Lewis Hamilton erhielt in Hockenheim durch den Fahrfehler von WM-Rivale Sebastian Vettel ein Geschenk, dass für ihn am Ende der Formel-1-Saison 2018 die Titelverteidigung bedeuten könnte. Zumindest in die Sommerpause dürfte der Mercedes-Pilot mit hoher Wahrscheinlichkeit als WM-Leader gehen - anders als letztes Jahr, als Vettel auf dem Platz an der Sonne in den Urlaub fuhr.

"Es ist schwierig zu sagen, ob es ein Wendepunkt sein wird", gibt sich Hamilton angesichts des harten Rückschlags für Vettels WM-Kampf skeptisch, ob dieser bereits dieselbe Tragweite wie dessen Nullrunde 2017 in Singapur haben könnte. "Es hat mich für den Moment auf jeden Fall in eine Richtung gelenkt", so der Mercedes-Pilot über die zurückgewonnene WM-Führung.

"Aber wenn du dir die vergangenen Rennen anschaust, hatten wir einige unterschiedliche Wendepunkte. Jetzt liegen wir in Führung und es geht darum, wie wir dort bleiben können. Aber es könnte auch einen weiteren Wendepunkt geben, nach dem wir wieder zurückliegen", mahnt Hamilton angesichts von zehn noch ausstehenden Rennen.

Trotz WM-Führung: Hamilton sieht keinen Lauf bei Mercedes

Dass er und sein Team in Fahrer- sowie Konstrukteurs-WM wieder vorne liegen, ist für ihn kein Beleg für eine Rückkehr der Mercedes-Dominanz. "Wir haben keinen Lauf", stellt er klar. "Wir haben zwar auch nicht das Gefühl im Hintertreffen zu sein, aber wir haben bis jetzt nicht an jedem Wochenende zu 100 Prozent performt."

"Ferrari hat einen Schritt nach vorne gemacht, wie jeder sehen kann. Sie haben ihre Qualifying-Performance verbessert und ich mache mir keine Illusionen. Wir müssen hart arbeiten um dagegen anzukämpfen", so Hamilton, für den der Rivale in diesem Jahr in der Favoritenrolle steckt. "Offensichtlich haben sie derzeit ein bisschen die Überhand, was die Konkurrenzfähigkeit angeht."

Deshalb ist er umso stolzer darauf, wie er und sein Team sich in den vergangenen Rennen trotz Schwierigkeiten im WM-Kampf behauptet haben. "Auf meine letzten beiden Rennen bin ich sehr stolz", so Hamilton über seine Aufholjagden in Silverstone und Hockenheim. "Wenn wir unsere Ergebnisse und unsere Stärke anschauen, haben wir in unseren Performances auch Großartiges gezeigt, zum Beispiel in den Rennen."

Formel 1 2018: Brennpunkte vor dem Ungarn GP: (08:18 Min.)

Hamilton selbstkritisch: Nicht jedes Wochenende bei 100 Prozent

Der WM-Kampf zwischen Vettel und ihm ist dieses Jahr eine regelrechte Achterbahnfahrt. Die Führung wechselte nun schon fünf Mal und auch die Fehlerquote ist deutlich höher als in der ersten Saisonhälfte 2017. "Die Psychologie ist in jedem Sport die schwierigste Komponente", so Hamilton. "Es ist sehr fordernd, von März bis Ende November bei jedem Wochenende mit 100 Prozent anzureisen."

Auch Hamilton hatte in den ersten elf Rennen mehr Durchhänger als in den vergangenen Jahren. "Ich könnte nicht ehrlich behaupten, jedes einzelne Wochenende den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben", gibt er zu. "Aber das Ziel ist natürlich, das zu erreichen. Nur du hast auch diese großen Rückschläge wie im Qualifying beim letzten Rennen."

Hamilton über WM-Kampf 2018: Druck und Ehrgeiz höher als je zuvor

Diese Rückschläge zu überwinden, was wohl auch für Vettel nach seinem Fehler in Hockenheim gilt, wird für Hamilton am Ende entscheidend sein. "Es hängt davon ab, wie stark du bist." 2018 gilt das für ihn mehr als je zuvor: "Der Druck ist dieses Jahr riesig. Der Ehrgeiz der Fahrer, von Sebastian und mir zum Beispiel, ist größer als je zuvor."

"Wir haben letztes Jahr schon neue Höhen erreicht was den Druck anbelangt, aber dieses Jahr ist es noch enger und Fehler kosten noch mehr. Es ist der intensivste Kampf, denn wir fahren gegen ein anderes Team das dieses Jahr schneller als wir ist. Letztes Jahr war es sehr ausgeglichen, mal waren sie schneller und mal wir. Aber dieses Jahr läuft es mehr in ihre Richtung, also ist der Druck absolut alles herauszuholen höher."

Die zusätzliche Intensität im WM-Fight heißt Hamilton aber sogar willkommen. "Das ist nichts, was mich beunruhigt. Es ist etwas, das mich pusht. Generell hatte ich immer das Gefühl, dass ich unter Druck am besten bin", so der viermalige Weltmeister, der dieses Jahr aber sogar an einer seiner größten Stärken arbeiten muss um Ferrari die Stirn bieten zu können.

"Letztes Jahr lief es im Qualifying großartig, dieses Jahr ist es ein Bereich an dem ich permanent arbeite. Ich will dort konstanter werden, denn ich bin immer sehr stolz darauf wenn ich keine Fehler mache", so Hamilton. "Ich arbeite wirklich hart daran um mich mental und physisch so aufzustellen, dass ich der Letzte bin der bricht."

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Hamilton trotzt Ferraris Ungarn-Stärke: Pole Position das Ziel

Mit dem Hungaroring wartet am Wochenende allerdings eine der Rennstrecken auf ihn, die ihm und Mercedes in den vergangenen Jahren nicht sonderlich entgegenkamen. "Ich denke, das Wochenende wird wie die letzten Jahre eine Herausforderung. Es ist keine Power-Rennstrecke, also sind die Red Bull wie so oft wohl näher dran."

Auch den Rennausgang vergangenes Jahr hat Hamilton nicht vergessen. "Ferrari war hier letztes Jahr am schnellsten und so wird es auch dieses Wochenende sein", so seine Einschätzung. "Aber ich hoffe, dass unser Auto auf dieser Art von Rennstrecke besser geworden ist." In Budapest wird das Qualifying wie immer entscheidend sein.

Die Kombination von Ferraris starker Ungarn-Performance 2017 und der starken Qualifying-Performance in diesem Jahr bedeutet für Mercedes den maximalen Schwierigkeitsgrad. "Ich bin mit der Einstellung hier, dass ich in die erste Startreihe fahren will, was im Grunde genommen Platz eins heißt", stellt Hamilton klar. "Das ist mein Ziel."