Johann Zarco ist seit seiner Ankunft im Honda-Lager zum MotoGP-Saisonbeginn die Speerspitze des japanischen Herstellers. Er sammelte für Honda bislang 127 Punkte und damit zwölf mehr als seine Stammfahrerkollegen Luca Marini, Joan Mir, Takaaki Nakagami (2024) und Somkiat Chantra (2025) zusammengerechnet. Zarcos Sieg in Le Mans am vergangenen Wochen war dabei natürlich das bisherige Highlight.
Johann Zarco und Honda: Reine Formsache?
Schon zuvor durfte sich der Franzose gute Chancen auf einen Aufstieg ins Honda-Werksteam für die Saison 2026 ausrechnen. Dort verfügt ja aktuell nur Joan Mir über einen Vertrag für das kommende Jahr, der Kontrakt des bislang eher enttäuschenden Luca Marini läuft Ende 2025 aus. Mit seinem Triumph beim Heimrennen schien Zarcos Wechsel aus dem LCR-Kundenrennstall in die Factory-Truppe am Sonntagabend für Außenstehende so gut wie besiegelt. Auch, weil die Gerüchteküche rund um einen Wechsel von Pedro Acosta zu Honda in den vergangenen Wochen wieder massiv abgekühlt ist und Spekulationen um eine Verpflichtung von Toprak Razgatlioglu wohl bewusst von dessen Management gestreut wurden, um den Marktwert des zweifachen Superbike-Weltmeisters nach oben zu treiben.
Doch wenige Stunden später zeigte die MotoGP einmal mehr, welch schnelllebiges Geschäft sie ist. 'Motorsport.com' enthüllte, dass Jorge Martin seinen laufenden Zweijahresvertrag bei Aprilia schon Ende 2025 auflösen will. Eine Ausstiegsklausel soll ihm das ermöglichen. Auch Martins Ziel scheint bereits klar: Sein Manager Albert Valera dürfte bereits Kontakt zu Honda für den Werksplatz 2026 aufgenommen haben.
Sehr gute Honda-Gespräche mit Johann Zarco - und Jorge Martin?
Zarco machte nie einen Hehl daraus, wie gerne er noch einmal Werksfahrer in der MotoGP werden würde und lobte noch in Le Mans die vielversprechenden Verhandlungen mit Honda: "Der Honda-Werksplatz ist für mich auf jeden Fall möglich. Und wenn ich weiterhin bester Honda-Fahrer bleibe, dann wäre diese Entscheidung ja auch logisch. Ein Werksplatz ist der Traum jedes Rennfahrers und ein Meilenstein jeder Karriere. Ich würde diesen Schritt daher gerne machen. Die Gespräche mit Honda sind sehr, sehr positiv."
Was Zarco zu diesem Zeitpunkt wohl nicht wusste: Dass Honda auch mit Jorge Martin über eine Zusammenarbeit spricht. Diese Tatsache verändert im Transferpoker natürlich alles. Denn blickt man rein auf die sportlichen Kennzahlen von Zarco und Martin, spricht wenig für den routinierten Franzosen. Er und der 'Martinator' waren drei Jahre lang Teamkollegen bei Pramac-Racing. Die Bilanz: 5 zu 1 Grand-Prix-Siege für Martin, 9 zu 0 Sprinterfolge, 16 zu 14 Podien und 691 zu 564 WM-Punkte. Und Martins überragende Weltmeistersaison im Vorjahr fällt dabei gar nicht in diesen Zeitraum. Der Mann aus Madrid ist mit 27 Jahren langfristig betrachtet die reizvollere Variante, Zarco wird in zwei Monaten bereits 35.
Johann Zarco gegen Jorge Martin: Ein Duell wie Tag und Nacht
Zarco kann bei Honda wohl nur zum Zug kommen, wenn man dort der Meinung ist, dass der Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vorzuziehen ist. Martin gilt als emotional, teilweise regelrecht erratisch: 2020 stritt er sich aus einem bestehenden KTM-Kontrakt heraus. Im Vorjahr unterschrieb er im Frust über die Nichtberücksichtigung für das Ducati-Werksteam hastig bei Aprilia. Und nun will er auch dort mit der kreativen Auslegung einer Klausel flüchten. Ein verlässlicher Vertragspartner sieht anders aus. Hinzu kommt, dass Honda aktuell zwar große Fortschritte macht, aber immer noch weit von der MotoGP-Spitze entfernt ist. Wer garantiert Honda, dass Martin langfristig an Bord bleibt, wenn er bei Aprilia nach nur einem gemeinsamen Rennwochenende bereits alles hinwerfen will?
Johann Zarco hat sich in den vergangenen Jahren hingegen gemausert - zum Musterbeispiel eines MotoGP-Arbeitstiers, auf das man bauen kann. Schon zu Pramac-Zeiten spielte er eine entscheidende Rolle in der Weiterentwicklung der Ducati Desmosedici. Nicht selten wurde er als Versuchskaninchen für neue Teile auserkoren und erledigte diese Aufgabe ohne Widerworte. Auch in seiner jetzigen Honda-Ära überzeugt er mit vorbildlicher Moral und Haltung. Attribute, die nicht zuletzt auch in der klarerweise japanisch geprägten Unternehmenskultur der Honda Racing Corporation geschätzt werden.
Honda vor der Qual der Wahl: Welche MotoGP-Strategie ist die richtige?
Eine mögliche Entscheidung zwischen Martin und Zarco wird also zur Philosophiefrage: Entscheidet man sich für eines der herausragenden Talente im MotoGP-Feld, dem aber der Ruf als schwieriger Charakter vorauseilt? Oder setzt man auf einen verlässlichen Angestellten, der auch bereit ist, notfalls den Erfolg des Projekts über seine eigenen Interessen zu stellen? Die kommenden Wochen und Monate werden die Antwort liefern.
Jetzt dürft ihr in die Rolle der Honda-Bosse schlüpfen: Wen würdet ihr für das Werksteam 2026 verpflichten? Schreibt es uns in die Kommentare!
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