Der Brasilien GP (am Sonntag ab 17:00 Uhr live im TV bei RTL, Sky Sport HD, ORF1 und SRF2 sowie im Live-Ticker von Motorsport-Magazin.com) verspricht jede Menge Spannung. Die Formel-1-Weltmeisterschaft 2017 ist zwar schon entschieden, doch der Kampf um Platz zwei steht jetzt im Mittelpunkt. In der WM-Tabelle hat Sebastian Vettel die bessere Ausgangslage: Der Ferrari-Pilot liegt vor dem Rennen in Sao Paulo 15 Punkte vor Mercedes-Pilot Valtteri Bottas.

Ins Rennen gehen die beiden Kontrahenten in umgekehrter Reihenfolge: Bottas startet von Pole, Vettel von Platz zwei. Lewis Hamilton hat sich nicht nur in der WM schon verabschiedet, sondern auch beim Brasilien GP. Der Weltmeister startet nach seinem Fahrfehler im Q1 aus der Boxengasse. Aus Reihe zwei starten Kimi Räikkönen und Max Verstappen.

Nach seinem dominanten Sieg beim Mexiko GP vor zwei Wochen stehen die Chancen auf eine Wiederholung des Erfolgs für Verstappen in Brasilien aber schlecht. Mit sechs Zehntel lag er schon deutlich hinter der Pole-Zeit. "Generell war die Pace am ganzen Wochenende einfach nicht gut genug", musste der Red-Bull-Pilot gestehen. "Wir haben zwar viel Zeit auf den Geraden verloren, aber es gibt auch ein oder zwei Zehntel, die wir hätten finden müssen."

Red Bull nicht im Kampf mit Ferrari und Mercedes?

Verstappen nimmt sich selbst aus dem Favoriten-Topf: "Ich hatte nie erwartet, Ferrari und Mercedes auf dieser Strecke zu schlagen, weil wir hier einfach nicht stark sind, aber ich hatte erwartet, dass wir ein bisschen näher dran sind. Um ehrlich zu sein, brauchen wir ein bisschen Glück, aber du weißt nie, was da vorne passiert und es kann noch ein aufregendes Rennen werden."

Im Rennen wiegt der Power-Nachteil zwar erfahrungsgemäß weniger, doch der Brasilien GP verspricht einen Zweikampf zwischen Ferrari und Mercedes. Weil Räikkönen ebenfalls etwas federn lassen musste, verspricht das Rennen den Showdown um WM-Platz zwei zwischen Vettel und Bottas.

Die Vorzeichen sind durchaus unterschiedlich. "Im kurvenreichen Mittelsektor liegt unsere Stärke", erklärt Vettel. "Auf den Geraden verlieren wir auf Mercedes." Tatsächlich war Bottas im ersten und dritten Sektor schneller, Vettel im Mittelsektor. Im Renntrimm allerdings schrumpft Mercedes' Power-Vorteil.

Doch der springende Punkt ist die Longrun-Pace. Für den Rennsonntag werden Temperaturen wie am Freitag erwartet. Dort stieg das Quecksilber auf rund 30 Grad Luft- und 55 Grad Asphalt-Temperatur.

Reifenmanagement spielt eine entscheidende Rolle. Vor allem das Überhitzen der Laufflächen ist kritisch. Mercedes hatte in der Vergangenheit größere Probleme bei hohen Temperaturen. "Wir haben oft gesagt, dass warm für uns gut ist aber im Endeffekt ist die Strecke hier anders", relativiert Vettel. Auch bei Mercedes sieht man dem Thermometer gelassen entgegen. "Wir sind nicht allzu besorgt wegen der heißeren Temperaturen", meint Bottas. "Es sollte nicht so weit von den Temperaturen am Freitag weg sein und da war es okay für uns."

Zockt Ferrari beim Qualifying-Setup?

Den Longruns am Freitag drückte Hamilton seinen Stempel auf. Speziell auf den Supersoft-Reifen war Bottas ein ganzes Eck hinter seinem Teamkollegen. Auch auf Vettel fehlten ihm noch rund 0,15 Sekunden pro Runde. Die Supersofts, auf denen die Top-10 starten, sind besonders knifflig zu managen, da die Reifenmischung ein niedriges Arbeitsfenster hat. Bei hohen Oberflächentemperaturen kann es hier schnell zu einem Temperaturgradienten kommen, der zum bekannten Blistering führt. Speziell der linke Vorderreifen zeigt sich in Sao Paulo dafür anfällig.

Longruns auf Supersoft

FahrerTeamStint-LängeReifen-AlterZeit
VerstappenRed Bull11 Runden19 Runden1:13,113
HamiltonMercedes17 Runden25 Runden1:13,359
VettelFerrari7 Runden17 Runden1:13,459
VettelFerrari13 Runden32 Runden1:13,472
BottasMercedes15 Runden25 Runden1:13,598
RicciardoRed Bull9 Runden16 Runden1:13,793

Auf den Soft-Reifen machte Bottas am Freitag eine bessere Figur. Allerdings war auch hier Vettel geringfügig schneller als der Finne. Der Ferrari-Pilot drehte allerdings deutlich weniger Runden mit seinen Pneus. Beim gelben Soft-Reifen handelt es sich übrigens um eine Mischung mit Arbeitsfenster im höheren Bereich. Entsprechend ist er wohl der bessere Rennreifen bei extremer Hitze.

Longruns auf Soft

FahrerTeamStint-LängeReifen-AlterZeit
HamiltonMercedes9 Runden16 Runden1:12,612
VettelFerrari4 Runden16 Runden1:12,993
BottasMercedes11 Runden20 Runden1:13,126
RicciardoRed Bull11 Runden21 Runden1:13,416
RäikkönenFerrari20 Runden29 Runden1:13,625
VerstappenRed Bull11 Runden19 Runden1:13,770

Fraglich ist nur, wie sehr die Longrun-Daten vom Freitag relevant sind. Am Samstag war es deutlich kühler. So kühl, dass die Teams ihre Autos umbauen mussten. "Dabei dachten wir aber auch daran, dass die Wettervorhersage für morgen wärmere Temperaturen voraussagt", meint Mercedes' Andrew Shovlin. "Wir haben beim Setup fürs Qualifying nichts verrücktes gemacht, wir haben auch ein Auge auf das Rennen geworfen", pflichtet Bottas bei. Möglicherweise hat Ferrari hier etwas mehr gezockt und konnte so den Rückstand vom Freitag auf Mercedes wettmachen.

Bei der Strategie sollte es im Normalfall wenig Überraschungen geben. Pirelli rechnet mit einer Einstopp-Strategie. Die Supersoft müssen nach dem Start dafür 26 bis 32 Runden halten, der Soft entsprechend bis zur Karrieren Flagge nach Runde 71. Die Zweistopp-Strategie mit zwei Stints auf Supersoft ist den Simulationen zufolge langsamer. Der Medium-Reifen wird wohl überhaupt nicht zum Einsatz kommen.