Valtteri Bottas hat die Brasilien-Scharte ausgewetzt und in Abu Dhabi dieses Mal seine Pole Position in einen Sieg verwandelt. Beim Formel-1-Rennen auf dem Yas Marina Circuit gewann der finnische Mercedes-Pilot knapp vier Sekunden vor Teamkollege und Weltmeister Lewis Hamilton.

So komfortabel war das Polster auf seinen schärfsten Verfolger im Rennen allerdings nur selten. Nach einem soliden Start kontrollierte Bottas den ersten Stint zwar noch recht souverän, Hamilton hing ihm nicht direkt im Heck, lag nicht im DRS-Fenster.

Hamilton-Overcut bringt Bottas an Rand der Niederlage

Doch kaum war Bottas an der Box gewesen, wendete sich das Bild um 180 Grad. Hamilton blieb länger auf der Strecke, knallte mit dem alten Ultrasoft bessere Zeiten hin als Bottas mit dem frischen Supersoft. Gerade noch rechtzeitig fing sich der Finne wieder, blieb nach Hamiltons Stopp um 1,8 Sekunden an der Spitze.

Binnen einen Runde war Hamilton aber direkt im DRS-Fenster, folgte Bottas fast den gesamten zweiten Stint über daraufhin wie ein Schatten. Mit den härteren Reifen schien der Brite schlicht besser klar zu kommen. "Es sah vielleicht leichter aus als es war. Lewis hat jede Menge Druck gemacht. Ich wusste genau: Nur ein Fehler und er wird es versuchen können. Ich musste den Kopf unten behalten und mich ganz auf mich konzentrieren", berichtet Bottas.

Einziger Bottas-Fehler gibt Hamilton zweite Chance

Einen Schnitzer jedoch baute Bottas gegen Rennende ein. Ausgerechnet vor der langen Gerade blockierte ein Reifen, sodass Hamilton versuchte, seinen Teamkollegen am Ende der Vollgaspassage auszubremsen. "Ich hatte das Gefühl, dass ich immer alles unter Kontrolle hatte. Vielleicht mit Ausnahme eines Fehlers: In einer Kurve haben mal die Reifen blockiert", schildert Bottas die Szene.

Doch noch einmal leistete sich Bottas derlei nicht. "Ich wusste genau - mehrmals kann ich mir das gegen einen Hamilton nicht erlauben. Aber ich hatte keine Panik. Ich kann mit Druck umgehen", so Bottas abgebrüht. Für Niki Lauda ist selbst der eine Schnitzer keine Erwähnung wert. "Ich muss meine Kappe für Bottas ziehen. Er hat sich keine Fehler erlaubt", so der Mercedes-Aufsichtsrat bei RTL, wo er kurz darauf sein Aus als RTL-Experte verkündete.

Rosberg: Weiß genau; wie hart es ist mit Hamilton im Nacken

Nico Rosberg, diesmal als TV-Experte für die Kölner im Einsatz, ergänzt: "Ich weiß genau, wie sich das anfühlt so von Lewis unter Druck gesetzt zu werden. Bottas durfte sich keinen Fehler erlauben." Mit freier Bahn wäre der Weltmeister sonst auf und davon gezogen, meint Rosberg. "Lewis wäre eigentlich noch schneller gewesen. Deshalb mache ich mir Sorgen (um Bottas, Anm. d. Red.) für nächstes Jahr. Für Bottas war es aber sehr wichtig, nochmal so ein Ergebnis zu haben."

Tatsächlich ist dem Finnen die Erleichterung nach seiner so harten zweiten Saisonhälfte anzumerken. "Sehr schön, dass ich die Saison so beenden kann", sagt Bottas. "Es ist ein sehr wichtiger Sieg für mich nach einer schwierigeren Phase in der zweite Hälfte des Jahres. Aber wir haben hart gearbeitet und es ist besser und besser geworden. Ich könnte nicht glücklicher sein als die Saison jetzt mit diesem Sieg zu beenden. Das Auto war hervorragend", so der Formel-1-Fahrer.

Erleichterung nach harter Zeit für Valtteri Bottas

"Ich freue mich sehr für Valtteri, das war ein sehr starkes Rennen und er hat sich den Sieg wirklich verdient. Das ist sehr positiv, nachdem er im Sommer eine schwierige Phase hinter sich hatte bringen müssen", weiß auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Seinen dritten Formel-1-Sieg samt schnellster Rennrunde, mit der Pole also ein Hattrick, widmet Bottas seinem Heimatland anlässlich des 100. Landesgeburtstages am 6. Dezember. Bottas: "Da ich im Moment gerade nichts anderes habe, sage ich gerne, dass das ist mein Geschenk für mein Land ist! Ich bin sehr stolz, Finne zu sein. Ich weiß, auf welch treue Fans ich in meinem Land zählen kann. Das bedeutet mir viel."

2018 hofft Bottas nun, auf diesem Niveau weitermachen zu können, eine konstantere Saison zu zeigen als 2017. "Es konnte heute wirklich kaum besser laufen: Nach der Pole vom Samstag nun ein Sieg samt bester Rennrunde. Ich bin sehr happy. Das gibt mir einen Selbstvertrauensschub für die Winterpause", sagt Bottas. "Es ist richtig toll für Valtteri, dass er gewonnen hat. Das gibt ihm einen richtigen Schub für den Winter", meint Hamilton.

Bottas: Verpasster Vize-Titel & ganze F1-Saison enttäuschend

Dass sein Debütjahr bei Mercedes nicht das Gelbe vom Ei war, gesteht sich Bottas selbst freiheraus ein. "Generell hätte ich in diesem Jahr gerne mehr Rennen gewonnen", sagt Bottas. Insgesamt sei die Saison für ihn enttäuschend verlaufen. Selbst sein Hattrick-Highlight in Abu Dhabi kann ihn darüber nicht ganz hinwegtrösten.

Zumal er ein wenn auch unwahrscheinliches Ziel trotz des Siegs nicht erreicht habe. "Was mich wurmt ist, dass es mit dem zweiten Platz in der WM nicht geklappt hat", hadert Bottas. Vor allem geht es dem Mercedes-Fahrer aber darum, 2018 besser im teaminternen Duell auszusehen.

"Das ist nun alles abgehakt und jetzt denke ich schon an 2018. Mein Ziel muss es sein, Lewis mehr unter Druck zu setzen. Das erwarte ich von mir selbst", stellt Bottas klar. Was er dafür vor allem braucht? Ruhe. "Ich fühlte mich hier schon viel entspannter als in Brasilien. Ich hatte ja nichts zu verlieren, vielleicht war ich deshalb so ruhig. Diese Ruhe muss ich in der kommenden Saison an jedem Wochenende haben", sagt Bottas.

Doch ganz von allein sei die Ruhe nicht gekommen. Auch seine harte Arbeit habe eine Rolle gespielt. "Vielleicht gründet diese Ruhe in der Tatsache, wie hart ich mit dem Team gearbeitet habe, um die Schwächen zu verstehen, die wir nach der Sommerpause zeigten. Als es wieder besser lief, tankte ich neues Vertrauen, und Vertrauen ist in diesem Sport von elementarer Bedeutung."