Neuer Chef, neuer Lack, neues Auto, neuer Name und obendrein ein neuer Fahrer. McLaren gab im Vorfeld der Formel-1-Saison 2017 mächtig Gas in allen Bereichen. Viel Neues, doch die alten Probleme sind erst einmal geblieben. Namentlich: Motorenpartner Honda. Bei den ersten Testfahrten krebste der McLaren mehr schlecht als recht durch die vier Tage. Zunächst legte ein Problem am Öltank das Auto flach, anschließend gab es mechanische Schwierigkeiten am Motor.

Was dem Team die größten Sorgen bereiten dürfte: Für das zweitgenannte Problem konnte zunächst keine Lösung gefunden werden. Der problembehaftete Motor wurde umgehend zurück ins Werk nach Japan geflogen und analysiert. "Wir kennen die Wurzel des Problems noch nicht", räumte Honda-Motorenchef Yusuke Hasegawa Ende der vergangenen Woche ein. Klar war nur, dass es fundamentaler und schwerwiegender sei als die Frage nach dem defekten Öl-System.

Gilles Simon weg

Ein erstes Opfer haben die Honda-Probleme offenbar schon gefordert. Gilles Simon, zuletzt als Berater für die Japaner tätig, verlässt den Hersteller laut einem Bericht der BBC in diesem Jahr. Die Trennung sei beiderseitigen Einvernehmen beschlossen worden, teilte ein Honda-Sprecher mit. Der Franzose war von 1994 bis 2006 bei Ferrari tätig und verantwortete zuletzt die komplette Motoren-Abteilung. Mit den Italienern und Michael Schumacher gewann Simon sechs Weltmeisterschaften und 106 Rennen.

Zahlen sprechen für sich

Der Motoren-Ärger aus den vergangenen Jahren setzte sich unter dem neuen Reglement nahtlos fort. Während Mercedes und Ferrari tausende Test-Kilometer abspulten, parkte der McLaren MCL32 häufig in der Garage. Allein die nackten Zahlen dürften Fans des Traditions-Rennstalls überhaupt nicht gefallen. McLaren weist die zweitwenigsten gefahrenen Runden aller Teams bei der ersten Barcelona-Session auf. 208 Runden fuhren Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne - nur Toro Rosso hat mit 183 Runden noch weniger geleistet.

Weltmeister Mercedes ist schon jetzt in weite Ferne gerückt. Die Silberpfeile umrundeten den Circuit de Barcelona-Catalunya 558 Mal - fast drei Mal so oft wie McLaren. Mercedes spulte bereits erste Rennsimulationen ab; Alonso war froh, überhaupt die Garage verlassen zu können. An Performance-Arbeit war überhaupt nicht zu denken. Der Honda-Motor soll im unteren Power-Modus gefahren sein, erzählte man sich im Fahrerlager.

McLaren MCL32: Technik-Check im Schnelldurchlauf (02:56 Min.)

Probleme absolut nicht erwartet

Vier Tage hatte Honda nun Zeit, die Probleme zu verstehen und im besten Fall auszuräumen. Der Plan sah eigentlich vor, bei der zweiten Barcelona-Session mit dem Motor anzutreten, der beim Saisonstart in Australien Ende März zum Einsatz kommt. Noch während der ersten Tests ließ McLaren-Renndirektor Eric Boullier allerdings durchblicken, dass sich dieser Plan ändern könnte, sollte die Aufklärung des Motorenlieferanten nicht zielführend sein.

Die neuerlichen Schwierigkeiten kamen unerwartet, auch für McLaren. Das Team hatte große Hoffnungen darauf gesetzt, im dritten Jahr der Honda-Partnerschaft endlich den Anschluss zu finden. Dann der Rückschlag in Barcelona. "Die Woche hat nicht so begonnen, wie wir es wollten", sagte Boullier am Montag in einem Interview mit der offiziellen Formel-1-Website. "Ich denke, in Japan muss etwas mehr Arbeit geleistet werden, um herauszufinden, warum wir diese Probleme hatten. Probleme, die wir absolut nicht erwartet hatten - und auch sicherlich Honda nicht."

Unerfüllte Erwartungen

Sie seien in den Griff zu bekommen, glaubte Boullier. "Aber sie waren nicht im Plan enthalten. Wirklich schlimm sind sie nicht, es gibt keine fundamentalen Probleme mit dem Design." Der Druck wächst mit jedem Tag bis zum ersten Rennen. Laut Boullier befinde sich McLaren in einer viel besseren Situation als in den vergangenen beiden Jahren, aber: "Um ehrlich zu sein, ist es nicht gut genug für unsere Erwartungen und die der Fans - nach drei Jahren."

McLaren hat schon jetzt einen wesentlichen Erfahrungs-Nachteil im Vergleich zur Konkurrenz. Die verlorenen Kilometer der ersten Barcelona-Woche kann das Team unmöglich aufholen. Die ersten Freitags-Trainings müssen vermutlich dafür herhalten. Nicht die beste Vorbereitung auf eine Saison mit so vielen Unbekannten. "Natürlich versuchen wir, aus allen Problemen zu lernen, um einen besseren Motor zu bauen", sagte Hasegawa. "Und natürlich versuchen wir auch, den Abstand zu den anderen Motorenherstellern zu verringern."

McLaren zeigt den orangen MCL32 (00:51 Min.)

Gebete und Kerzen...

Boullier nahm das so oft gescholtene Honda in Schutz. Man dürfe den Erfahrungsvorsprung von Herstellern wie Mercedes und Ferrari nicht vergessen. Honda habe seit der Rückkehr aufholen müssen. "Mercedes, Renault und Ferrari haben 2010 begonnen", sagte Boullier. "Alle drei haben mit einer bestehenden Organisation angefangen, denn alle drei haben schon F1-Motoren gebaut. Um fair zu bleiben: Es gibt Hersteller, die sieben Jahre hatten und immer noch Probleme haben - und Honda hat vier Jahre nach den anderen angefangen."

Darin steckt sicherlich viel Wahrheit, doch am Ende zählen ausschließlich die Ergebnisse. McLaren hegt Ansprüche, die Honda bislang nicht erfüllen kann. Nicht umsonst merkte der neue McLaren-Chef Zak Brown schon bei der Vorstellung des 2017er Autos an, dass er dieses Jahr keinen Sieg erwarte. Davon scheint McLaren in der Tat weit entfernt zu sein.

Auf die Frage, was McLaren bei den zweiten Tests an Updates bringt, antwortete Boullier mit einem Lachen: "Gebete und Kerzen". Ob das besser funktioniert?