Romain Grosjean macht derzeit eine schwierige Phase seiner Formel-1-Karriere durch. Erst in Spanien löste er einen Start-Crash aus und muss beim Monaco GP deshalb drei Plätze nach hinten. Der Haas-Pilot steht in der Saison 2018 im Schatten von Teamkollege Kevin Magnussen. Der Däne ist schneller und macht weniger Fehler. Motorsport-Magazin.com traf den Franzosen unmittelbar vor dem Barcelona-Rennen zum schonungslosen Exklusiv-Interview.

Romain, du hattest in letzter Zeit einige nicht ganz so einfache Rennen. Fällt es dir danach schwer, zurück in die Box zum Team zu gehen oder dich unseren Fragen zu stellen?
Romain Grosjean: Was soll ich dir dazu sagen? Ich habe einen Fehler gemacht, jedem passieren Fehler. Wir sind keine Roboter. Ich bin mir sicher, wenn du einen Artikel schreibst, unterlaufen dir auch manchmal Fehler, Tippfehler und dann checken es Menschen nach dir. Das Ding ist, wenn du es vorher tust wird es niemand sehen, weil du es korrigiert hast. Wenn ich bremse und ich mich hinter dem Safety Car drehe, weil die Hinterräder blockieren weil die verdammten Reifen kalt und hart wie S****** sind... jeder sagt dann schnell so etwas.

Ich habe meinen Jungs gesagt, ich würde es wahrscheinlich genauso nochmal machen, denn ich habe nichts Verrücktes gemacht. Es waren nur viele Umstände, die zusammengekommen sind. Wenn du hinter dem Safety Car bist, bricht die Temperatur ein, es gab dazu heftige Rückenwinde, ich habe den Schalter erwischt der die Bremsbalance komplett nach hinten verstellt hat. Dann habe ich gebremst, die Räder haben blockiert und bin direkt in die Wand geflogen.

In Spanien sorgte Romain Grosjean für eine heftige Startkollision, Foto: LAT Images
In Spanien sorgte Romain Grosjean für eine heftige Startkollision, Foto: LAT Images

Ich habe das ganze verdammte Rennen gepusht, bin viele Risiken eingegangen und es gab keine Probleme. Und dann hinter dem Safety Car, wenn du es am wenigsten erwartest, crashst du... das ist ein Fehler, den niemand machen will, vom Go-Kart bis zur Formel 1. Aber wir sind alle nur Menschen, und ob du in der ersten Runde, hinter dem Safety Car oder in der letzten Runde crashst. Das ist am Ende alles dasselbe.

Wie gehst du mit Fehlern generell um? Analysierst du jedes Detail oder schließt du schnell damit ab?
Romain Grosjean: Nein, ich analysiere alles. Ich versuche alles zu verstehen und warum ich einen Fehler gemacht habe. Was passiert ist, was ich anders hätte machen können und was ich anders machen würde, wenn es noch einmal passiert. Ich bin mit mir selbst am härtesten. Aber an irgendeinem Punkt entscheide ich, damit abzuschließen und nehme diese Erkenntnisse aber für mich mit.

Abgesehen von den offensichtlichen Fehlern: Es scheint so, als würdest du dich etwas schwerer damit tun, um Probleme des Autos herumzufahren. Dein Teamkollege scheint sich damit etwas leichter zu tun. Wenn das Auto passt, bist du wieder schneller...
Romain Grosjean: Das stimmt so nicht ganz. Ich denke, es gibt ein paar Dinge mit denen ich Probleme habe. Die Bremsen waren anderthalb Jahre ein Problem, sie hätte es aber nur zwei Rennen sein sollen. Dann wäre das erledigt gewesen. Dann Untersteuern. Wenn das Auto stark untersteuert, habe ich Probleme. Gibst du mir Übersteuern, Instabilität, schlechte Traktion, ein schlechtes Heck: Das ist mir egal, da komme ich mit klar.

2012 hat Kimi mit der Servolenkung gekämpft, er hasste es. Ich fühlte bei den drei oder vier die wir ausprobiert haben nie einen Unterschied. Ich hatte damit nie ein Problem. Wir sind alle unterschiedlich und in letzter Zeit hatte ich ein paar Probleme. Dieses Jahr war mein Gefühl im Auto bis Baku einfach nur schlecht.

Ich habe wirklich damit gekämpft ein Gefühl aufzubauen und war trotzdem nicht meilenweit weg. In Melbourne wäre ich ohne das Motorproblem im Qualifying vor Kevin gewesen. In China war ich vor ihm. In Bahrain habe ich einen Fehler gemacht, weil ich die letzte Kurve versaut habe. Das passiert. In Baku war ich im Rennen dann ziemlich konkurrenzfähig. Ich denke also nicht, dass diese Aussagen fair sind.

