Veränderungen im Leben können positive und negative Effekte nach sich ziehen. Positiv, wenn die gestellten Erwartungen erfüllt wurden und eine Weiterentwicklung erkennbar ist. Negativ aber, wenn sich herausstellt, dass die getätigte Veränderung negative Effekte nach sich zieht und die Gesamtsituation im Vergleich zu vorher möglicherweise sogar schlechter ist. Valtteri Bottas steht vor richtungsweisenden Wochen. Wochen, die entscheiden, in welche Kategorie sein Wechsel zu Mercedes rückwirkend einsortiert wird.

Als Nachfolger von Weltmeister Nico Rosberg verpflichtet, schien sich für Bottas ein Lebenstraum zu erfüllen. Nach Jahren mit wenig Rampenlicht bei Williams war der Finne, dem allseits großes Talent nachgesagt wird, nun bei einem Top-Team angekommen. Doch zum ersten Mal in seiner Karriere sah sich Bottas nun auch mit einem Teamkollegen konfrontiert, der im Rückblick in einigen Jahren als prägende Figur des Sports betrachtet werden wird. Dass Bottas einen Lewis Hamilton wirklich herausfordern kann, trauten ihm nur wenige zu.

Für Valtteri Bottas wird im Rennen derzeit von Lewis Hamilton zerdrückt, Foto: Sutton
Für Valtteri Bottas wird im Rennen derzeit von Lewis Hamilton zerdrückt, Foto: Sutton

Guter Auftakt in Australien

Und so befand er sich in der Welt der Königsklasse von Beginn an an einem Punkt, der gefährlich ist. An einem Lewis Hamilton sind schon ganz andere Teamkollegen gescheitert, selbst ein Fernando Alonso verlor angesichts des damals aufstrebenden Rookies die Beherrschung. Doch Bottas machte von Beginn an klar, dass er vorne mitfahren will, er in erster Line jedoch für das Team unterwegs ist.

Sein Einstand in Australien war stark. Er fuhr in den Trainings quasi auf Hamilton-Niveau, weniger als drei Zehntel Rückstand auf den Briten im Qualifying wurden als Erfolg gesehen. Doch schon in Melbourne passte es im Rennen nicht. Er verlor zu Beginn immens viel Zeit auf das Duo Hamilton/Vettel, erst gegen Rennende, als nichts mehr zu holen war, legte er zu. Dennoch reichte seine Darbietung, um Lobeshymnen aus der Chefetage zu erhalten. Faktisch aber konnte er mit Hamilton und auch Vettel nicht mithalten. Gegen den Ferrari hatte er schon im Qualifying das Nachsehen.

In China dann ein ähnliches Bild. Hamilton auf Pole, Bottas ultraknapp von Vettel geschlagen. Wieder verlief das Rennen aber nicht optimal für Bottas, und das erste Mal patzte er grob. Hinter dem Safety Car schmiss er sein Auto weg beim Versuch, die Reifen auf Temperatur zu halten. Statt Podium nur Platz sechs.

Er gab sich dennoch selbstbewusst. "Das Team kann sehen, wie meine Performance und meine Pace wirklich ist. Natürlich zählen am Ende Ergebnisse, aber ich bin sehr eifrig, die richtigen Ergebnisse so früh wie möglich zu holen. Jeder Punkt, den ich jetzt verliere, fehlt mir am Ende. Ich fühle aber trotzdem nicht, dass ich mich mit irgendetwas beeilen müsste", sagte er. Keinen Druck zulassen, auf die eigene Stärke vertrauen im Haifischbecken Formel 1. Wohl wissend, dass dieser Fehler schon längst Diskussionen über seine Eignung auslöste.

