Für Max Verstappen startete die Formel-1-Saison 2017 katastrophal. Ein technischer Defekt nach dem anderen sorgte für Ausfälle in Serie. Bis zur Sommerpause beendete Red-Bull-Pilot Verstappen nur ein Rennen mehr als sich Nullnummern anhäuften, einzig in China gelang dem Shootingstar der Vorsaison der Sprung auf das Podium.

Kaum hält das Auto, dreht Verstappen auf

Teamkollege Daniel Ricciardo sammelte zeitgleich fünf Podest-Plätze am Stück, darunter einen Sieg in Baku. Ricciardo schien drauf und dran statt Verstappen zum großen Superstar Red Bull Racings zu werden. Doch plötzlich drehte sich das Bild. Drei bittere Wochenenden musste Verstappen nach dem Sommer zwar noch in Kauf nehmen, danach aber konterte der Holländer mit Macht.

Kaum war die Zuverlässigkeit wieder da, schlug Verstappen zu: Sieg in Malaysia, P2 in Japan, P3 in den USA nur durch eine nachträgliche 5-Sekunden-Strafe verloren, wieder ein Sieg in Mexiko. Ricciardo gelangen in dieser Phase zwar ebenso zwei Podien, allerdings musste der Australier - dieses Mal seinerseits von der Technik im Stich gelassen - auch zwei Ausfälle hinnehmen.

Ricciardo kassiert klare Qualifying-Klatsche gegen Verstappen

Defekte und Ausfälle hin oder her, insgesamt zeigte Max Verstappen jedoch fast immer die bessere Performance - übrigens schon vor der Sommerpause. Beispiel Qualifying-Duell: Bis zum Ungarn GP stand es bereits 7:4 für Verstappen, inzwischen hat Ricciardo noch mehr an Boden eingebüßt. Ein Rennen vor Saisonende liegt er mit 6:13 zurück. Das entspricht exakt dem Kräfteverhältnis von Lewis Hamilton gegenüber Valtteri Bottas bei Mercedes und fast dem von Sebastian Vettel gegenüber Kimi Räikkönen bei Ferrari (14:5).

In der Fahrer-WM kann Max Verstappen Teamkollege Daniel Ricciardo seit Brasilien zwar nicht mehr einholen, liegt er bei noch 25 möglichen Punkten bereits 42 zurück, doch holte er seit dem Maximal-Rückstand auf Ricciardo nach dem Singapur GP (94 Punkte) somit binnen fünf Rennen einen gewaltigen Batzen auf.

DHL Fastest Lap Award: Formel-1-GP von Brasilien 2017: (01:42 Min.)

Team-Dull? Verstappen denkt lieber an WM-Kampf 2018

Sukzessive korrigierte der Niederländer das teaminterne Kräfteverhältnis wieder zu seinen Gunsten - auf beeindruckende Manier. Insbesondere Verstappens Sieg in Mexiko wirkte fast schon spielerisch - zumal Verstappen selbst wissen ließ, er habe niemals alles zeigen müssen.

Sich selbst überrascht hat der Niederländer damit nicht. Selbstzweifel habe es bei ihm nie gegeben, so Verstappen. Immerhin hingen fast alle Probleme nur mit Pech zusammen. "Es war immer dasselbe. Ich musste nicht erst Selbstvertrauen tanken. Es ist gut. Klar, es ist natürlich ein gutes Gefühl, aber das hat nicht wirklich etwas verändert", kommentiert Verstappen seine jüngsten Erfolge.

Und blickt bereits voraus: "Hoffentlich kann ich nächstes Jahr in der WM sofort näher an ihm (Hamilton, Anm. d. Red.) dran sein, um es ihm zumindest etwas härter zu machen, so viele Rennen zu gewinnen. Und normalerweise fährst du um die Weltmeisterschaft wenn du mit ihm kämpfst."

Daniel Ricciardo: Max macht mir keine Angst

Doch wie geht es Ricciardo damit, dass sich Verstappen offenbar gar nicht erst mehr mit dem teaminternen Zweikampf aufhalten will? Muss der selbst alles andere als als Nasenbohrer bekannte Australier sich jetzt Sorgen machen, an der Seite Max Verstappens schlecht auszusehen? Zumal der auch 2018 fahrerisch eher noch einmal besser als schlechter werden dürfte?

