochen

Doch hätte Whiting ohnehin nicht eingreifen können. Wie auch. Umso mehr jedoch regte er sich über die Szenerie auf, als er später sein Briefing für die Medien gibt, bei dem auch Motorsport-Magazin.com dabei war. Whiting schoss scharf gegen Grosjean, der zuvor bereits von der Rennleitung mit fünf Sekunden Strafe und zwei Strafpunkten belegt worden war. Damit steht Grosjean bei insgesamt neun Punkten. Bei zwölf erfolgt eine Rennsperre. Erst Ende November werden Grosjean wieder zwei Punkte aus dem Vorjahr erlassen.

Whiting: "Romain hat die goldene Regel der blauen Flagge völlig vergessen. Die besagt, dass du deinen eigenen Kampf vergessen musst und zur Seite fahren musst. Das habe ich ihnen schon oft eingeimpft und er hat es komplett vergessen!" Whiting lässt anders als Hamilton selbst nicht einmal die schwer sichtbaren Flaggen gelten. Wegen der Leuchtsignale. "Er war so intensiv mit seinem kampf mit Sirotkin befasst, dass er selbst die Leuchtsignale mit seiner Nummer drauf nicht gesehen hat", schimpft Whiting. "Lewis war viel, viel schneller. Das war der schlimmste Fall von Ignorieren blauer Flaggen, den ich seit Langem gesehen habe!"

Grosjean: Habe mein Bestes versucht

Irgendwo dazwischen die Meinung von Toto Wolff. "Im ersten Moment bist du natürlich wütend, dass du den Vorsprung verloren hast. Aber du musst auch akzeptieren, dass diese Jungs um ihre Positionen kämpfen und versuchen für sich selbst das beste Rennen zu fahren. Ich denke, die Fahrer sollten das unter sich besprechen. Aber ich denke, dass sie einfach etwas mehr das Gesamtbild sehen sollten, wenn die Führenden kommen, und schauen, was hinter ihnen geschieht", sagt der Mercedes-Teamchef.

Charlie Whiting spricht beim Media Briefing Klartext, Foto: FIA
Charlie Whiting spricht beim Media Briefing Klartext, Foto: FIA

Romain Grosjean selbst unterdessen sah seinen Fehler immerhin ein - zumindest etwas. "Es tut mit leid, wenn ich jemanden blockiert habe. Das war nicht meine Absicht", sagt der Franzose. Doch Grosjean verteidigt sich auch: "Ich glaube, ich habe mein Bestes versucht. Ich habe mit Sergey gekämpft, der etwas Go-Kart gefahren ist. Ich konnte nicht wirklich langsam machen. Pierre (Gasly, Anm. d. Red.) war in meinem Getriebe und Sergey war an meinem Frontflügel. Ich habe ihn überholt und sobald ich das hatte, habe ich Lewis vorbei gelassen."

Und Sirotkin, der eigentlich Ursprung allen Übels? Eine Strafe bekam er für die Szene selbst nicht, weil er eben vor Grosjean fuhr, die Flagge daher nur dem Franzosen galt. Doch fragwürdig erschien einigen Zuschauern der sinnlose Kampf des Russen durchaus. Sirotkin interessiert sich auch tatsächlich für nichts anderes: "Es war ein Kampf. Ich habe die ganze Zeit gekämpft, gekämpft, und aus jedem einzeln Moment alles rausgepresst!"