In China blieb Valtteri Bottas nur Platz sechs, Foto: Sutton
In China blieb Valtteri Bottas nur Platz sechs, Foto: Sutton

Reifenpech in Bahrain

Mit diesem Wissen ging es nach Bahrain, wo er eine beeindruckende Reaktion zeigte. Erste Pole seiner Karriere, Hamilton erstmals geschlagen. Sein Durchbruch? Lob für seine Coolness nur wenige Tage nach dem Fehler von Shanghai bekam er von Toto Wolff. "Es ist ohnehin eine gute Eigenschaft von ihm - ich weiß nicht, ob es eine finnische oder eine Bottas-Eigenschaft ist - dass er sofort weitermacht und kaum Zeit damit verbringt, über Dinge nachzudenken oder verärgert zu sein", sagte der Mercedes-Boss.

Doch wieder stand noch ein Rennen bevor, und wieder konnte Bottas nicht überzeugen. Ein technisches Problem am Generator der Heizdecken verursachte eine zu geringe Reifentemperatur, der Druck musste erhöht werden, um den Vorgaben von Pirelli zu entsprechen. Als das Rennen lief und die Temperatur in die Reifen kroch, war der Reifendruck zu hoch, Bottas verlor trotz seiner Führung an Pace.

"Ich hatte mit Differenzial und Bremsbalance nicht alle Werkzeuge, um die Stabilität am Heck herzustellen und das Übersteuern auszugleichen. Die ersten paar Runden war es mit den Reifen noch okay, aber mit steigenden Temperaturen wurde es immer kniffliger", berichtete Bottas. Von einer Alleinfahrt eines führenden Mercedes, wie man sie aus der Vergangenheit kannte, war nichts zu sehen.

Per Undercut kam Sebastian Vettel schließlich an Bottas vorbei. Alle wechselten ihre Reifen, das Problem bei Bottas war behoben. Ging es nun also besser? Nein, denn auch auf dem zweiten Satz Reifen konnte Bottas das Vettelsche Tempo nicht mitgehen, stattdessen hielt er einen ganzen Zug hinter sich auf. Mercedes hätte längst reagieren und Hamilton vorbeibringen müssen, um den Sieg nicht vollends aus den Augen zu verlieren. Man tat es aus Gründen der Gleichberechtigung aber zunächst nicht. Als die Teamorder dann doch vollzogen wurde, war es zu spät.

Mercedes machte in Bahrain von der Teamorder Gebrauch, Foto: Mercedes-Benz
Mercedes machte in Bahrain von der Teamorder Gebrauch, Foto: Mercedes-Benz

Siegfahrer oder Barrichello-Schicksal?

Somit muss sich Bottas mit der Situation konfrontiert sehen, in den Qualifyings bislang durchaus überzeugt zu haben, in den Rennen aber kein bisschen. Damit stellt er Mercedes vor die erzwungene Erkenntnis, dass Bottas zwar ein schneller Mann ist, aber scheinbar kein Siegfahrer. Reifenprobleme hin, allgemein schlechte Rennpace bei Mercedes her. Hamilton fuhr ihm in den Rennen auf und davon.

Für Bottas stehen nun entscheidende Rennen an. Schon in Russland muss er beweisen, dass er bislang nur Opfer zahlreicher ungünstiger Umstände war. Sollte er aber wieder nur Statist sein im Zweikampf zwischen Hamilton und Vettel, dürfte es allmählich ungemütlich werden, vor allem in ihm selbst. "Er hat das Vertrauen nach dem Dreher in Shanghai nicht verloren, er hat gestern zurückgeschlagen. Er wird auch jetzt nicht das Vertrauen verlieren, sondern es analysieren - das ist sein Charakter. Es ist nicht so, dass er das Auto nicht schnell fahren kann, das hat er gestern bewiesen", sprach Wolff ihm in Bahrain noch Mut zu.

Doch klar ist: Die dauerhafte Degradierung zur Nummer zwei nimmt mit jedem weiteren schlechten Rennen immer deutlichere Gestalt an. Es droht ein klassisches Barrichello-Szenario. Ein Umstand, den Bottas sich so sicher nicht vorgestellt hat. Denn schließlich soll der Wechsel zu Mercedes im Nachhinein als Glücksgriff in seiner Vita stehen, nicht als Karrierekiller.