Dass Stefan Bradl im Rahmen einer MotoGP-Wildcard am Großen Preis von San Marino teilnimmt, wurde in den letzten Jahren fast schon zu einer Art Tradition. Seit 2021 war der Deutsche in jeder Saison in Misano am Start, so auch am vergangenen Wochenende wieder - und das hat auch guten Grund, schließlich findet im Anschluss traditionell der letzte Testtag der MotoGP-Saison statt, bei dem die Hersteller gerne erste Konzepte für das kommende Jahr debütieren lassen. Der Grand Prix in Misano eignet sich daher hervorragend für einen Wildcard-Einsatz, um das neue Motorrad im Rahmen eines Rennwochenendes ersten Funktionstests zu unterziehen, ehe die Werkspiloten am Montag übernehmen.

Diesen Plan verfolgte die Honda Racing Corporation auch 2024 wieder, das zurückliegende Wochenende verlief für Bradl aber so gar nicht nach Plan. Schon in den Trainings am Freitag zeichnete sich ab, dass auch das neue HRC-Konzept der RC213V nicht den erhofften Fortschritt bringen würde. Trotz zahlreicher neuer Teile landete Bradl mit 3,131 Sekunden Rückstand auf dem abgeschlagenen letzten Platz, ganze 2,1 Sekunden hinter der besten Honda von LCR-Pilot Johann Zarco. Auch im Qualifying fehlten am Samstagvormittag noch anderthalb Sekunden, weshalb erneut nur der letzte Startplatz zu Buche stand.

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Katastrophe! Stefan Bradl 1,5 Sekunden langsamer als 2023

Im Interview mit 'ServusTV' wurde der Deutsche deshalb noch vor Start des Sprints im Grid deutlich. "Katastrophe, was soll ich sagen", präsentierte er sich sichtlich frustriert und ratlos. "Es fällt mir schwer, Worte zu finden. Wir sind anderthalb Sekunden langsamer als wir letztes Jahr um diese Zeit waren. Das sagt eigentlich schon alles. Ich muss jetzt meinen Job machen, so gut es eben geht", kündigte er an und ergänzte abschließend: "Manchmal muss man eben durch solche tiefen Momente durchgehen. Aber ich hoffe nicht, dass es noch tiefer geht." Was Bradl zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte, im nachfolgenden Sprint sollte er es gar nicht ins Ziel schaffen, er musste zwei Runden vor Schluss mit einem technischen Gebrechen aufgeben. Falsch gedacht also.

In der offiziellen HRC-Pressemitteilung folgte die Einordnung: "Es ist ein weiteres Wochenende, an dem wir an verschiedenen Dingen, verschiedenen Ideen und Konzepten arbeiten. Das Ziel ist nicht die Rundenzeit. Natürlich wäre es besser gewesen, den Sprint zu beenden, aber manchmal gehört das zum Fortschritt dazu. Morgen versuchen wir es erneut."

Gemeint war damit wohl ein letzter Versuch, mit Anpassungen im Warm Up doch noch etwas Hoffnung im neuen Prototypen zu finden. Doch auch das klappte nicht, wie Bradl vor Rennstart erneut am 'ServusTV'-Mikrofon verriet. "Irgendwo müssen wir es mit Humor nehmen", übte sich der 34-jährige Bayer zunächst in Zweckoptimismus. Anschließend wurde er allerdings erneut deutlich: "Sie zwingen mich, mit Dingen zu fahren, die eigentlich nicht funktionieren. Heute Morgen im Warm Up haben wir nochmal etwas ausprobiert, was der letzte Schritt war, um aus diesem Projekt bzw. der jetzigen Konstellation nochmal etwas herausschöpfen zu können. Das ging wieder nicht auf und jetzt bin ich mit dem alten [Konzept] unterwegs, allerdings auch nicht in der Spezifikation, wie ich es gerne hätte. Wir springen im Dreieck hin und her, das ist ja offensichtlich. Wir finden momentan nicht den Weg und Lösung, um uns aus der Krise heraus verbessern zu können. Ich muss jetzt einfach schauen, das Rennen so zu gestalten, wie ich kann. Ich habe kein Gefühl für das Bike, ich spüre gar nichts."

Das neue Honda-Bike entpuppte sich als Fehlgriff, Foto: LAT Images
Das neue Honda-Bike entpuppte sich als Fehlgriff, Foto: LAT Images

Erste WM-Punkte 2024! Stefan Bradl nutzt Wetterdrama um Jorge Martin

Harte Worte, die sich im Klassement aber nur indirekt bemerkbar machten. Denn in der Endabrechnung verlor Bradl nur 15 Sekunden auf die bestplatzierte Honda, die erneut von Zarco pilotiert worden war. Takaaki Nakagami lag sogar nur sieben Sekunden voraus, die beiden Repsol-Honda-Piloten Joan Mir und Luca Marini fehlten bekanntlich krankheitsbedingt. Ein Blick auf den Gesamtrückstand des Trios auf Rennsieger Marc Marquez relativiert aber auch diese positive Erscheinung wieder. Selbst Zarco verlor im Grand Prix mehr als 62 Sekunden auf den MotoGP-Superstar und damit mehr als zwei Sekunden pro Runde.

Immerhin: Es reichte für Bradl dennoch zu den ersten WM-Punkten des Jahres. Da sich einige Piloten um WM-Leader Jorge Martin mit einem Bike-Wechsel auf Regenreifen verkalkuliert hatten, konnte der Deutsche als 14. zwei Zähler abstauben. "Ich habe nicht viel erwartet, als ich heute in das Rennen ging. Aber wenn es regnet, weiß man nie, was passieren kann. Erfahrung zählt sehr viel. Wir hatten nichts zu verlieren und der Himmel sah nicht dunkel genug aus, deshalb blieb ich auf Slicks", beschreibt Bradl und meint: "Ich bin wirklich froh, dass ich 14. geworden bin und einige Punkte geholt habe - nicht nur für mich, sondern auch für die Jungs, mit denen ich im Testteam zusammenarbeite. Wir leisten viel Arbeit bei diesen Wildcards und auch hinter den Kulissen, deshalb freue ich mich, dass ich ihnen etwas bieten kann, das sie genießen können."

Stefan Bradl holte dank des Regens seine ersten WM-Punkte 2024, Foto: LAT Images
Stefan Bradl holte dank des Regens seine ersten WM-Punkte 2024, Foto: LAT Images

Letzter Wildcard-Einsatz für Stefan Bradl in Motegi?

Fünf von sechs möglichen Wildcard-Einsätzen im Jahr 2024 hat Stefan Bradl damit absolviert. Zuvor fuhr er auch schon in Jerez, Barcelona, am Sachsenring und in Österreich. Wo ihn Honda ein letztes Mal einsetzen will, ist bislang noch nicht bekannt. Traditionell bringt HRC aber beim Heimspiel in Motegi gerne einen zusätzlichen Fahrer auf die Strecke. Gut möglich also, dass Bradl beim Japan Grand Prix (04. bis 06.10.) ein letztes Mal mitmischen wird.