34:68 nach WM-Punkten, 0:3 nach Qualifying-Duellen. Auf dem Papier sieht es für Kimi Räikkönen im Vergleich zu Ferrari-Teamkollege Sebastian Vettel nach dem Formel-1-Saisonstart 2017 ziemlich durchwachsen aus. Ernüchternd sogar, zieht man das bei den Testfahrten in Barcelona noch absolut dem deutschen WM-Leader entsprechende Performance-Niveau des Icemans heran.

Dasselbe gilt, nimmt man die hohen Erwartungen an Kimi Räikkönen vor der Saison 2017. Wegen der neuen Aerodynamik-Regeln hatte mancher Beobachter dem Finnen in der jetzt laufenden Saison Großes zugetraut, kennt Routinier Räikkönen als einer der wenigen Piloten derartige Downforce-Monster wie aktuell bereits aus den Anfängen seiner Karriere. Noch dazu lag Räikkönen schon im Vorjahr weitgehend auf Augenhöhe mit Vettel, besiegte diesen sogar 11:10 im Qualifying. Ganz anders nun das Bild nach den ersten drei Saisonrennen.

Doch welcher Anteil des Rückstandes auf Sebastian Vettel lässt sich Kimi Räikkönen tatsächlich selbst zuschreiben? Liegt es an mangelnder Fahrer-Pace? Oder läuft es von Ferrari-Seite in der einen Garage einfach besser als in der anderen? Welche Rolle spielen Pech und Zufall? Eine Bestandsaufnahme.

In Melbourne fanden Ferrari und Räikkönen kein ideales Setup - mit langfristigen Folgen, Foto: Sutton
In Melbourne fanden Ferrari und Räikkönen kein ideales Setup - mit langfristigen Folgen, Foto: Sutton

Australien GP: Balance nicht hinbekommen

In Melbourne startet Kimi Räikkönen mit Platz vier augenscheinlich solide in die neue Saison. Sogar besser als im Vorjahr, schied der Finne 2016 noch mit Motorschaden aus. Doch 20 Sekunden Rückstand auf seinen siegreichen Teamkollegen Vettel im Ziel indizieren bereits: Irgendwo muss es ein Problem geben. Wo, ist auch relativ schnell klar.

Räikkönen hadert das gesamte Wochenende mit der Balance seines SF70-H, Ferrari und der Finne bekommen einfach nicht das ideale Setup erarbeitet. Die Folge ist lästiges Untersteuern. Das verhindert im Qualifying eine fehlerfreie Räikkönen-Runde und kostet im Rennen, Runde um Runde, permanent Zeit. So erklärt sich der Rückstand auf Vettel im Ziel mit einem Räikkönen und Ferrari wohl zu ähnlichen Teilen zuzuschreibenden Versäumnis. Größer sind jedoch die mittelfristigen Folgen.

Das Wetter verhinderte in China, dass Räikkönen wichtige Setup-Arbeit nachholen konnte, Foto: Sutton
Das Wetter verhinderte in China, dass Räikkönen wichtige Setup-Arbeit nachholen konnte, Foto: Sutton

China GP: Nebel-Pech und katastrophale Strategie

Beim folgenden Rennen in China wird nahezu der komplette Freitag wegen Nebels abgesagt. Die gerade für Räikkönen und Ferrari so wichtige Trainingszeit, um die Setup-Säumnisse aus Australien aufzuarbeiten und final zu bereinigen, geht fast vollständig flöten. Entsprechend kämpft Räikkönen auch in Shanghai bis zum Fallen der Zielflagge mit Untersteuern, muss sich sogar beiden Red Bull beugen, wird nur Fünfter. Doch während sich die Setup-Sorgen Ferrari und Räikkönen gemeinsam ankreiden lassen, kommen in China noch ganz andere Faktoren ins Spiel.

Zunächst in Problem mit der Motoreinstellung am Ferrari. So findet der Finne Anfang des Rennens keinen Weg vorbei an Daniel Ricciardo, später wirft die Ferrari-Chefetage das kurioserweise Räikkönen, nicht der Technik vor. Damit nicht genug, bringt die Scuderia Räikkönen durch eine katastrophale Strategie noch weiter in Nöte. Viel zu spät zitiert Ferrari Räikkönen trotz mehrmaligen Nachfragens seitens des Finnen zum finalen Boxenstopp. Zuvorderst das - kein zu leichter Gasfuß - kostet Räikkönen alle Chancen auf das Podium.

Die Boxenstopp-Strategie kostete Räikkönen in China und Bahrain potentielle Podien, Foto: Ferrari
Die Boxenstopp-Strategie kostete Räikkönen in China und Bahrain potentielle Podien, Foto: Ferrari

Bahrain GP: Motor und Strategie versagen

Das dritte Rennwochenende der Saison beginnt für Kimi Räikkönen mit einem weiteren Rückschlag. Weil in Bahrain Wetterkapriolen wie in China auszuschließen sind, scheinen die Chance eigentlich gut zu stehen, am Freitag endlich das Balance-Problem aufzuklären. Doch das Schicksal schafft es, dass Räikkönen diesen Rattenschwanz noch ein gutes Stück weiter schleifen muss: Im ersten Training überhitzt der Turbolader im Ferrari, Räikkönen kommt nicht zum Fahren. Wieder ist ein wertvolles Training futsch. Im Lauf des Wochenendes gelingen Ferrari und Räikkönen nach eigenem Bekunden allerdings Fortschritte.

