Die Höhenluft in Mexiko City scheint Red Bull beim 18. Rennen der Formel-1-Saison 2017 gut zu bekommen. Am Trainingsfreitag für den Großen Preis von Mexiko konnten Max Verstappen und Daniel Ricciardo an der Spitze problemlos die Pace von Mercedes und Ferrari mitgehen. Lewis Hamilton und Sebastian Vettel erlebten jeweils einen durchwachsenen Freitag.

Nachdem Valtteri Bottas und Lewis Hamilton im 1. Freien Training für Mercedes noch eine Doppelführung erzielten, übernahm am Nachmittag Daniel Ricciardo das Kommando. WM-Leader Hamilton belegte mit 0,131 Sekunden Rückstand den zweiten Platz, Verstappen rangierte mit dem zweiten Red Bull weitere drei Hundertstel dahinter auf Rang drei.

Obendrein war Red Bull auch auf den Longruns wieder einmal eine Bank. Während die Konkurrenz kämpfte, absolvierten Ricciardo und Verstappen trotz kleinerer Probleme beim Niederländer auf allen drei Pirelli-Reifen ein ausgiebiges Programm. "Wir sind generell zufrieden mit allen Reifentypen", erklärte Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko.

Während Ricciardo sich Supersoft und Soft widmete, war Verstappen auf dem Ultrasoft unterwegs. Der Niederländer markierte auf der weichsten in Mexiko verfügbaren Reifenmischung die schnellsten Rundenzeiten, jedoch musste er seinen Longrun aufgrund eines Defekts vorzeitig beenden. "Es gab ein kleines Problem mit dem Motor. Aber es war sowieso ein altes Aggregat", gab Verstappen Entwarnung.

Hamilton war mit einem Mittelwert von 1:21.699 Minuten im Durchschnitt etwa eine halbe Sekunde langsamer als Verstappen. Allerdings lieferte der WM-Leader eine nahezu monströse Rennsimulation ab. Hamilton fuhr am Nachmittag nicht weniger als 26 Runden auf dem Ultrasoft. "Der Longrun auf den ultraweichen Reifen waren wahrscheinlich die besten Runden, die ich je hatte. Ich glaube nicht, dass ich je zuvor 26 so konstante Runden gefahren bin, vielleicht einmal abgesehen vom Rennen", zeigte er sich zufrieden.

Sebastian Vettel verlor etwa eine Zehntel auf Hamilton und lag somit in Schlagdistanz zum Titelrivalen. Sein Nachmittag verlief aber auch nicht nach Plan, denn ein Problem mit dem Feuerlöscher in seinem Ferrari zwang ihn für über eine Viertelstunde an die Box. "Wir haben Zeit verloren, konnten uns aber davon erholen. Das Auto ist generell schnell hier, wir müssen nur noch ein bisschen arbeiten, um die richtige Balance zu finden", so Vettel.

Longruns auf Ultrasoft-Reifen

FahrerDurchschnittliche RundenzeitAbstandReifenalterSession
Max Verstappen1:21,224 Minuten4FP2
Lewis Hamilton1:21,699 Minuten+ 0,475 Sekunden28FP2
Sebastian Vettel1:21,793 Minuten+ 0,569 Sekunden22FP2

Hamilton verhaut Mercedes' Supersoft-Longrun

Während Hamilton auf seinen Run mit Ultrasoft richtig stolz war, leistet er sich zuvor auf dem Supersoft einen nicht unerheblichen Schnitzer. Am Nachmittag hatte er den Supersoft-Longrun für Mercedes auf dem Plan, drehte sich jedoch in den Esses und ruinierte den Reifensatz. "Dadurch habe ich mich selbst ins Hintertreffen gebracht", gab Hamilton zähneknirschend zu.

Das Team sah aber keinen gravierenden Schaden. "Dass wir auf dem ersten Run im zweiten Training einen Reifensatz bei Lewis verloren haben, entpuppte sich im Nachhinein als Glück im Unglück. Denn dadurch hatten wir später in der Session einen richtig schönen Longrun auf den ultraweichen Reifen", gab Mercedes-Technikchef James Allison Entwarnung.

Abgesehen davon hatte Hamilton schon am Vormittag einen Run über 15 Runden auf der Reifenmischung absolviert - und dabei schnelle Rundenzeiten hingelegt. "Der Run von Hamilton auf den Supersofts war beeindruckend", gab Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko zu. Bei Red Bull war Ricciardo auf Pirellis Supersoft unterwegs.

Ganz perfekt lief es bei dem Australier, der über eine halbe Sekunde auf Hamilton verlor, allerdings nicht. "Wir mussten bei Ricciardo eine kurze Pause einlegen. Es war zwar nur eine Vorsichtsmaßnahme, aber wir mussten etwas ändern, weil die Temperaturen zu hoch waren", so Marko.

