Herr Mücke, Sie kennen Pascal Wehrlein seit seinen Anfängen im Formelsport. Ist er schon reif für die Formel 1?
Peter Mücke: Ich denke, dass er auf jeden Fall bereit ist für die Formel 1. Auch vom Kopf her. Es war schon vor einer ganzen Weile zu erkennen, dass er zu mehr fähig ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Der Weg, den er eingeschlagen hat, ist genau der richtige. Er hat schon damals in der Formel 3 einen sehr guten Job gemacht und viel gelernt. In der DTM hat er sich auf hohem Niveau weiterentwickelt und ja auch abgeliefert. Parallel dazu hat er auch schon im Formel-1-Auto gesessen. Deshalb kann man sagen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für ihn gekommen ist. Er hat jetzt die Chance zu lernen, ohne dem Druck ausgesetzt zu sein, Podiumsplätze abliefern zu müssen. Ich kenne Pascal, er will immer aufs Podest. Alles andere zählt für ihn nicht. Am Ende gehört aber auch eine Portion Realismus dazu.

Wehrlein saß während seiner bisherigen Karriere meist in konkurrenzfähigen Autos. Das dürfte sich jetzt bei Manor ändern. Glauben Sie, dass er mit dieser ungewohnten Situation zurechtkommt?
2012 fuhr Wehrlein für Mücke in der Formel 3 EM, Foto: Sutton

2012 fuhr Wehrlein für Mücke in der Formel 3 EM, Foto: Sutton
Peter Mücke: Ja, dafür ist er reif genug. Er wird versuchen, jedes Auto, in dem er sitzt, am Limit zu bewegen. So, wie es sich eben für einen Rennfahrer gehört. Er hat all seine Schritte relativ früh gemacht. Dabei hat er aber auch gelernt, die Dinge realistisch zu betrachten. So wird er es auch jetzt in der Formel 1 umsetzen, da bin ich mir sicher.

Sie haben Wehrlein 2010 als jüngsten Fahrer der Serie ins ADAC Formel Masters geholt. War damals schon abzusehen, dass er ein Großer werden könnte?
Peter Mücke: Ja. Man merkt das relativ früh bei einem Fahrer am Speed und an der Herangehensweise. Bei einem extrem jungen Fahrer gehört natürlich ein gewisser Reifungsprozess dazu, bei dem er lernen muss, mit seinem Talent richtig umzugehen. Nichtsdestotrotz hat ein solcher Fahrer immer zwei, drei Zehntelsekunden mehr innerhalb seiner Möglichkeiten. Das hat Pascal dann ja auch durchgängig bewiesen.

Ist Ihnen bei Wehrlein damals eine spezielle Fähigkeit aufgefallen, die ihn hervorgehoben hat?
Wehrlein: DTM-Debüt für Mücke Motorsport, Foto: RACE-PRESS

Wehrlein: DTM-Debüt für Mücke Motorsport, Foto: RACE-PRESS
Peter Mücke: Zum einen die Ehrlichkeit in seiner persönlichen Betrachtung der Dinge. Zum anderen der extreme Ehrgeiz. Bei ihm bestand nie ein Zweifel daran, ganz nach oben zu wollen. Bei jungen Burschen muss man da manchmal aufpassen, dass das nicht Überhand nimmt. Es gehört aber auch dazu, immer wieder den Biss zu haben weiterzumachen - auch, wenn es mal nicht so gut läuft. Diesen Biss hatte er immer.

In seinen ersten Formeljahren wirkte Pascal sehr still und in sich gekehrt. Ist es schwierig, mit solchen Charakteren zu arbeiten?
Peter Mücke: Nein, das ist sehr angenehm. Das ist sicherlich auch ein Verdienst des Elternhauses, weil junge Menschen von zuhause aus stark geformt werden. Seine Eltern hatten immer eine sehr realistische Betrachtungsweise, das machte die Arbeit mit Pascal angenehm. Aber - und das gehört bei jedem dazu, der nach ganz oben will - er ist auch immer ein sehr fordernder Fahrer gewesen. Der hat sich nie mit etwas zufrieden gegeben, wollte immer das Maximum.

Wehrlein ist der siebte Fahrer, der nach seiner Zeit bei Mücke Motorsport den Sprung in die Formel 1 geschafft hat. Macht Sie das stolz?
Peter Mücke: Ja, definitiv. Wir fahren ja nicht in den Nachwuchsklassen, nur um dort Fahrzeuge einzusetzen. Mein Ziel ist jeden Fahrer soweit auszubilden, dass er mit jedem Rennauto - ob Formel 1, DTM, LMP oder Sportwagen - umgehen kann. Das gelingt natürlich nicht immer. Ich verfolge aber das Ziel, unsere Nachwuchsfahrer zu Profi-Piloten zu formen.

2004 und 2005 fuhr Sebastian Vettel für Ihr Team. Erkennen Sie Parallelen zu Wehrlein?
Peter Mücke: Jeder Mensch bleibt Mensch. Heißt: Sebastian Vettel bleibt Sebastian Vettel und Pascal Wehrlein bleibt Pascal Wehrlein. Aber Parallelen gibt es immer. Die Eigenschaften, die diese Jungs in sich haben, sind definitiv vergleichbar.

Was bedeutet das konkret?
Mücke von Wehrleins Speed beeindruckt, Foto: RACE-PRESS

Mücke von Wehrleins Speed beeindruckt, Foto: RACE-PRESS
Peter Mücke: Im Sinne von Speed, Charakter und all den Eigenschaften, die ein Fahrer braucht, um solch einen Weg durchzustehen. Ein Teil sind etwa finanzielle Probleme. Man versucht sie zwar von den Jungs fernzuhalten, aber die sind ja auch nicht dumm. Ein anderer Teil ist, mit Niederlagen umgehen zu können. Es ist eben nicht so, dass man nur gewinnt. Bei Pascal war es so: Wenn er mal Zweiter wurde, war das eigentlich eine gute Leistung. Ihm selbst reichte das aber nicht, weil nur der erste Platz gezählt hat. Er war aber auch vernünftig genug, die Dinge einzuordnen. Etwa in der Formel 3, als er um die Meisterschaft fuhr. Ihm war klar, dass auch ein vierter Platz mal reichen konnte im Titelkampf, wenn aus irgendwelchen Gründen nicht mehr möglich war.

Mit Wehrlein fahren 2016 vier deutsche Piloten in der Formel 1. Ist das auch wichtig mit Blick auf den Nachwuchssport in Deutschland?
Peter Mücke: Die Formel 1 lebt davon, dass dort Fahrer aus allen möglichen Nationen am Start sind. Ich glaube, das wird sich immer mal verschieben. Mal fahren dort mehr Deutsche, mal mehr Piloten aus anderen Ländern. Das ist eine gesunde Auslese. Für den nationalen Motorsport ist es natürlich immer positiv, wenn man zeigen kann, dass heimische Piloten durchaus in der Lage sind, auf dem höchsten Level zu fahren.