Die Formel 1 feiert an diesem Wochenende traditionell ihren Europa-Abschluss beim Italien GP in Monza. Wie in jedem Jahr kommen auch 2018 die Größen des Sports ins Autodromo di Nazionale. Der neue Ferrari-Boss nutze die Bühne erstmals, Mercedes-Boss Dieter Zetsche hat sich angekündigt und auch FIA-Präsident Jean Todt ist in Monza. Der Franzose nutze seinen Besuch, um mit den Journalisten die brennenden Themen der Formel 1 zu besprechen.

Rettete Halo Charles Leclerc das Leben?

Todt gilt als einer der Halo-Väter. Kein Thema liegt dem FIA-Präsidenten so am Herzen wie die Sicherheit - im Straßenverkehr wie auf der Rennstrecke. Doch Todt stellt klar: "Es waren die Fahrer, die zweimal auf mich zugekommen sind, weil sie einen Cockpitschutz haben wollten. Wir hätten es wohl auch ohne ihre Bitte gemacht, denn wir sind als Sport dazu verpflichtet. Wir müssen den Sport sicher machen, um ihn zu retten. Sonst überlebt er möglicherweise nicht."

Doch Todt wollte Halo trotz des öffentlichen Drucks unbedingt. Fühlt er sich durch den Unfall von Leclerc nun bestätigt? "Es war nicht der erste Unfall. Auch in der Forme 2 gab es schon einen Unfall, bei dem der Fahrer froh war, dass er ihn hatte. Es wird auch nicht der letzte Fall sein."

Die FIA leitete nach dem Unfall in Spa eine genaue Untersuchung ein. FIA Rennleiter Charlie Whiting ergänzt: "Wir sind noch zu keinem abschließenden Urteil gekommen, ob der Halo Charles gerettet hat. In diesem Stadium ist es nicht möglich, das zu sagen." Allerdings lassen sich andere Dinge inzwischen sagen: Alonsos Vorderreifen übte eine Kraft von 56 Kilonewton auf den Titanbügel aus. Das sind gut fünfeinhalb Tonnen und entspricht rund der Hälfte dessen, was der Halo beim Test aushalten muss.

"Man sieht, wie die Radaufhängung des McLaren vom Halo zerstört wird", führt Whiting weiter aus. Insofern dürfte es den ein oder anderen überraschen, dass der Titanbügel beim Unfall komplett unbeschädigt blieb.

Die Entwicklung geht trotzdem weiter: 2021 soll eine verbesserte Halo-Variante auf das Auto kommen. "Es geht aber nicht um Schönheit, sondern um eine reine Verbesserung der Sicherheit", so Whiting. "Aber ich fand den Halo ohnehin nie hässlich", merkt Todt an. Warum die neue Variante noch so lange auf sich warten lässt? Whiting erklärt: "In Halo ist mehr Entwicklung geflossen als in alles andere. Entsprechend wird auch beim Nachfolger geforscht."

Formel-1-Motoren 2021

"Eigentlich sollten die Regeln schon Ende Juni stehen", gestand Jean Todt. Doch tatsächlich gibt es auch Anfang September noch keinen endgültigen Beschluss über die Formel-1-Motoren der Zukunft. Zuletzt gab es vermehrt Stimmen, wonach die Einführung auf 2023 verschoben werden sollte. Todt fordert noch ein wenig Geduld: "Wir wollen das alles zusammen präsentieren: Technisches Reglement, Sportliches Reglement und auch Geldverteilung. Hierfür sind nicht nur die FIA, sondern auch der kommerzielle Rechteinhaber [Liberty Media] und die Teams zuständig."

Am Ziel der neuen Motorenregeln wird sich nichts ändern: Mehr Vollgas, weniger Limitierung für die Fahrer. Und trotzdem wird aller Voraussicht nach die MGU-H bleiben. Das Ziel, neue Motorenhersteller für die Formel 1 zu gewinnen, scheint nicht erreicht zu werden. Vielleicht bleibt deshalb auch besonders viel beim Alten.

"Aber ich war, was einen neuen Hersteller angeht, immer sehr pessimistisch", so Todt. "Es ist schon ein Erfolg, dass wir vier Hersteller haben. Das sind bei zehn Teams nur 2,5 Kunden pro Hersteller. Die Priorität musste sein, dass wir diese Hersteller halten. Und wenn wir für die vier etwas ändern, nur um einen anzulocken, dann wäre das für die bestehenden Hersteller sehr unfair. Sie haben Investitionen getätigt."

Doch ganz vom Tisch ist ein zusätzlicher Hersteller noch nicht. Entgegen vieler Gerüchte ist nach Informationen von Motorsport-Magazin.com Porsche noch immer im Rennen, eine Entscheidung im Konzern ist längst nicht gefällt. "Ein Hersteller wartet auf die finalen Regeln, es gibt einen ernsthaften Interessenten für die Zukunft", bestätigt Todt.

Der Vergleich: Formel 1 vs. Formel E

Sollte die Formel 1 in Zukunft dem Verbrenner gar gänzlich den Kampf ansagen und mit Elektromotoren fahren? "Das wäre völliger Schwachsinn, das wird nicht passieren, denn es sind zwei ganz anderen Kategorien", meint Todt. "Die Formel E hat nicht die Performance, deshalb muss sie in Städten fahren. Wenn sie auf Strecken wie hier in Monza fahren würden, würde sich niemand dafür interessieren. Es macht aber keinen Sinn, sie miteinander zu vergleichen. Es langweilt mich und man verschwendet nur seine Zeit damit."

Reifen: Michelin raus, Pirelli aber nicht alleine

Die erste Bewerbungsphase für den Reifenlieferanten der Formel 1 ab 2020 schloss am 30. August. Michelin kommunizierte bereits offen, sich nicht beworben zu haben. "Das wusste ich aber schon länger", so Todt. Michelin stört sich daran, für 2020 und 2021 komplett unterschiedliche Reifen entwickeln zu müssen. Pirelli hat hier einen Vorteil. Außerdem will Michelin bei den Reifencharakteristika nicht nach der Nase der FIA tanzen, sondern das bestmögliche Produkt liefern.

Konkurrenzlos wird der Reifenhersteller auch in Zukunft sein. Einen Reifenkrieg wird es nicht mehr geben, das ist klar. Allerdings ist Pirelli nicht automatisch als Einheitslieferant gesetzt. "Die Bewerbungsphase ist gerade erst um, deshalb kenne ich noch keine Details. Aber es gibt mehr als einen Bewerber, das kann ich sagen", verrät Todt.

Kundenteams: Haas und Ferrari die Zukunft?

Die Formel 1 scheint immer mehr zu einem Kundensport zu verkommen. Ferrari hat mit Haas und Sauber bereits zwei Satelliten-Teams, Red Bull wird im nächsten Jahr mit Toro Rosso wieder nachziehen. "Ja, wir sind besorgt", gibt Rennleiter Charlie Whiting zu.

Das erste Regel-Schlupfloch wurde bereits gestopft. Als Haas in die Formel 1 kam, gab es keine Beschränkungen für neue Teams, sondern nur für existierende Teams. In Zukunft muss sich ein neues Team schon im Vorlauf zu den Regeln bekennen. "Aber jetzt geht es auch um existierende Teams, das müssen wir uns noch genauer ansehen", verspricht Whiting.