Die Temperaturen sieht auch Vettel an diesem Wochenende als Knackpunkt. "Es ist hier hart, das Auto zu kühlen. Die Bremsen und die anderen Komponenten, wenn du da hinter jemandem bist, ist es sehr schlecht", erklärte der Ferrari-Pilot.

Longruns auf Supersoft-Reifen

FahrerDurchschnittliche RundenzeitAbstandReifenalterSession
Lewis Hamilton1:21,013 Minuten15FP1
Daniel Ricciardo1:21,847 Minuten+ 0,834 Sekunden15FP2

Mercedes verzichtet auf Soft-Longrun

Auf Pirellis härtester in Mexiko verfügbarer Reifen-Mischung absolvierte Ricciardo als einziger der Spitzenpiloten einen Longrun. Der Australier war bei seinen Rundenzeiten relativ problemlos auf dem Niveau der weicheren Reifenmischungen unterwegs. Mercedes hingegen verzichtete auf den Reifen. "Ich war von Mercedes nicht überrascht", erklärte Pirelli-Manager Mario Isola gegenüber Motorsport-Magazin.com

"Wir wissen, dass Mercedes auf dem Soft ziemlich gut ist. Sie bekommen ihn jedes Mal ins Arbeitsfenster. Deshalb haben sich sich im Training wohl mehr darauf konzentriert, den Ultrasoft zu verstehen", so der Italiener weiter. Der Reifenhersteller glaubt, dass am Rennsonntag alle drei Reifenmischungen eingesetzt werden können und der Soft unter den richtigen Voraussetzungen sogar die beste Wahl sein kann.

"Die Delta-Zeit zwischen Soft und Supersoft liegt bei einer halben Sekunde, zwischen Supersoft und Ultrasoft liegt sie bei sechs Zehnteln", so Isola. "Wenn die Temperaturen wie am Freitag sind, Asphalttemperatur 40 Grad Celsius und Außentemperatur bei etwa 30 Grad Celsius liegt, verlierst du auf Soft nur etwa fünf Zehntel pro Runde. Dafür ist der Reifen aber konstant und deshalb ist er im Rennen eine Option."

Was die Rennstrategie auf der Distanz von 71 Runden angeht, erwartet Pirelli erneut eine Einstopp-Taktik als vielversprechendste Variante. "Es wird wohl Einstopp werden. Ein Stint wird zwischen 30 und 40 Runden dauern. Das sind sehr lange Stints, weshalb wir in den Trainings auch die Longruns von 20 und mehr Runden gesehen haben", sagte Isola.

Longruns auf Soft-Reifen

FahrerDurchschnittliche RundenzeitReifenalterSession
Daniel Ricciardo1:21,626 Minuten14FP2

Red Bull: Ohne Mercedes-Power-Modus in der ersten Startreihe

Bei Red Bull ist man nach der starken Vorstellung am Freitag trotzdem skeptisch, am Samstag vor Mercedes landen zu können. Die Qualifying-Performance der Silberpfeile macht den Bullen nur wenig Hoffnung. Sie sei laut Marko in Mexiko zwar "weniger wert", doch auch in dort glaubt der Österreicher im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass die Extra-Power des Mercedes-Aggregats kaum zu schlagen sein wird: "Es wird wieder den Ausschlag geben."

"Wenn es den Qualifying-Modus nicht gäbe, würde ich sagen, wir stehen in der ersten Reihe", ist er sicher. Allerdings scheint Marko nur den Mercedes von Hamilton auf der Rechnung zu haben. Die zweite Startreihe hält er für möglich. Dabei sieht er nicht nur das Ferrari-Duo als realistisches Ziel. "Bottas auch", glaubt Marko, dass seine Schützlinge den zweiten Mercedes am Samstag hinter sich lassen können.

Ricciardo ist ebenfalls davon überzeugt, dass von den Silbernen noch mehr kommt. "Mercedes wird am Samstag einen guten Schritt machen. Wenn wir eine Chance gegen sie haben wollen, müssen wir noch ein paar Zehntel finden", so der 28-Jährige. Am Sonntag soll für ihn und Max Verstappen auch aus der zweiten oder dritten Startreihe mehr drin sein: "Wenn unser Auto im Rennen wieder gut ist, klappt es auch von da", ist er überzeugt.

Pirelli glaubt, dass Red Bull mit seiner abweichenden Reifenstrategie nach Austin durchaus den nächsten Taktik-Coup landen kann. "Red Bull hat drei Sätze Supersoft. Die haben für das Rennen mit dem Reifen vielleicht etwas vor, während andere ihren Fokus voll auf den Ultrasoft gelegt haben", glaubt Isola.