Mit drei Zehnteln hält sich der Quali-Rückstand auf Vettel in Grenzen, dennoch reicht es nur zu Startplatz fünf. Von dort verliert Räikkönen mit einem leicht angeschlagenen Reifensatz am Start sofort eine Position an Verstappen, hat aber reichlich Überschuss für einen Konter auf der folgenden Geraden. Dort attackieren sich die Red Bull vor Räikkönen allerdings gegenseitig, der Finne wird ausbremst, innen schlüpft Massa durch. Ohne großen Zeitverlust kann Räikkönen den Ex-Teamkollegen überholen, doch wieder heißt es kurz darauf: Kimi im Pech! Ein unglückliches Safety Car wirft Räikkönen wieder zurück. Kaum erneut mit einigen Überholmanövern nach vorne gearbeitet, geht es allerdings noch über Pech hinaus. Wieder verbaselt Ferrari die Strategie, wieder kommt der Call viel zu spät, sodass ein durchaus aussichtsreicher Angriff auf den Dritten Bottas nun aussichtslos geworden ist.

Lichtblick: Räikkönen erklärt nach Rennende, es gebe immerhin endlich signifikanten Fortschritt in puncto Balance. Räikkönen: "Wir machen jetzt die absolut richtigen Dinge und sind mehr oder weniger da, wo wir sein wollen. Im Rennen war das Auto sogar sehr gut."

Holt sich Kimi Räikkönen in Russland 2017 einen größeren Pokal ab?, Foto: Ferrari
Holt sich Kimi Räikkönen in Russland 2017 einen größeren Pokal ab?, Foto: Ferrari

Durchbruch für Kimi Räikkönen in Russland?

Insgesamt sei er allerdings dennoch nicht zufrieden. "Um ehrlich zu sein, hat es deutlich zu lang gedauert", kommentiert Räikkönen seine Setup-Odyssee durchaus selbstkritisch. "Es ist nicht das, was wir wollen, es nicht sofort richtig hinzubekommen. Aber wir haben es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft", resümiert Räikkönen, nennt als Beispiele etwa den verpassten China-Freitag oder den genannten Defekt im Training von Bahrain. Alles in allem ließen diese Umstände das Problem größer erscheinen als es ist. Die Wurzel des Setup-Übels lag in Melbourne, wurde aufgrund widriger und unglücklcher Bedingungen nur ungewöhnlich lange Zeit mitgeschleift - bis jetzt.

"Jetzt bin ich aber zufrieden mit dem Auto. Auf eine Runde waren es gestern nur Kleinigkeiten", beteuert der Finne. Im Rennen habe dann vor allem die chaotische erste Runde die, dank weitgehend gelöster Balance-Causa, verbesserte Pace kaschiert. Noch dazu eben die gefloppte Strategie. Trotz dieser beiden Fallstricke war die verbesserte Performance des Räikkönen-Ferrari im Rennen jedoch tatsächlich klar ersichtlich. Mit freier Fahrt hielt Räikkönen das Zeiten-Level der Spitze, schloss im Schlussstint sogar rasant auf P3 auf. Plötzlich gab es auch wieder ein Lob aus der Führungsriege Maranellos.

Fazit und Ausblick

Beim anstehenden Russland GP gilt es nun, diesen Trend fortzuführen und ein herausragendes Ergebnis zu liefern. Dafür reicht jedoch das augenscheinlich verbesserte Setup nicht allein. Nach zwei technisch wie strategisch weit unterdurchschnittlichen Wochenenden von Ferrari muss die Scuderia nun auch auf dieser Seite wieder etwas zeigen, will man gleich zwei siegfähige Autos anbieten. Stimmen diese Faktoren, kann der Ferrari-Knoten an der Schwarzmeerküste bei Räikkönen auf jeden Fall platzen, hat es doch nie an bloßer Pace gemangelt. Allenfalls im Qualifying lässt sich Räikkönen ein Manko zuschreiben, bekommt er die 2017 härteren Pirelli-Mischungen wegen seines sehr sanften Fahrstils nur langsam auf Arbeitstemperatur.

Der Trend im Sochi Autodrom spricht unterdessen klar für den Finnen: Räikkönen ist der einzige Pilot im Feld, der sein Ergebnis in Russland in jedem Jahr verbessern konnte. 2016 bedeutete das Rang drei. Zieht Räikkönen die Serie durch, wäre mindestens P2 - und damit der ersehnte Erfolg - sicher.

Expertengespräch: So stark sind Bottas und Räikkönen 2017 (05:22 Min.)