Ja, es gab ein paar Dinge wie die Bremsen, aber das brauchte anderthalb Jahre. Da sagte ich schon bei den Wintertestfahrten 2016 zu den Jungs, dass sich das nicht ganz richtig anfühlt. Es hat einfach zu lange gedauert und dessen sind wir uns alle bewusst.

Siehst du noch eine Chance, dass du dich dem Untersteuern noch anpassen oder dich damit anfreunden kannst?
Romain Grosjean: Also mögen werde ich es bestimmt nicht. Aber anpassen kann ich mich. In China, wo es sehr viel Untersteuern gibt, kam ich ins Q3. Und da bin ich nicht einmal das 3. Freie Training gefahren. Du kannst um es herumarbeiten, aber wenn du das Maximum, 100 Prozent aus deinem Auto herausholen willst, musst du so viel Selbstvertrauen wie möglich haben und es muss dir alles passen. Ich denke, in Baku war das der Fall. Es hat mir gepasst und ich habe bis zu dem Unfall eine starke Performance gezeigt. Aber wir werden sehen. Wir wissen, was mich im Auto einschränkt. Hoffentlich wird mir das nächste Update sehr helfen.

[Teamchef Günther Steiner geht vorbei und sagt Hallo]

Wer muss mehr daran arbeiten? Günther oder du? Muss er ein Auto bringen das weniger untersteuert oder musst du dich mehr anpassen?
Romain Grosjean: Das ist eine Teamarbeit. Ich muss mich anpassen und er muss das Update bringen.

Teamchef Günther Steiner sagt im Interview Hallo, Foto: Sutton
Teamchef Günther Steiner sagt im Interview Hallo, Foto: Sutton

Anderes Thema: Es wurde oft gesagt, dass du Haas auch aus dem Grund gewählt hast, weil sie eng mit Ferrari zusammenarbeiten...
Romain Grosjean: Nein, das wurde viel von den Medien behauptet. Mein 30. Geburtstag stand bevor und ich war seit 2005 in Enstone. Das ist eine lange Zeit, über zehn Jahre. Versteh mich nicht falsch, wenn ich eines Tages die Chance bekäme mit Renault Weltmeister zu werden, warum nicht? Das wäre fantastisch als Franzose. Aber als ich sie damals verließ, waren sie nicht auf dem Weg zum Weltmeistertitel.

Ich sah, das Haas als neues Team kommt und dachte mir: Ich kann der erste Fahrer sein der für sie Punkte holt, in den Top-5 oder auf dem Podium landet. Dann schauen die Leute auf die Geschichte von Haas und überall steht Grosjean. Ich dachte mir, dass das ziemlich cool ist. Ein Team von null aufzubauen und jetzt im dritten Jahr das vielleicht viertschnellste Auto im Grid zu sein, das ist fantastisch und macht mich sehr stolz. Ich bin sehr glücklich, auch wenn es manchmal sehr viel Arbeit und Frustration ist. Denn du weißt ihr könnt es besser, aber die fehlende Erfahrung schränkt dich manchmal etwas ein. Aber deshalb bin ich hierhergekommen.

Natürlich: Dazu, eines Tages bei Ferrari zu fahren, würde ich niemals nein sagen. Das ist mein Traum und das leugne ich auch nicht. Aber ich bin nicht zu Haas gegangen, weil ich mir eingebildet habe, dadurch zu Ferrari zu kommen. Das war eine Abkürzung, die sich einige der Medien ausgedacht haben. Aber ich dachte, dass es mir hilft zu wachsen, neue Dinge zu verstehen, ein besserer Fahrer zu werden und mehr Fähigkeiten zu erlangen, um eines Tages um die Weltmeisterschaft zu kämpfen, wenn ich dazu die Möglichkeit bekomme.

Du hast erwähnt, was du mit dem Team erreicht hast. Viele von uns hätten das wohl nicht erwartet. Aber trotzdem hängt dir nun der Ruf an, einige Probleme zu haben. Glaubst du, dass das deiner Reputation in irgendeiner Weise geschadet haben könnte?
Romain Grosjean: Vielleicht. Ich weiß nicht, vielleicht. Wenn ich an 2013 denke, als ich in der Lage war mit dem Lotus den Red Bull von Vettel zu verfolgen, das kann ich heute auch noch! In den letzten beiden Jahren habe ich meine Teamkollegen besiegt, mehr Punkte geholt. Vielleicht ist meine Reputation nicht so gut, denn ich habe auch kein Siegerauto. Das ist hart. Und manchmal liegt dir ein Auto in einem Jahr besser als in einem anderen.