Nein, meint Ricciardo selbst. "Er ist dieses Jahr stark gewesen. Er hat sich seit vergangenem Jahr verbessert und in den letzten paar Rennen einen echt guten Lauf hingelegt", sagt Ricciardo zwar ähnlich wie zuletzt auch die Red-Bull-Oberen Christian Horner und Helmut Marko. Doch könne keine Rede davon sein, dass ein RBR-Pilot den anderen klar überrage. "Wir waren in den vergangenen fast zwei Jahren gegenseitig eine gute Bedrohung für einander", meint Ricciardo.

Verstappen und Ricciardo: Racing mit dem Wohnwagen in Spielberg: (02:22 Min.)

Ricciardo: Wir pushen uns gegenseitig

"Wir pushen uns gegenseitig. Ich würde mich freuen, wenn wir im nächsten Jahr so weitermachen können. Gerade ist es eine gute Rivalität", ergänzt der Formel-1-Pilot aus Down Under. Die jüngsten Rückschläge auf seiner Seite der Garage würden allerdings schon ein wenig an ihm nagen. "Wenn ich mir Mexiko ansehe ... Wenn du nicht ins Ziel kommst und dein Teamkollege gewinnt, macht es das nur noch schlimmer. Ich war echt enttäuscht mit meinem Rennen", gesteht Ricciardo.

Doch sehe er die parallel starke Performance Verstappens sogar positiv. "Ich war happy damit, wie seine Performance ausgesehen hat, denn so ist sie faktisch eben. Wenn er es zum Arbeiten bekommt, haben wir ein Sieg-Auto", erklärt Ricciardo. Nun liege es an ihm, das ebenfalls zu beweisen. Ricciardo: "Ich hatte im Qualfiying zu kämpfen und wir waren am Samstag ziemlich verwirrt. Aber in diesem Auto steckt auf jeden Fall etwas, das funktioniert. Jetzt ist es mein Job, es zu finden."

Ricciardo: So kann ich Verstappen wieder mehr fordern

Eine Lösung will Ricciardo bereits gefunden haben, um Verstappen in Zukunft besser Paroli bieten zu können: einen anderen Umgang mit den Pirelli-Reifen. "Es hängt alles mit den Temperaturen zusammen. Aber auch damit, auf welcher Oberfläche du fährst. Wenn es eine glatte ist, dann ist das Fenster anders, aber auch die Art und Weise, wie du sie zum Arbeiten bekommen musst, fast schon ein anderer Fahrstil", schildert Ricciardo.

Hier gebe es gerade auf seiner Seite der Red-Bull-Racing-Garage noch Lernbedarf. "Ich habe von meinem Ingenieur aber eine gute Analyse bekommen und auch in der Fabrik zwei Berichte dazu und ich denke jetzt, dass wir von meiner Seite aus verstanden haben, was wir hätten besser machen können, sodass ich jetzt einen Weg weiß, es anzugehen", versichert Ricciardo.

Mit den Reifen erklärt Ricciardo auch die teilweise klaren Niederlagen im Team-Duell gegen Verstappen (+0,873 Sek. im Mexiko-Qualifying, +0,405 Sek. in Brasilien). Ricciardo: "Es war ja nie einfach mit den Pirelli, aber dieses Jahr scheint es so, als könne das Fenster sehr viel kleiner sein. Wenn du drin bist, hast du einen glücklichen Tag, aber wenn du draußen bist, nur ein bisschen, dann wirst du es nie zurückbekommen. Aber ich denke, wir haben da jetzt gelernt."

Ungleichbehandlung bei Red Bull Racing? Ricciardo: Nö!

Genauso wenig Sorgen wie um die Performance macht sich Ricciardo unterdessen wegen einer potentiellen Benachteiligung im Team gegenüber Verstappen, die angesichts der kürzlich langfristigen Vertragsverlängerung des Niederländers zumindest für manchen Experten nicht ganz abwegig erscheint. Zumal Ricciardo selbst Red Bull zurzeit noch zappeln lässt, sich die Türen für mögliche andere Aufgaben ab 2019, vor allem bei Ferrari und Mercedes, offen lässt.

"Im Team herrschte immer Gleichberechtigung, was etwa die Teile angeht. Und da habe ich auch keine Bedenken (für die Zukunft; Anm. d. Red.). Das ist alles nur Medien-Kram", winkt Ricciardo ab.