Während des Ungarn Grand Prix pochte Kimi Räikkönen mehrfach darauf, schneller zu sein als Vordermann und Teamkollege Sebastian Vettel. Der Finne fühlte sich vom WM-Führenden eingebremst. In der Formel 1 ist das eine klare Ansage an den Kommandostand, doch bitte einen Platztausch zu arrangieren. Doch Ferrari blieb hart, Räikkönen musste Vettel folgen - trotz des drohenden Lewis Hamilton im schnellen Mercedes-Silberpfeil. Haben die Italiener mit der Stallregie korrekt gehandelt?

Pro: Der Stallbursche akzeptiert sein Schicksal

Wenn es um die Wurst geht, macht Ferrari keinen Halt - auch nicht vor dem treuen Kimi Räikkönen. Natürlich hätte es auch ganz anders kommen und Hamilton gleich beide Ferrari aufschnupfen können. Kam es aber nicht. Vettel gewann ganz im Sinne der Roten und baute seinen WM-Vorsprung wieder aus. Ein Räikkönen-Sieg wäre emotional vielleicht schön, aber in dieser engen Konstellation völlig wertlos gewesen.

Außerdem saß da ein vierfacher Weltmeister am Steuer. Wenn auch mit schiefem Lenkrad. Ferrari hatte genug Vertrauen in Vettel, um ihm den Sieg auch unter erschwerten Bedingungen zuzutrauen. Seb lieferte ab, Hamilton zeigte sich sogar noch von seiner netten Seite - eine Win-Win-Situation für Maranello.

Noch mehr, weil Räikkönen sein Schicksal inzwischen vollkommen akzeptiert hat. Ja, er beschwert sich mal am Funk. Ist sein gutes Recht. Wird er ernst genommen? "Bestätige, Kimi", reicht offenbar als Antwort, um den Finnen in Zaum zu halten. Ferrari hat seit einer gefühlten Ewigkeit die Chance, den Titel zurück nach Italien zu holen. Da muss eben einer auf der Strecke bleiben, zwei Fahrer können nicht Weltmeister werden.

Hier kommt der Vettel-Faktor einmal mehr ins Spiel. Er siegt nicht nur, sondern schafft es auch noch, die Motivation innerhalb des Teams - und selbst bei Kimi - aufrechtzuerhalten. Ein womöglich entscheidender Vorteil gegenüber den Silberpfeilen mit ihren zwei starken Fahrern. Aber Ferrari ist cleverer und abgekochter, setzt aufs richtige Pferd. Da bleibt Räikkönen nur die Rolle des Stallburschen.

Räikkönen und der bittere Doppelsieg: (04:40 Min.)

Contra: Gerade Ferrari sollte wissen, was Stil ist

Nicht zum ersten Mal konnte man in Ungarn den Eindruck gewinnen, dass Ferrari nicht einmal um die Existenz seines zweiten Fahrers zu wissen scheint. Zumindest wenn es darum geht, dass auch Kimi Räikkönen ein Siegerfahrer, mehrfacher GP-Sieger ist, der jederzeit zu einem Triumph fähig ist, die Kohlen für Ferrari aus dem Feuer holen kann. Das kann Räikkönen sogar extrem gut, ist er immerhin noch immer der bis dato letzte Weltmeister auf Ferrari.

Doch ausgerechnet mit jenem Champion derart rüde umzuspringen wie es Ferrari in Ungarn einmal mehr - Räikkönen-Opferungen gab es diese Saison schon zu genüge - auf die Spitze trieb, zeugt von ganz schlechtem Stil - der nobelsten und populärsten Luxus-Sportwagen-Marke der Welt so unwürdig wie man es sich nur vorstellen kann. Selbst mancher Ferrari-Fan wird sich vor Grauen abgewendet haben - erst recht als am Ende auch noch Mercedes in Sachen Fairplay großes Kino lieferte.

Zumindest der Erfolg gibt Ferrari zwar Recht, aber das Risiko war riesig. Was, wenn es Räikkönen nicht gelungen wäre, Hamilton hinter sich zu halten? Oder der Finne sich aus Ärger über sein Sieg-Tabu freiwillig ergeben hätte? Kurzen Prozess hätte der Brite mit Vettel gemacht. Perdu gewesen wäre der Sieg und damit das Horror-Szenario eingetreten, Vettel hätte sieben Punkte auf Hamilton verloren und damit die prestigeträchtige WM-Führung zur Sommerpause.

Ein Räikkönen-Sieg vor Hamilton und Vettel hätte Letztere zwar auch gekostet, jedoch nicht mit sechs, sondern nur zwei Punkten Rückstand. Noch dazu hätte es keine Siegesschlagzeilen für Ferrari gesetzt. Und die sollte es der Scuderia auch mit Räikkönen wert sein. Eigentlich.