Schaut auf Hülkenberg und Perez. In einem Jahr war Hülkenberg schneller, im nächsten war es Perez. Das passiert. Wir machen einen Job, bei dem wir nicht immer das Maximum herausholen können. Manchmal ist das Gefühl besser oder auch schlechter. Wir verlassen uns viel aufs Gefühl. Jetzt haben wir erst fünf Rennen gefahren und alle schreien, dass es ein Desaster ist. Aber wir haben noch 16 Rennen vor uns. Wenn wir in denen gut sind wird sich in Abu Dhabi niemand mehr daran erinnern, dass wir in Australien unsere Räder verloren haben, ich bin Baku gecrasht bin und unser Auto in Bahrain Teile verloren hat.

Der Ruf wird ja zu einem gewissen Teil von den Medien beeinflusst...
Romain Grosjean: Ja, sehr.

Glaubst du, dass die Leute, die in der Formel 1 die Entscheidungen treffen, gar nicht auf die Reputation schauen, da sie es selbst besser wissen?
Romain Grosjean: Das weiß ich nicht. Meine ehrliche Antwort.

Schaut der Teamchef mehr auf den News-Feed der Websites oder auf GPS-Daten und Co?
Romain Grosjean: Das ist vielleicht mehr eine Frage für Günther. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich weiß, dass die britische Presse mich nicht besonders mag. Vielleicht weil ich Franzose bin. Aber ich bin sehr ehrlich mit den Medien und sage immer die Wahrheit. Ich rede keine Scheiße, wie es andere machen würden. Vielleicht ist das nicht gut, aber so bin ich. Und ich bin lieber zufrieden und stolz auf die Persönlichkeit die ich bin, statt zu erzählen, dass ich das Auto, das jeder andere in der ersten Runde abgestellt hätte, in Baku auf den siebten Platz gefahren habe.

Romain Grosjean im Interview mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton
Romain Grosjean im Interview mit Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton

Jetzt musstest du dir drei Jahre lang keine Gedanken um deine Zukunft machen, nun ist es wieder soweit, am Ende der Saison läuft dein Vertrag mit Haas aus. Kümmerst du dich schon um die nächste Saison?
Romain Grosjean: Mein Manager macht das für mich und schaut sich die Optionen an. Ich denke, ich bin in einer guten Situation. Ich mache mir keine Sorgen. Ich weiß, was ich kann. Ja, manchmal mache ich Fehler. Aber manchmal leiste ich auch Außergewöhnliches. Das Podium 2015 in Spa zählt dazu, die Top-5 in Bahrain 2016 auch, in Australien und Österreich letztes Jahr auf Platz sechs zu fahren ebenfalls. Es gab ein paar davon. Natürlich, die Medien schauen immer auf die Sieger, die Top-5 und sagen, welch unglaublichen Job die Fahrer geleistet haben. Aber manchmal kannst du auch das Rennen deines Lebens gefahren sein, aber das Auto kann das nicht zeigen. Was willst du da machen?

Du sagtest, du siehst dich in einer guten Position. Meinst du damit Haas, oder dich persönlich?
Romain Grosjean: Beides.

Dann ist es wahrscheinlich, dass du hier für ein, zwei oder drei weitere Jahre bleibst?
Romain Grosjean: Ja, ich würde mich freuen zu bleiben. Und ich glaube, dass das Team das genauso sieht wie wir. Ich will hier natürlich nicht für das Team sprechen. Aber ich würde mich freuen weiter hier zu fahren, denn wir sind noch nicht fertig und ich glaube, dass wir noch mehr erreichen können. Besonders mit den Regeln ab 2021. Damit sollte es Möglichkeiten für die Teams geben, das Kräfteverhältnis neu zu mischen. Aber wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Schaust du mit einem Auge darauf, was Kimi macht?
Romain Grosjean: Jeder tut das, wer denn nicht?!

Der Ferrari-Traum lebt also noch?
Romain Grosjean: Natürlich. Du musst natürlich einen Top-Job abliefern. Wenn du mich jetzt fragst, ist mein Start in die Saison natürlich nicht der den du willst, um eine Chance zu haben. Aber wenn ich in den nächsten drei oder vier Rennen in die Top-5 fahre ist Grosjean der Held. Von der Zero zum Hero. In Baku war ich im Qualifying eine Zero und wäre im Rennen fast zum Hero geworden. Klar, so kam es dann nicht. Aber wir haben ja alle ein sehr kurzes Gedächtnis.

Mal zum Leben abseits der Formel 1. Wie läuft das Kochen?
Romain Grosjean: Gut, gut.

Verkauft sich dein Kochbuch gut?
Romain Grosjean: Nicht so schlecht. Aber es wird mich nicht zum Millionär machen. Aber die Hauptsache ist, dass ich es sehr genossen habe. Wir hatten Spaß und das wird ein Souvenir sein, dass ich mein ganzes Leben behalten werde. Letztendlich haben wir es geschafft, etwas Profit zu machen, das ist schön. Vielleicht werden wir in Zukunft auch noch mehr machen, es in die Fan-Zonen zu bringen oder an die Rennstrecke, zu den Fans.