Vor dem dritten Rennen der Saison findet sich Red Bull im Niemandsland der Formel 1 wieder. Sebastian Vettel muss sich nach seinem Aus im Q2 des Qualifyings von Startplatz 10 nach vorn kämpfen, Daniel Ricciardo startet wegen seiner Strafe aus Malaysia von der 13. Position. Früher wäre dies kein Problem für das Weltmeister-Team gewesen, man erinnere sich an Vettels Aufholjagd in Abu Dhabi 2012 vom letzten Startplatz. Doch die dominanten Zeiten sind vorbei, der RB10 nicht mehr das stärkste Auto im Feld.

Schlimmer noch: Bahrain dürfte Red Bulls Nemesis-Strecke sein. Der 5,412 km lange Kurs mitten in der Wüste liegt dem Auto überhaupt nicht, Sektor 1 und 3 bestehen quasi nur aus Geraden. Hier hat der RB10 klar das Nachsehen, Renaults Power Unit fehlt im Vergleich zur Konkurrenz schlichtweg der nötige Dampf. Oder wie es Helmut Marko ausdrückte: "Aufgrund des mangelnden Topspeeds können wir praktisch kein Mercedes-Auto überholen."

Red Bull verkümmert auf den Geraden

Klingt zwar hart, doch Red Bulls Motorsportberater lag mit seiner Annahme sehr nah an der Realität. Auf der langen Start/Zielgeraden waren Mercedes befeuerte Autos im Qualifying mehr als 8 km/h schneller als Ricciardo, Vettel fehlten zum absoluten Topspeed von Sergio Perez sogar knapp 15 km/h. Ein Blick auf die Startaufstellung in Bahrain verdeutlicht, wie gut die Mercedes-Team in Sakhir unterwegs sind: Vettel ist als Zehnter der bestplatzierte Renault-Fahrer, vor ihm stehen sieben Mercedes und zwei Ferraris.

War der Red Bull früher stark genug, um von der Spitze des Feldes in den ersten Runden wegzufahren und sich eine ausreichende Lücke zu erarbeiten, muss die Truppe aus Milton Keynes nun in die Taktik-Trickkiste greifen, um Chancen auf gute Punkte zu haben. Gegen die Mercedes-Power sieht Red Bull zwar kein Land, doch eine geschickte Boxenstopp-Strategie könnte funktionieren. "Vielleicht gibt es ein paar Möglichkeiten", kündigte Marko bereits an. "Wir wissen noch nicht genau, wie wir an Mercedes vorbeikommen wollen, aber wir werden etwas austüfteln."

Strategie als Rettungsanker

Da liegt natürlich eine alternative Reifen-Strategie nahe. Früher fuhr der Red Bull als schnellstes Auto im Zweifel drei Stopps und hatte wegen seiner überragenden Pace keine Probleme. Jetzt scheint die Zeit gekommen, es mit einer Zwei-Stopp-Strategie zu versuchen. "Im Moment ist es ziemlich eng zwischen zwei und drei Stopps", glaubte Ricciardo. "Vielleicht bietet uns das ein bisschen Raum, um in dieser Richtung etwas zu versuchen." Der Australier weiß, dass es keinen Sinn macht, einen hinteren Punkterang anzuvisieren - Bahrain bietet die perfekte Gelegenheit, etwas zu riskieren.

Kann Red Bull heimlich nach vorn fahren?, Foto: Sutton
Kann Red Bull heimlich nach vorn fahren?, Foto: Sutton

"Ein Platz in den Top-4 wäre morgen super, also nehmen wir uns das vor", steckte Ricciardo die Ziele wesentlich höher als Motorsportberater Marko, der es als Erfolg werten würde, wenn beide Autos in die Punkte fahren. Ricciardo hatte offenbar Lust aufs Zocken: "Ich denke nicht, dass wir konservativ sein müssen. Wir müssen pushen! Als 13. bin ich abgeschlagen, aber wenn sich die Möglichkeit bietet, will ich sie annehmen, nach vorn fahren und ein paar Punkte mitnehmen."

2 Stopps vs. 3 Stopps

Doch ist eine Zwei-Stopp-Strategie überhaupt im Bereich des Möglichen angesichts der Reifenkombination aus Weich und Medium? Laut Pirelli schon. Drei Stopps seien theoretisch die schnellste Strategie, doch Teams mit geringem Reifenverschleiß könnten es mit zwei Boxenstopps schaffen. Start auf Soft, Wechsel auf Soft und ein längerer letzter Stint auf der langsameren Medium-Mischung könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein.

Reifen sind das große Thema bei Red Bull, Foto: Sutton
Reifen sind das große Thema bei Red Bull, Foto: Sutton

Sollten sich die Streckenverhältnisse über Nacht nicht rapide ändern, setzt Mercedes wohl auf die Drei-Stopp-Variante. Nicht umsonst haben Rosberg und Hamilton im Qualifying Reifen an allen Ecken und Enden gespart. Im Q1 fuhren die Silberpfeile lediglich auf den Medium-Reifen und sowohl im Q2 als auch Q3 je nur einen Run auf den weichen Mischungen. Anschließend warnten beide Silberpfeile mehrfach vor dem Reifenverschleiß in Bahrain.

Große Chancen auf ein Top-Ergebnis hat Red Bull angesichts der Mercedes-Übermacht zwar nicht, doch für eine Überraschung ist das Weltmeister-Team dank der kniffligen Reifensituation definitiv gut.